Nordafrikanische Länder kaufen russische Ölprodukte – und liefern nach Europa
Trotz Sanktionen gelangen russischer Diesel und andere Ölprodukte in die Europäische Union. Sie nehmen den Umweg über Nordafrika. Was das bedeutet und warum die EU nicht genauer hinschaut.
Seit Anfang Februar importieren die Länder der Europäischen Union keine raffinierten Ölprodukte aus Russland. Doch der Diesel findet dennoch seinen Weg in die EU, nicht nur über Asien, sondern auch über Afrika.
Vor dem Krieg in der Ukraine nahmen die europäischen Länder rund 60 Prozent der russischen Exporte von raffinierten Ölprodukten ab. Doch Russland hat in Nordafrika andere Abnehmer gefunden.
Das Wall Street Journal (WSJ) berichtete am Samstag, dass die Länder Nordafrikas ihre Einfuhren von russischem Diesel und anderen Ölprodukten deutlich erhöht haben. Experten meinen, dass die afrikanischen Importe höher seien als der Verbrauch.
Manche hätten gleichzeitig ihre Ausfuhren von Raffinerieprodukten erhöht, was den Verdacht nährt, sie könnten russische Ladungen mit anderen Ölprodukten mischen und wieder ausführen. Für die EU-Länder ist es unter diesen Umständen kaum noch möglich, fossile Brennstoffe aus Russland vom eigenen Markt fernzuhalten.
Marokko führte im gesamten Jahr 2021 etwa 600.000 Barrel russischen Diesels ein. Allein im Januar dieses Jahres stiegen die Importe auf zwei Millionen Barrel. Und nach Angaben des Analysedienstes KPLER könnten für Februar weitere 1,2 Millionen Barrel hinzukommen.
Auch Tunesien importierte 2021 fast keine russischen Ölprodukte, was sich in den vergangenen Monaten deutlich änderte. Allein im Januar hat das Land rund 2,8 Millionen Barrel russischen Diesels, Gasöl, Benzins und Naphthas importiert. Für Februar werden mit weiteren 3,1 Millionen Barrel gerechnet.
Algerien und Ägypten importierten auch deutlich mehr als zuvor. Doch bei Marokko und Tunesien fiel laut Branchenkennern auf, dass ihre Ausfuhren im Gleichklang zu den Importen stiegen.
Wie das Wall Street Journal weiter berichtet, bringt diese Situation die Europäer an die Grenzen ihrer eigenen Sanktionen. "Wenn eine Ladung zu 51 Prozent aus Marokko und zu 49 Prozent aus Russland stammt, wie soll man das dann beurteilen", sagte demnach Andreas Economou, Leiter der Ölforschung am Oxford Institute for Energy Studies.
Auch die Analysten von KPLER gehen laut Bericht davon aus, dass zumindest ein Teil der russischen Ölprodukte ihren Weg nach Europa finden werden. Die importierten Mengen seien schließlich so groß, dass die Länder sie gar nicht bewältigen könnten. "Glauben Sie mir, wir erleben keine Renaissance der maghrebinischen Raffinerien", erklärte demnach Viktor Katona, leitender Ölanalyst bei KPLER.
Marokko hatte bislang keine nennenswerten Ausfuhren von Diesel zu verzeichnen. Im letzten Monat habe das Land allerdings eine Ladung von 280.000 Barrel auf die spanischen Kanarischen Inseln verschifft und eine weitere Ladung von 270.000 Fässern in die Türkei.
Die Frage ist allerdings noch nicht beantwortet, ob es sich um einen anhaltenden Trend handelt. Manche Experten meinten demnach, die Importe aus Russland hätten die typischen Lieferanten aus dem Nahen Osten und Nordamerika verdrängt. Das deute darauf hin, dass zumindest ein Teil auf die Aktivität von Schnäppchenjägern zurückzuführen ist.
Andreas Economou glaubt, dass sich in den nächsten Monaten wohl nichts ändern wird. Er betonte, sich nicht sicher zu sein, ob es den Europäern in der Konsequenz wichtig ist, ihre eigenen Sanktionen einzuhalten. "Für sie ist es eine Win-win-Situation, wenn die russischen Lieferungen weiterfließen." Wenn der Markt angespannt sei, werde vermutlich niemand danach fragen, woher die Produkte letztlich stammten.
Die Europäische Union hätte damit ihr Gesicht gewahrt und gleichzeitig ihre Versorgung gesichert. Den notwendigen Aufpreis müssten dann allerdings die Verbraucher zahlen.
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