Nord Stream 2: Baerbock als "Handlangerin der Hardliner" in den USA
Streit um Ostsee-Pipeline belastet Ampel-Koalition schon vor Regierungsantritt. Grüne lehnen Nord Stream 2 weiterhin ab und reden faktisch US-Sanktionen das Wort
Die Erdgasleitung Nord Stream 2 ist ein heißes Eisen für die deutsche Außenpolitik – und sie hat das Zeug, einen großen Riss durch die künftige Regierungskoalition in Deutschland zu treiben. Das hatte sich erst kürzlich gezeigt, da bekannt wurde, dass die "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" stärker in die Umsetzung des Projektes involviert ist als bisher bekannt.
SPD-Politiker nahmen die Stiftung in Schutz: "Man mag sich über den Namen der von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern gegründeten Stiftung streiten", sagte Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. Sinn und Zweck der Konstruktion sei klar: "Es geht darum, die Realisierung des Projektes trotz der völkerrechtswidrigen US-Sanktionen zu gewährleisten". Dagegen könne man nichts einwenden.
Die Grünen stellten klar, dass sie die Gasleitung weiterhin ablehnen. Claudia Müller, Wirtschaftspolitikerin der Partei, betonte, sie gehe fest davon aus, "das ein Wirtschaftsministerium unter bündnisgrüner Führung das Pipeline-Projekt genau und kritisch begleiten wird".
FDP: Auflagen sollen Projekt weniger lukrativ machen
Ähnliche Töne kamen vom Koalitionspartner FDP. Aus Sicht der FDP-Fraktion handle es sich bei Nord Stream 2 um ein europäisches Thema und die Pipeline müsse im Einklang mit europäischem Energierecht stehen. Der außenpolitische Sprecher, Bijan Djir-Sarai, meinte: "Zwar ist es unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission die Inbetriebnahme der Pipeline verhindert. Aber sie könnten Auflagen einfordern, die das Projekt für Gazprom weniger lukrativ machten".
Der Konflikt wird befeuert von der Absicht einflussreicher US-Senatoren, Sanktionen gegen die Pipeline zu verhängen. Über die Grenzen der Fraktionen hinweg wird die Gasleitung abgelehnt – ebenso die Übereinkunft zwischen der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Joseph Biden. Diese sah vor: Die US-Regierung verzichtet auf Sanktionen, dafür musste sich die Bundesrepublik verpflichten, Sanktionen zu verhängen, sollte Russland Energie als Waffe einsetzen wollen. Den Senatoren zufolge ist diese Einigung ein weiteres Werkzeug, mit dem Russland die Ukraine erpressen könne. Deshalb wollen sie dem US-Präsidenten das Recht nehmen, Ausnahmen von Sanktionen zu gewähren.
Die scheidende Bundesregierung wollte dem nicht tatenlos zusehen. In einem vertraulichen Papier warb sie in Washington für ihre Haltung. Am Sonntag hatte das US-Nachrichtenportal Axios das sogenannte Non-Paper veröffentlicht.
In dem Dokument bekennt sich die deutsche Regierung zu früheren bilateralen Vereinbarungen, mit denen die Energiesicherheit der Ukraine und Europas gestärkt werden sollen. Gleichzeitig wolle man Russland davon abhalten, die Pipeline für aggressive politische Zwecke zu missbrauchen. Sie betonte aber auch: Die US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 könnte das Vertrauen in die US-Regierung schwächen und die Hilfen für die Ukraine untergraben. Sanktionen gegen Verbündete seien zudem nur ein Erfolg für den russischen Präsidenten.
In dem Dokument werden auch Maßnahmen beschrieben, welche die Bundesrepublik ergreifen wolle, sollte Russland die Pipeline doch "missbrauchen" wollen. In einem solchen Falle wollen man Russland in öffentlichen Erklärungen scharf verurteilen und man prüfe die Möglichkeit, die Kooperation mit Russland einzuschränken oder in manchen Bereichen ganz auszusetzen.
Dieser Versuch, deutsche Interessen auch gegen den Willen der Verbündeten in Übersee durchzusetzen, empört die Grünen, die in der künftigen Regierung sowohl das Wirtschafts- als auch das Außenministerium führen werden. "Es ist bemerkenswert, dass sich die bisherige Regierung auch jetzt noch in Washington aktiv für Nord Stream 2 einsetzt, obwohl man doch genau weiß, dass wir als künftiger Koalitionspartner das Projekt sehr kritisch sehen", sagte nun Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, dem Handelsblatt.
"Handlangerin der Hardliner der Vereinigten Staaten"
Die Linken im Bundestag werfen den Grünen nun vorauseilenden Gehorsam gegenüber den USA vor. Wenn die designierte Außenministerin Annalena Baerbock fordere, die Behörden sollten für die Pipeline keine Betriebsgenehmigung erteilen, dann unterstütze sie "faktisch die US-Republikaner, die im Senat den Verteidigungshaushalt der USA blockieren, um die Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern", erklärte jetzt Klaus Ernst, Bundestagsabgeordneter der Linken im Bundestag.
"Statt darüber nachzudenken, wie extraterritoriale Sanktionen der USA künftig verhindert werden können, macht sie sich zur Handlangerin der Hardliner in den Vereinigten Staaten und stellt ihre Eignung als Außenministerin in Frage, bevor sie überhaupt das Amt angetreten hat."
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