Seite 2: Abschottung gegen Terrorismus?

In Reaktion auf den Artikel "Vier Lehren aus dem Afghanistan-Desaster" schlägt ein Kommentator vor:

Welche Lehren müsste man ziehen? Z.B. sich konsequenter abzuschotten 1. Die Terroristen kommen mehrheitlich aus dem Ausland. Wir haben sie herein gelassen. 2. Man hat gesagt, man muss in die Herkunftsländer gehen, um dort die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen. Man hat (jetzt) fest gestellt das geht nicht. Da 2. nicht geht, müsste die Lehre also sein, bei 1. zu verhindern. Dann können die in ihrem Land machen was sie wollen und es kann uns egal sein.

Forums-Kommentar

Wer sind "die Terroristen" drängt sich als Frage nach diesem Kommentar auf? Abgesehen davon, dass es keine eindeutige und einheitliche Definition von Terrorismus existiert, verrät ein kurzer Blick auf die Seiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass islamistischer Terrorismus (wie er vom Kommentator wahrscheinlich von Afghan:innen befürchtet wird) aktuell nur einen geringen Teil der politisch motivierten Gewalttaten in Deutschland ausmacht.

1.092 Gewalttaten wurden 2020 der "politisch motivierten Gewalt - rechts" zugeordnet, 1.526 Gewalttaten der "politisch motivierten Gewalt - links", 23 Gewalttaten "religiöser Ideologie" und 113 Gewalttaten "ausländischer Ideologie"., "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 125 Gewalttaten.

Nun ist der Verfassungsschutz nicht gerade für sein besonderes Augenmerk auf Rechtsextremismus bekannt, im Verfassungsschutzbericht 2020 sieht er aber mit 33.300 als rechtsextrem eingestuften Personen, davon 13.300 "gewaltorientierte" durchaus eine wachsende Gefährdung von rechts. Der Anschlag auf die Synagoge von Halle vom 9. Otober 2019 und die rassistischen Morde am 19. Februar 2020 in Hanau wurden von deutschen Tätern verübt.

Dass islamistischer Terrorismus ein in erster Linie von außen kommendes Phänomen ist, lässt sich auch nicht unbedingt sagen. So sind nach Angaben des Verfassungsschutz 1.070 Personen aus islamistischen Gründen nach Syrien oder in den Irak ausgereist, ungefähr ein Drittel davon inzwischen zurückgekehrt. Dabei dürfte es sich in der Regel um deutsche Staatsbürger:innen handeln, die sich im Ausland zum Teil an Gewalttaten beteiligt haben.

Die Behauptung unter 1. lässt sich so nicht stützen, Abschottung kann daher nicht vor Terrorismus schützen.

Die Bekämpfung der Ursachen von Terrorismus dürfte komplex sein. Die Verfolgung von Menschen in Afghanistan kann uns aber genauso wenig egal sein, wie in jedem anderen Land der Welt. Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt noch immer: "1. Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen."