Nur noch fast beste Freunde: USA und Europa steuern auf Handelskrieg zu

In der Krise denkt jeder als Erstes an seine eigene Wirtschaft – nur Europa nicht. Noch nicht. Sollte die USA allerdings nicht im Streit um Subventionen einlenken, könnte es bald heißen: Buy European first!

Europa hat seine Beziehungen zu Russland weitgehend gekappt. Es gibt Stimmen, die anmahnen, das Verhältnis zu China zu überdenken. Und von manchen wird nun gefordert, Europa müsse seine Abhängigkeit von den USA reduzieren. Die Globalisierung ist an ihr Ende gekommen, könnte man meinen.

Die USA sind ein innerlich zerrissenes Land, der Machtkampf zwischen Demokraten und Republikanern droht das Land zu lähmen. Und die politischen Lager scheinen sich immer weiter zu radikalisieren. Die Republikaner würden sich "immer mehr zum parlamentarischen Arm einer Oppositionsbewegung wandeln, der nahezu jedes Mittel recht ist, um den politischen Gegner zu vernichten", hieß es am Freitag im Handelsblatt.

Gleichzeitig seien die USA eine Schutzmacht mit Verfallsdatum, heißt es in dem Bericht. In Europa argwöhnt man bereits, dass die Vereinigten Staaten schon nach den Zwischenwahlen im November kein dauerhaft verlässlicher Partner mehr sein könnte. So hatte es zumindest Martin Schulz, der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat, gesagt.

Selbst ausgewiesene Transatlantiker räumen ein: Präsident Joe Biden ist der letzte seiner Art, ein Relikt der atlantischen Blütezeit. Der bündnispolitischen Entschlossenheit der US-Regierung stehen die physische Fragilität und die mentalen Aussetzer des Präsidenten gegenüber.

Handelsblatt, 28.10.2022

Spitzenpolitiker in Europa loben die USA in höchsten Tönen, doch immer stärker zeigt sich: "America first!" ist auch die politische Leitlinie von Joe Biden. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron seien zunehmend besorgt über den unlauteren Wettbewerb aus den USA, heißt es im US-Magazin Politico.

Als sich die beiden europäischen Staatschefs am Mittwoch trafen, stimmten sie in einem Punkt ein: Sie bewerteten die jüngsten staatlichen Subventionspläne der USA als marktverzerrende Maßnahmen. Diese zielten darauf auf, Unternehmen zu überzeugen, ihre Produktion in die USA zu verlagern.

Beide Politiker seien sich einig gewesen, dass die Europäische Union nicht untätig bleiben könne, wenn Washington seinen Inflation Reduction Act in der aktuellen Form vorantreibt. Das Gesetz bietet Unternehmen Steuersenkungen und Energievorteile, wenn sie in den USA investieren.

In Europa hat das Gesetz allerdings nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter in der Wirtschaft verärgert. Denn es ermuntert die US-Verbraucher zum "Buy American".

"Wir haben China, das seine Industrie schützt, die USA, die ihre Industrie schützen, und Europa, das ein offenes Haus ist", brachte Macron das Problem auf den Punkt. Freihandel, auf dem die Globalisierung einst aufbauen sollte, wird nun nicht mehr als Lösung angesehen.

Scholz und Macron seien sich einig gewesen, heißt es bei Politico: Wenn die USA nicht zurückstecken, wird die EU zurückschlagen müssen. Dann würden ähnliche Anreizsysteme für Unternehmen erforderlich sein, um unlauteren Wettbewerb oder den Verlust von Investitionen zu vermeiden. Ein Handelskrieg ist dann nicht mehr auszuschließen.

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