Nicht nur in USA: Mehrheit in Deutschland verliert Vertrauen in Regierung und will weniger Migration
Prioritäten in Westlichen Staaten verschieben sich. Beachtliche Ergebnisse in globaler Studie für Deutschland. Unangenehmer Trend für Ukraine.
Der jährlich erstellte "Demokratie-Wahrnehmungsindex" (DPI) des Umfrageinstituts Latana und der in Kopenhagen ansässigen Alliance of Democracies Foundation zeigt, dass die Menschen weltweit die Demokratie als wichtig erachten, jedoch nur die Hälfte der Befragten glaubt, dass ihr Land demokratisch ist. Beachtliche Erkenntnisse brachte die Umfrage vor allem zu Deutschland zutage. Für die Ampel-Koalition sind die Daten wenig positiv.
Die Studie basiert auf Interviews mit über 62.953 Befragten aus 53 Ländern. Sie wurde zwischen dem 20. Februar und dem 15. April 2024 durchgeführt.
Demokratie als globales Anliegen
Die Befragten weltweit halten die Demokratie für wichtig. Im Durchschnitt sagten 85 Prozent der Interviewten, es sei wichtig, in ihrem Land eine Demokratie zu haben. Die Wertschätzung für die Demokratie ist damit in den letzten sechs Jahren konstant hoch geblieben.
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Allerdings glauben nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten (58 Prozent), dass ihr Land demokratisch ist. Diese Unzufriedenheit ist nicht auf undemokratische Länder beschränkt, sondern ist auch in den USA, Europa und anderen Ländern mit langer demokratischer Tradition verbreitet. Deutschland weist den Ergebnissen der Umfrage zufolge einen einzigartig schlechten Wert auf.
Regierungen handeln im Interesse Weniger
Etwa die Hälfte der Menschen weltweit, sowohl in demokratischen als auch in undemokratischen Ländern, hat das Gefühl, dass ihre Regierung nur im Interesse einer kleinen Gruppe von Menschen handelt. In den letzten vier Jahren ist diese Wahrnehmung in Lateinamerika am höchsten, in Asien am niedrigsten und in Europa seit 2020 stetig gestiegen.
In den USA als führender westlicher Macht sei das Gefühl, dass die Regierung nur einer Minderheit dient, von etwa 52 Prozent im Jahr 2020 auf 57 Prozent im Jahr 2024 gestiegen.
"Deutschland sticht jedoch als das Land hervor, in dem sich die öffentliche Wahrnehmung der Rechenschaftspflicht der Regierung am stärksten verschlechtert hat", heißt es in der Studie: "Die Ansicht, dass die Regierung nur einer Minderheit dient, stieg von 34 Prozent im Jahr 2020 auf 54 Prozent im Jahr 2024."
Im Gegensatz dazu sei die öffentliche Wahrnehmung der Rechenschaftspflicht der Regierung in China nach wie vor eine der höchsten in der Welt, heißt es in der Studie der Kopenhagener Stiftung, die von dem ehemaligen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gegründet würde.
Bedrohungen für die Demokratie
Wirtschaftliche Ungleichheit wird weltweit als größte Bedrohung für die Demokratie wahrgenommen (68 Prozent), gefolgt von Korruption (67 Prozent) und dem Einfluss globaler Konzerne (60 Prozent). Bei der Frage nach dem Einfluss sozialer Medienplattformen auf die Demokratie sind die Meinungen geteilt: In Europa und Nordamerika sehen die meisten Menschen soziale Medienplattformen eher negativ oder gemischt, während die Menschen in den meisten anderen Ländern eine positivere Sicht haben.
Globale Herausforderungen
Krieg und gewaltsame Konflikte werden zunehmend als die wichtigste globale Herausforderung gesehen, gefolgt von Armut und Hunger sowie dem Klimawandel. Die meisten Menschen möchten, dass sich ihre Regierungen stärker auf die Bekämpfung von Armut, Korruption und die Förderung des Wirtschaftswachstums konzentrieren.
Es gibt jedoch starke regionale Unterschiede bei den Prioritäten: Europäer und US-Amerikaner möchten eher, dass ihre Regierung die Verbesserung des Gesundheitswesens, den Kampf gegen den Klimawandel und die Reduzierung der Einwanderung priorisiert, während in Asien und Lateinamerika der Kampf gegen Korruption und die Förderung des Wachstums als wichtiger erachtet werden.
Wahrnehmung globaler Mächte
Die Menschen in fast allen befragten Ländern haben positive Wahrnehmungen der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und der Vereinigten Staaten und negative Wahrnehmungen von Russland.
Bei den Wahrnehmungen von China ist die Welt gespalten: Westliche Demokratien, insbesondere die Vereinigten Staaten, europäische Länder, Australien, Japan und Südkorea, haben negative Ansichten über China, während der Rest der Welt tendenziell wohlwollend auf das Reich der Mitte schaut.
