Neues Fischsterben in deutsch-polnischen Gewässern

Seite 2: Deutsche Flüsse mit Chemikalien belastet

Die Süßwasserökosysteme in Deutschland sind mit wenigen Ausnahmen in einem schlechten Zustand, erklärt die Umweltministerin. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Gewässer nicht nur als Wasserstraßen genutzt, sondern auch massiv mit chemischen Stoffen belastet worden.

Ob Arzneimittel, Pestizide oder Hormone - einer aktuellen Untersuchung zu Folge sind Flüsse etwa in Baden-Württemberg mit vielerei Chemikalien belastet - darunter Schmerzmittel wie Diclofenac oder Röntgenkontrastmittel, aber auch Fluoranthen, das beim Reifenabrieb und bei Verbrennungsprozessen entsteht. Die Spurenstoffe stammen aus der Industrie und Landwirtschaft, aus Haushalten und Verbrennungsprozessen.

Viele Stoffe könnten auch in einer vierten Reinigungsstufe von Kläranlagen nicht entfernt werden, erklärte Ulrich Maurer. In den Kläranlagen werden sie nicht ausreichend abgebaut und anschließend in die Gewässer gespült. In Baden-Württemberg seien 25 Kläranlagen mit dieser zusätzlichen Stufe ausgerüstet. Der Präsident der Umweltlandesanstalt fordert die Verbraucher dazu auf, ökologische Wasch- und Reinigungsmittel zu nutzen, Medikamentenreste korrekt zu entsorgen und auf Pestizide zu verzichten.

Sind die Wasserstände niedrig, werden die Stoffe, die in Flüsse geleitet werden, weniger verdünnt. Das stresst die Gewässer, die bereits unter Sauerstoffmangel und Hitzestress leiden, noch zusätzlich. Auch technische Defekte können für Fischsterben verantwortlich sein: Im August 2022 hatten Angler rund 300 tote Fische aus der Saale in Bernburg geborgen.

Die mutmaßliche Ursache fand sich beim Bernburger Solvay-Werk: Durch einen Riss in einer Rohrleitung der Fabrik war ammoniakhaltige Sole ausgetreten und in die Saale gelangt.

Natürliche Flusslandschaften nützen der Artenvielfalt

Kurzfristige Symptombehandlung sei in der akuten Situation richtig, löse allerdings nicht das grundsätzliche Problem, erklärt der WWF. Stattdessen müsse die Gesundung des Flussökosystems vorangebracht und seine Fähigkeit zur Selbstreinigung gestärkt werden. Zudem sind die Ausbaupläne des Bundesverkehrsministeriums nicht gerade geeignet, das Flussökosystem zu stabilisieren.

Durch weiteren Ausbau werde sich Zustand der Flüsse wohl weiter verschlechtern. Es liege in der Verantwortung des zuständigen Bundesverkehrsministers, den Fluss zu revitalisieren. Denn: Wenn auf deutscher Seite gebaggert wird, werden die Ufer zur Großbaustelle, das Flussbett verödet und die Oder verliert an Selbstreinigungskraft. Die nächste Umweltkatastrophe wäre somit vorprogrammiert. Der WWF fordert daher ein Moratorium für den Oderausbau.

Früher schlängelten sich die Flüsse wie blaue Adern durch unsere Landschaft. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Flussläufe begradigt, Fahrrinnen ausgebaggert, Ufer mit Steinen bedeckt. Der Nabu arbeitet daran, Flüsse wieder zu lebendigen Lebensräumen machen, an denen sich Eisvogel und Fischotter wohlfühlen können. Wer die Renaturierung von Flüssen und Auen unterstützen will, kann beim Nabu eine "Flusspatenschaft" abschließen.