Öko-Apokalypse, Welthunger, faschistischer Polizeistaat: "2022 – die überleben wollen"

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Mediale Wording-Experten haben die Klima-Katastrophe inzwischen zum "Klimawandel" verharmlost. Vor 50 Jahren zeigte ein visionärer Thriller Kante. Zeit für eine Würdigung.

Unsere medialen Wording-Experten haben die Klima-Katastrophe inzwischen beruhigend zum "Klimawandel" herunter stilisiert, doch 1973 öffnete der Science-Fiction-Thriller "Soylent Green" seinem Publikum schockartig die Augen, der Fernsehsender Arte erinnert aktuell daran.

Öko-Apokalypse, Welthunger, faschistischer Polizeistaat in einem Regime korrupter Konzerne: "Soylent Green" war eine direkte Reaktion auf den Bericht des Club of Rome, "Die Grenzen des Wachstums" von 1972, der erstmals die Industrialisierung in Frage stellte - auf Basis einer mysteriösen Technologie namens "Computersimulation". Man warnte vor der Bevölkerungsexplosion, aber auch vor Umweltvergiftung, Ressourcenknappheit und Treibhauseffekt.

Der Öko-Thriller "Soylent Green" (deutscher Titel: "Jahr 2022… die überleben wollen") bringt die Warnungen der Wissenschaftler drastisch auf den Punkt: 2022 leben in New York 44 Millionen Menschen, verelendet, eng zusammen gedrängt, mühsam ernährt mit Armenspeisungen von "Soylent Rot" und "Soylent Gelb".

Die eklige Pampe besteht aus Sojabohnen und Linsen (Soya und Lens), daher "Soylent". Nur am Dienstag verspricht die Verteilung von grünen Keksen schmackhafte Abwechslung: Soylent Green, angeblich aus Plankton frisch aus den Ozeanen.

"Soylent Green" von Richard Fleischer, Sohn der Trickfilmlegende Max Fleischer (Popeye, Betty Boop), gilt als Meilenstein des Science-Fiction-Films.

Der Hollywood-Veteran Fleischer war polnisch-jüdischer Herkunft und fand in der Verfilmung der Dystopie auch seine persönliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust, so eine aktuelle Arte-Doku. Nicht nur die Umwelt ist zerstört, auch die Gesellschaft und ein totalitärer Polizeistaat knechtet die Massen im Dienste eines korrupten Regimes. In einer Schlüsselszene werden revoltierende Menschen brutal mit Bulldozern zusammen geschoben und wie Müll abtransportiert.

Polizist Thorn (Charlton Heston) gehört zu den etwas Privilegierteren, er hat ein winziges Apartment. Die meisten New Yorker leben auf der Straße, schlafen in Treppenaufgängen und den überall stehenden Autowracks. Eine winzige mafiöse Oberschicht schwimmt dagegen im Geld, lebt in Luxuswohnungen und kann natürliche Nahrung konsumieren.

In diesen gehobenen Kreisen darf Thorn nun ermitteln, denn ein Manager der allmächtigen Soylent Corporation wurde ermordet. Thorn staunt über den nie gesehenen Luxus, klaut wie ein Rabe, vor allem Nahrungsmittel, und landet sogar im Bett mit dem Furniture-Girl des Toten - seiner zum Mobiliar gehörigen Sexsklavin.

Der spätere NRA-Chef Heston brilliert in seiner Paraderolle als harter Bulle und maskuliner Analphabet, der den schwierigen Fall aber dank seines uralten Wohnungsgenossen Solomon Roth alias Sol lösen kann. Der greise Sol ist des Lesens mächtig und versteht sogar in Büchern zu recherchieren, womit er einem dunklen Geheimnis des Soylent Managements auf die Schliche kommt.

Spoiler Alarm? "Soylent Green is people" gilt heute als eines der 100 bekanntesten Filmzitate der Kinogeschichte, der Begriff geistert durch die Pokultur etwa bei "Futurama" und den "Simpsons", eine Hamburger Metal - und eine Berliner Punkband nannten sich so.

Der Autor des zugrunde liegenden Buches, Harry Harrison mit "New York 1999" (Make Room! Make Room!, USA 1966), fand die kannibalistische Wendung aber übertrieben, die Fleischer der Story gab. Harrison fand, der archaische Schockeffekt lenke zu sehr von seiner Sozialkritik an megalomanischer Allmacht der Superreichen ab.

Vieles am Plot des SF-Klassikers wirkt heute bedauerlich realistisch, wie aus dem Leben der Klima-Katastrophen-Leugner gegriffen: Geheimnistuerei von Konzernen, Politik und Medien will verheimlichen, dass die Ozeane längst vergiftet und tot sind. So kann man den Menschen weismachen, sie würden mit Meeresplankton ernährt, und keiner macht sich Gedanken über den Verbleib der vielen Leichen aus den öffentlichen Euthanasie-Instituten.