US-Einfluss auf die Demokratie
Die Vereinigten Staaten werden von den meisten Ländern weltweit, insbesondere in Lateinamerika, Asien und einigen osteuropäischen Ländern wie Polen und der Ukraine, als positiver Einfluss auf die globale Demokratie gesehen. In westeuropäischen Ländern hingegen sind die Meinungen gemischt oder sogar leicht negativ.
In den letzten vier Jahren, von 2020 bis 2024, wurden die Wahrnehmungen des globalen Einflusses der USA positiver - sie erreichten ihren Höhepunkt in den Jahren 2022 oder 2023 und gingen dann im Jahr 2024 stark zurück.
Wirtschaftliche Beziehungen zu Russland und China
Die Unterstützung für das Abbrechen der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufgrund seiner Invasion in der Ukraine bleibt in Europa und den Vereinigten Staaten trotz mehrerer Sanktionspakete hoch. Der Rest der Welt bevorzugt jedoch eher den Erhalt der Beziehungen.
Bei der Frage nach dem Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zu China im Falle einer Invasion Taiwans ist die Welt ebenfalls zwischen dem Westen und dem Rest geteilt.
Die Menschen in westlichen Demokratien sind im Allgemeinen dafür, die Beziehungen zu China im Falle einer Invasion abzubrechen. Dies schließt mehrere große Handelspartner Chinas ein: die Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland. Die meisten anderen Länder würden jedoch lieber Beziehungen aufrechterhalten.
Unterstützung für die Ukraine
In Bezug auf die umfangreiche Unterstützung der Nato für die Ukraine in den letzten gut zwei Jahren ist nur ein Drittel (34 Prozent) der Weltbevölkerung der Meinung, dass zu wenig getan wurde, um der Ukraine zu helfen. Etwa die Hälfte sagt, dass die Unterstützung angemessen war (46 Prozent). Eine deutliche Minderheit von 19 Prozent gibt an, dass zu viel getan wurde, um der Ukraine zu helfen.
Das Gefühl, dass "zu wenig" getan wurde, um der Ukraine zu helfen, nimmt jedoch ab, während der Anteil derjenigen, die sagen, dass "zu viel" getan wurde, ansteigt.
Das Gefühl, dass "zu wenig" für die Ukraine getan wurde, nimmt jedoch ab, während der Anteil derer, die sagen, dass "zu viel" getan wurde, zwar gering ist, aber wächst. Diese "Hilfsmüdigkeit" ist besonders ausgeprägt in Deutschland, wo inzwischen eine Mehrheit der Menschen (40 Prozent) überzeugt ist, dass "zu viel" für die Ukraine getan wurde - der höchste Wert aller befragten Länder - dicht gefolgt von China (37 Prozent), Österreich (37 Prozent) und Ungarn (31 Prozent).
Herausforderungen für die Welt, Paukenschlag für Deutschland
Laut den Menschen auf der ganzen Welt sind die größten Herausforderungen der Welt "Krieg und gewaltsame Konflikte", gefolgt von "Armut und Hunger" und "Klimawandel". Die Anzahl der Länder, die "Krieg und gewaltsame Konflikte" als größte globale Herausforderung ansehen, ist von 25 Ländern im Jahr 2023 auf 39 Länder im Jahr 2024 gestiegen, von insgesamt 53 befragten Ländern. Besonders krasse Ergebnisse aber zeigen sich beim Thema Migration.
Zunehmender Drang zu verringerter Zuwanderung
In den vergangenen zwei Jahren sei in vielen europäischen Ländern der Anteil derjenigen stark gestiegen, die der Meinung sind, dass die "Verringerung der Zuwanderung", so die Formulierung in der Umfrage, eine der obersten Prioritäten der Regierung sein sollte.
Gleichzeitig ist in diesen Ländern der Wunsch nach der Priorität "Bekämpfung des Klimawandels" zurückgegangen. Nirgendwo ist diese Umkehrung auffälliger als in Deutschland, das nun an der Spitze der Welt steht, mit dem höchsten Anteil an Menschen, die wollen, dass ihre Regierung sich auf die Verringerung der Einwanderung konzentriert (44 Prozent). Dieser Wert übertrifft alle anderen Prioritäten – und ist nun fast doppelt so hoch ist wie die Fokussierung auf die Bekämpfung des Klimawandels (24 Prozent).
Obwohl 33 Prozent der Weltbevölkerung den Klimawandel als eine der drei größten Herausforderungen der Welt bezeichnen, sagen nur 14 Prozent der Menschen, dass die Bekämpfung des Klimawandels zu den drei wichtigsten Prioritäten ihrer Regierung gehören sollte.