Neue Partei von Sahra Wagenknecht: Nun nimmt das Projekt Gestalt an

Wagenknecht, 2021, noch für die Linkspartei unterwegs. Bild: Die Linke, CC BY 2.0

Lange wurde spekuliert, am Montag soll es Details geben. Zunächst sorgte eine Fake-Website für Verwirrung. Wagenknecht sprach indes vor Hunderten sich in Halle.

Wagenknecht, Wagenknecht, Wagenknecht: Seit Monaten sorgt die Noch-Bundestagsabgeordnete der Linken für Schlagzeilen – mit nichts Konkretem, was durchaus beachtenswert ist. Die 54-Jährige ist seit geraumer Zeit nicht mehr für ihre Partei und Fraktion tätig, spätestens, seit der ihr nicht freundlich gesinnte Parteivorstand Anfang Juni einen Beschluss gegen sie gefasst hat. "Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht", hieß es darin wenig subtil.

Das sieht nun auch die Neosozialistin so, die sich beharrlich im Feld der zehn beliebtesten politischen Persönlichkeiten hält. Am Montag will sie in der Bundespressekonferenz in Berlin einen Verein als Vorstufe zu einer neuen Partei vorstellen.

Dieser Text erscheint in Kooperation mit der Berliner Zeitung. Lesen Sie hier und hier die Beiträge unserer Partnerredaktion.

Über diese Pläne hatten Anfang August zuerst Telepolis und die Berliner Zeitung in einem gemeinsamen Text berichtet. Der Verein "BSW - Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V." wird eine Art Kaderorganisation sein, ein Vehikel für einen engen und hermetisch abgeschirmten Kreis um Wagenknecht.

Dieser Zirkel soll so lange wie möglich aufrechterhalten werden, um Versuche der Unterwanderung zu vermeiden, heißt es aus dem Umfeld. Dies werde auch für die für Anfang kommenden Jahres geplante Partei gelten.

"Ein Parteimitglied aufnehmen, das ist leicht, es wieder loszuwerden, nicht", sagte ein Aktivist, der mit den Planungen vertraut ist. Diese Erfahrung macht gerade auch die Linkspartei, die gegen Wagenknecht und die Ihren wettert, aber wenig Handlungsmöglichkeiten hat.

Dass die Befürchtungen, das neue Wagenknecht-Projekt könne sabotiert werden, nicht vollends ersponnen sind, zeigte sich schon vor der Vereinsvorstellung: Am Donnerstag sorgte eine Website mit der Domain www.bswpartei.de für Verwirrung.

Auf den ersten Blick informierte die Seite über die kommende Partei, unter anderem wurde dort auch zu Spenden aufgerufen, die entsprechenden Buttons funktionierten aber nicht.

Schnell hieß es aus dem Umfeld von Wagenknecht, es handele sich um eine Fälschung. Wagenknecht selbst ging mit einem Anwalt gegen die Seite vor, die Domain ist mittlerweile nicht mehr erreichbar.

Offen ist, wer für die Website verantwortlich ist. Zuerst berichtete der Spiegel, dass die Domain erst kürzlich erworben worden sei und einer Marketingfirma mit Sitz im Kreis Mettmann gehöre.

Der Chef des Unternehmens bestritt auf Anfrage des Magazins, dass er etwas mit der Seite zu tun habe. Nun wird spekuliert, dass jemand Wagenknecht durch Falschinformationen schaden wolle.

Dafür sprechen auch nationalistische Töne in den wenigen Texten auf der Seite. Wagenknecht wurde von Kritikern immer wieder Nähe zur AfD vorgeworfen.

Fake-Website sorgte schon für Ärger

Am Mittwochnachmittag hatten der Spiegel und das ZDF berichtet, dass Wagenknecht am kommenden Montag die Gründung einer neuen Partei ankündigen werde.

Demnach wird die Bundestagsabgeordnete in der Bundespressekonferenz zunächst den Verein "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit" vorstellen. BSW steht für "Bündnis Sahra Wagenknecht".

