Neun-Euro-Ticket: Viel zu erfolgreich, um verlängert zu werden

Wann bekommen Bus und Bahn endlich Vorrang? Bild: Sebastian Rittau / CC BY 4.0

Alles spricht für die Fortsetzung des außerordentlich erfolgreichen Versuchs, doch der ministerielle Porsche-Lobbyist Lindner sperrt sich.

Selten war eine einfache, unbürokratische Maßnahme einer Bundesregierung so beliebt und führte zugleich so rasch an mehrere erstrebenswerte Ziele. Wie bereits berichtet, wurden 52 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft; der Effekt für den Klimaschutz war ansehnlich und größer als alles, was in den letzten 30 Jahren diesbezüglich im Verkehrssektor erreicht worden wäre.

Mancher stieg für einige Zeit vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) um. Eine im Auftrag des Verbandes der Verkehrsbetriebe (VDV) durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass zehn Prozent der mit dem Neun-Euro-Ticket unternommenen Fahrten andernfalls mit dem PKW zurückgelegt worden wären.

Das Ticket hat also nicht nur zahlreiche Menschen entlastet, die mit wenig oder sehr wenig Geld auskommen müssen und sich gar kein Auto leisten können. Es hat auch ganz konkret zur Vermeidung von Straßenverkehr, Verkehrslärm, Feinstaub und Treibhausgasemissionen geführt. Nach Hochrechnung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wurden dadurch von Juni bis August 1,8 Millionen Tonnen CO2 weniger ausgestoßen.

Lindner mag Tankrabatt, aber keine Billigtickets

Doch damit ist nun Schluss. Offensichtlich war das Ticket dem Porscheminister und FDP-Chef Christian Lindner zu erfolgreich, sodass er seinen Parteifreund im Verkehrsministerium Bescheid gab, dass es auf keinen Fall eine Verlängerung geben dürfe.

Das Bündnis Bahn für Alle kritisiert die Entscheidung des Bundesverkehrsministers Volker Wissing und fordert wie auch viele Sozialverbände und Vertretungen der Studierenden eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets.

Eine Handvoll regionaler Nachfolger des Tickets sei keine Alternative. Statt das Ticket abzuschaffen, sollte die Bundesregierung die Länder und Kommunen finanziell in die Lage versetzen, mehr Personal in Zügen und auf den Bahnhöfen sowie mehr Wagons in Auftrag zu geben, sodass dauerhaft mehr Menschen Züge statt des Autos nutzen können.

Millionen Menschen haben mit den Füßen abgestimmt, sie wollen die Bahn und die anderen Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs nehmen! (...) Das Neun-Euro-Ticket-Sommerwunder wurde durch Beschäftigte und geduldige Dauerpendler ermöglicht, die über die Grenze des Zumutbaren belastet wurden. Beim Personal muss dringend aufgestockt werden. Und wir brauchen auch erheblich mehr Wagen und den Ausbau der Strecken und Takte. Das kostet nicht mehr, sondern weniger als Autoverkehr im gleichen Umfang.

Carl Waßmuth, Sprecher von Bahn für Alle

Draufzahlen muss die öffentliche Hand sowohl beim individuellen als auch beim öffentlichen Verkehr, doch der Betrieb von Bussen und Bahnen ist letztlich günstiger, wie neuste Untersuchungen zeigen. Die Subventionen, mit denen der Straßenverkehr gefördert wird, beliefen sich 2018 laut einer Untersuchung des Umweltbundesamtes auf 18,26 Milliarden Euro jährlich.

Straßenverkehr dreimal so teuer wie ÖPNV

Hinzu kommen noch die Ausgaben für Unterhalt und Neubau von Straßen sowie für zerstörte Umwelt- und erhebliche Gesundheitsschäden. Die KfZ- sowie mit dem Kraftstoff zu zahlende Energie- und Mineralölsteuern decken nur den kleineren Teil davon ab.

Eine Studie der Universität Kassel zeigt zudem, dass deutsche Großstädte für den Radverkehr am wenigsten ausgeben, sie hingegen der Pkw-Verkehr dreimal so teuer wie der ÖPNV kommt. Einer der Gründe dafür: Straßenverkehr beschert ihnen keine Steuereinnahmen.

Autoverkehr ist somit auch Mittel der Umverteilung nach oben, denn viele Menschen mit geringem Einkommen können sich kein Auto leisten. Nur auf dem Land gibt es oft keine Alternative, weshalb sich Geringverdiener oft ein Auto vom Munde absparen müssen.

Bahn für Alle warnt daher auch davor, dass bei einer Rückkehr zur Vor-Neun-Euro-Ticket-Situation Menschen mit wenig Geld von den Preisen abgeschreckt werden und dann weniger Bahn und Bus nutzen. „Bahnfahren darf kein Luxus für Wohlhabende sein“, so Waßmuth. Viele Menschen mit wenig Geld hätten nicht etwa deswegen ein Auto, weil sie Staus und Abgase so schön finden, sondern weil für sie wichtige Ziele oft nur mit dem Auto erreichbar sind.

Abgehängte Regionen müssen wieder an das Bahnnetz angeschlossen werden. Wenn gleichzeitig der öffentliche Nahverkehr erschwinglich und zuverlässig wird, werden sich viele Menschen liebend gern vom Auto und vom Alltag im Stau verabschieden und auf die Bahn umsteigen.

Carl Waßmuth, Sprecher von Bahn für Alle