Noam Chomsky: Russlands Krieg in Ukraine humaner als US-Invasion in Irak

Seite 2: Britischer Journalist kritisiert Chomsky nach Gespräch

Ein weiteres Indiz für Russlands Zurückhaltung sei der Umstand, dass seit dem Angriff der russischen Armee am 24. Februar 2022 wiederholt ausländische Vertreter in Kiew zu Gast gewesen seien.

"Als die USA und Großbritannien Bagdad in Schutt und Asche legten, reisten da irgendwelche ausländischen Führer nach Bagdad? Nein, denn wenn die USA und Großbritannien in den Krieg ziehen, gehen sie ihnen an die Gurgel. Sie zerstören alles: Kommunikation, Transport, Energie, 'shock and awe' – alles, was die Gesellschaft am Laufen hält.", so Chomsky.

Auf die Frage, wie eine mögliche Lösung für den Krieg in der Ukraine aussehen könnte, antwortete Chomsky, dass die Ukraine zunächst auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten müsse:

Das ist eine rote Linie, auf der jeder russische Führer bestanden hat, vom ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin bis zum ehemaligen sowjetischen Führer Michail Gorbatschow. Die Ukraine erhält den Status von Österreich während des Kalten Krieges oder von Mexiko heute. Mexiko kann nicht einem Militärbündnis beitreten, das den USA feindlich gesinnt ist. Das ist zwar nicht vertraglich geregelt, aber es ist ganz klar.

Noam Chomsky

Eine weitere geopolitische Konfliktquelle seien die Spannungen zwischen den USA und China: "So wie Washington Russland mit der Nato-Erweiterung provoziert hat, so provoziert es auch China ganz offen in der Taiwan-Frage".

Obwohl die chinesische Führung "nicht nett" sei und im Südchinesischen Meer gegen internationales Recht verstoße, kämen Eskalationsprognosen für einen Krieg um Taiwan "nur aus dem Westen".

Der britische Journalist Ido Vock, der das Interview mit Chomsky führte, stellte einige seiner Thesen infrage. Die Schätzungen über die zivilen Opfer der Irak-Invasion gingen etwa weit auseinander. Eine Zählung des Irak Body Count Project (IBC), das als eine der umfassendsten Datenbanken über Todesfälle im Irakkrieg gilt, schätzt die Gesamtzahl der zivilen Todesopfer in den 20 Jahren seit der Invasion 2003 auf 186.000 bis 210.000.

Fast 25.000 dieser Todesfälle sind direkt auf die von den USA geführte Koalition und ihre irakischen Verbündeten zurückzuführen. Zehntausende weitere gehen laut IBC auf das Konto von regierungsfeindlichen Aufständischen, einschließlich des Islamischen Staats. Die Verantwortung für mehr als 100.000 zivile Todesopfer kann nicht eindeutig zugeordnet werden.

Ido Vock

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat seit Beginn der russischen Invasion vor 14 Monaten 8.490 Tote und 14.244 Verletzte in der Ukraine gezählt. Die UN-Behörde "glaubt jedoch, dass die tatsächlichen Zahlen viel höher sind", da es nur wenige Daten aus Gebieten mit vielen zivilen Opfern wie der Stadt Mariupol im Süden gebe.

Manchmal führe Chomskys ideologische Fixierung dazu, dass er Fakten ignoriere, die seiner Darstellung widersprechen könnten, so Vock – dessen Angaben die Grundthese Chomskys zu den Opferbilanzen allerdings nicht widerlegten.

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