Im Spiegel hieß es ferner, die 54-Jährige werde einen "klaren Ausblick" auf die Parteigründung geben. Wagenknecht selbst äußerte sich bislang nicht zu ihren Plänen, eine Anfrage der Berliner Zeitung blieb unbeantwortet. Dann hat das Büro der Linke-Politikerin bestätigt, dass der Verein auf der Pressekonferenz vorgestellt werden soll. Der Termin ist auf Montag angesetzt.

Mittlerweile hat die Bundespressekonferenz ihr Programm für die kommende Woche veröffentlicht. Am Montag werden neben Wagenknecht auch die Linke-Abgeordneten Amira Mohamed Ali und Christian Leye vor der Hauptstadtpresse sprechen. Ebenfalls an der Pressekonferenz teilnehmen sollen der Karlsruher Unternehmer Ralph Suikat und der frühere nordrhein-westfälische Linke-Geschäftsführer Lukas Schön.

Der Verein BSW wird wohl vor allem der Finanzierung des Parteiprojekts dienen. So könnten Wagenknecht und ihr Umfeld einen Spendenaufruf starten, um zusätzliches Geld für die Partei zu sammeln.

In den vergangenen Monaten waren wiederholt Informationen über das Projekt durchgestochen worden. So wurde bekannt, dass Wagenknecht und ihre Mitstreiter auf der Suche nach Prominenten sind, die sich in dem neuen Projekt engagieren könnten.

Dabei setzt Wagenknecht nicht nur auf Linke, sondern auch Vertreter anderer politischer Spektren. Kontakt gab es etwa zu der Politikwissenschaftlerin und Publizistin Ulrike Guérot, die zuletzt vor allem mit Kritik an den Corona-Maßnahmen von sich reden gemacht hat.

Wagenknecht in Halle: Es wird viel genickt

Einen Ausblick auf das, was kommt, bot Wagenknecht am Donnerstagabend in einem Theater in Halle an der Saale. Rund 40 Minuten las sie vor den 700 bis 800 Gästen. Sie hat sich für das Vorwort ihres aktualisierten Taschenbuchs entschieden. Geschrieben hat sie es nach Russlands Einmarsch in die Ukraine, es handelt von der Zeitenwende-Rede des Kanzlers, davon, dass es Angriffskriege schon vorher gegeben habe.

Ob diese denn weniger "empörenswert" waren, fragt Wagenknecht. Sie sagt, dass "aus einem regionalen Konflikt unser Krieg" geworden sei, und der koste vor allem Deutschland viel. "Aber die Frage ‚Wem nützt es?‘ stellen ja heute nur noch Verschwörungstheoretiker." Im Saal wird viel genickt.

Wie Wagenknecht auf den Ukraine-Krieg schaut, dürfte den meisten aber bekannt gewesen sein. Genauso wie ihre Gedanken zum Linksliberalismus: "Wer die eigene Weltsicht nicht für eine Meinung, sondern für eine Frage der Moral und des Anstands hält, für den ist jeder Andersdenkende mindestens ein schlechter Mensch und wahrscheinlich sowieso ein Nazi."

Aber wie soll es denn nun weitergehen im Hinblick auf die Parteigründung? Immerhin ist es doch das erste Mal, dass sich Wagenknecht öffentlich zu den Berichten vom Vortag äußern will.

Viel verrät sie an diesem Abend nicht, wobei der Grund dafür durchaus erwähnenswert ist: Sie habe der Bundespressekonferenz versprochen, über die Details erst am Montag zu berichten. Der Verein hat also ein Exklusivrecht.

Da helfen auch die Fragen von Veranstalter Härtl und Moderator Jürgen Rummel nicht, die jetzt auf der Bühne neben Wagenknecht sitzen.

Na ja, vielleicht ein wenig: Sie sei hin- und hergerissen gewesen, schließlich habe man sie schon damals wegen der Friedensdemo in Berlin "mit Kübeln an Dreck" überschüttet. Doch sie neige zu einem "gewissen Trotz", dazu, "jetzt erst recht" zu sagen. Ihre neue Partei solle eine Leerstelle füllen. Viele Menschen fühlten sich politisch nicht mehr vertreten.

Und mit ihrem Noch-Parteifreund Gysi, der Wagenknecht von der Entscheidung abhalten wollte, sei sie am Mittwoch gemeinsam Fahrstuhl gefahren.

Man habe sich nett unterhalten.

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