Noam Chomsky: Russlands Krieg in Ukraine humaner als US-Invasion in Irak

Noam Chomsky. Bild: Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0

Der US-Linguist stellt gegenüber britischer Zeitung einen provokanten Vergleich auf. Kiew sieht er von den USA abhängig. Hier die Hauptthesen des US-Regierungskritikers.

Der US-amerikanische Intellektuelle und Linguist Noam Chomsky hat gegenüber der britischen Wochenzeitung New Statesman das militärische Vorgehen Russlands in der Ukraine als vergleichsweise zurückhaltend bezeichnet. Chomsky stellte die russische Kriegsführung auf Nachfrage der US-Invasion im Irak 2003 entgegen.

Vergleiche man die beiden Invasionen, so hätten die Russen die ukrainische Hauptstadt Kiew ebenso unbewohnbar machen können, wie einst die US-Invasoren Bagdad, sagte er.

Der ukrainischen Regierung spricht Chomsky politisch eigenständige Entscheidungen ab, sie sei abhängig vom Willen der USA – ebenso wie Großbritannien.

Chomsky ist seit Langem für seine Kritik an der US-Außenpolitik bekannt. Bereits 1967 griff er in seinem Essay "Die Verantwortung der Intellektuellen" die geistige Elite der USA an, weil sie seiner Meinung nach der damaligen US-Regierung geholfen hat, die Verbrechen in Vietnam zu rechtfertigen.

Der Konflikt in der Ukraine unterscheidet sich grundlegend vom Krieg der USA in Vietnam vor gut einem halben Jahrhundert. Diesmal führen die USA keinen Krieg auf fremdem Territorium, sondern unterstützen ein souveränes Land, das von Russland angegriffen wird. Chomsky kritisiert aber nicht nur die US-Politik, sondern auch die ukrainische Regierung.

Gegenüber dem New Statesman wiederholte er die These, dass die USA und Großbritannien Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aus Eigeninteresse ablehnten. Dies sei besonders verwerflich, da die Ukraine durch den Krieg bereits jetzt schwer verwüstet sei.

"Die Ukraine ist kein freier Akteur, sie ist abhängig von dem, was die USA entscheiden", so Chomsky. Die USA würden Kiew nur mit Waffen beliefern, um Russland zu schwächen, meinte er.

"Für die USA ist das alles keine finanzielle Belastung. Für einen Bruchteil ihres kolossalen Militärbudgets sind sie nun in der Lage, die militärischen Kräfte ihres einzigen wirklichen militärischen Gegners ernsthaft zu schwächen", erklärte Chomsky.

Russland indes verhalte sich zurückhaltend und moderat. In einem Vergleich mit der US-Invasion im Irak 2003 stellte er fest, dass es in der Ukraine nicht zu einer großflächigen Zerstörung der gesamten Infrastruktur gekommen sei.

"Zweifellos könnte Russland das tun, wahrscheinlich mit konventionellen Waffen. Es könnte Kiew unbewohnbar machen, so wie die USA Bagdad unbewohnbar gemacht hat; auch könne die russische Armee wohl die Versorgungslinien in der Westukraine angreifen", so Chomsky. Auf die Zerstörung der Stromversorgung in den vergangenen Wochen und Monaten ging er nicht ein.

Die kontroverseste Einschätzung, die der New Statesman dann auch in die Überschrift hob, traf Chomsky auf eine Frage des Journalisten Ido Vock hin, von dem auch die Wortwahl stammt. Vock fragte seinen Interviewpartner im Zuge des Gesprächs über den russischen Angriffskrieg und ähnliche Völkerrechtsbrüche, ob er andeuten wolle, dass Russland in der Ukraine "humaner" kämpfe als die USA im Irak. Die genaue Textstelle in Vocks Text lautet:

Als ich ihn bat, zu erläutern, ob er damit andeuten wolle, dass Russland in der Ukraine humaner kämpfe als die USA im Irak, antwortete Chomsky: "Ich deute es nicht an, es ist offensichtlich".

Ido Vock

Zur Begründung dieser These verwies Chomsky unter anderem darauf, dass 2003 sogar die Vertreter der Vereinten Nationen aus dem Irak abgezogen werden mussten, weil der US-Angriff so heftig und verheerend gewesen sei.

Das ist die amerikanische und britische Art, Krieg zu führen. Schauen Sie sich die Opferzahlen an. Ich kenne nur die offiziellen Zahlen, und die offiziellen Zahlen der Vereinten Nationen besagen, dass es in der Ukraine etwa 8.000 zivile Opfer gegeben hat. Wie viele zivile Opfer gab es, als die USA und Großbritannien in den Irak einmarschierten?

Noam Chomsky

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