Dort finden sich Lebensmüde massenhaft ein, am Ende auch der alte Sol, nachdem er dem grausigen Geheimnis auf die Spur gekommen war. Verkörpert wurde Solomon Roth als letzte Rolle von der Filmgröße Edward G. Robinson, damals schon unheilbar krebskrank.

Fazit: Können wir uns beruhigt zurücklehnen, weil es im echten 2022 doch nicht so schlimm gekommen ist? Wohl kaum.

Vom Club of Rome zu Global 2000

Der britische Chemiker und Diplomat Alexander King und der italienische Widerstandskämpfer und Industrielle Aurelio Peccei hatten den exklusiven Club of Rome nach einer Tagung in Rom 1968 gegründet, Ziel war eine nachhaltige Zukunft der Menschheit.

King stand für das, was man heute "Grüne Technologien" nennt, Peccei arbeitete für die Computerfirma Olivetti. Mit einem Modell, das auf einem Großrechner simuliert wurde, berechneten MIT-Forscher in ihrem Auftrag düstere Prognosen für Bevölkerungswachstum, Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch -bei ungebremstem industriellen Wachstum.

Wichtigste Erkenntnis: Das rasche Wachstum der Weltbevölkerung kann sich im 21. Jahrhundert nicht fortsetzen und wird entweder durch menschliche Entscheidungen und Handlungen oder durch eine unkontrollierbare Zunahme der Todesfälle ein Ende finden, drastischer gesagt: Durch die Öko-Apokalypse.

Finanziert wurde die MIT-Studie von der VW-Stiftung, was Sinn macht, denn auf dem umkämpften US-Automarkt konnte ein Anstoß in Richtung Benzinsparen nützlich sein. Die Hippy-Bewegung, die sich die Öko-Botschaft zu Herzen nahm, fuhr gerne spritsparende VW-Käfer oder Bully, nicht zuletzt, weil sich die Bilder von "Soylent Green" eingebrannt hatten.

Die zentralen Schlussfolgerungen des Berichtes waren wegweisend für die grüne Bewegung: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Industrialisierung und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Nach Ablauf der Hälfte der Zeitspanne erneuert der Club of Rome heute seine Warnungen:

Im Jahr 2022 jährt sich der bahnbrechende Bericht des Club of Rome, "Die Grenzen des Wachstums", zum 50. Dieser Bericht - erstmals am 2. März 1972 veröffentlicht - war der erste, der die vernetzten Systeme unseres Planeten modellierte und deutlich machte, dass wir bei unveränderten Wachstumstrends in den Bereichen Bevölkerung, Industrialisierung, Ressourcennutzung und Umweltverschmutzung irgendwann in den nächsten hundert Jahren die Tragfähigkeit der Erde erreichen und dann überschreiten würden.

Etwa fünfzig Jahre später ist die Forderung nach einem Richtungswechsel dringender denn je. Die Modellierung des Berichts war bemerkenswert genau und vorausschauend, da die Welt den Klimanotstand als real und die globalen Ökosysteme als am Rande des Abgrunds stehend erklärt hat.

Fünfzig Jahre bieten eine hervorragende Gelegenheit, auf die untersuchten Trends zurück- und vorauszublicken und von führenden internationalen Vordenkern, Wissenschaftlern und Politikern zu erfahren, wie wir einen neuen kritischen Rahmen für ein Leben und Gedeihen innerhalb der Grenzen des Planeten Erde schaffen können.

Club of Rome, The Limits to Growth+50; Übersetzt mit DeepL

In Westdeutschland (BRD) machte 1980 eine US-Regierungsstudie Furore, die den Club of Rome-Bericht fortschrieb: Global 2000. 1977 vom Demokraten Jimmy Carter in Auftrag gegeben wurde sie im Jahre 1980 von der US-Regierung veröffentlicht und noch im selben Jahr von einer Gruppe von Mitarbeitern des Verlages Zweitausendeins ins Deutsche übersetzt.

Mit 1.438 Seiten ein unlesbarer Öko-Wälzer, der die jetzt eintretende Klima-Katastrophe bereits recht genau voraussagte. Ein Zusatzband mit rund 200 Seiten erschien 1981 unter dem Titel "Zeit zum Handeln" und beide zusammen wurden eine Bibel der Öko-Bewegung. Aber die heutigen Grünen scheinen weniger an Klima, Umwelt und Frieden interessiert zu sein als am Kampf um die Ukraine.

Kein Wunder, denn ökologische Mahnungen blieben in unseren Massenmedien bloße Modeerscheinung, die nach dem jeweils neusten Umweltdesaster kurz hervorgeholt wurden, aber nicht auf lange Sicht wirkten. Zwischenzeitlich hatte zwar auch der Club of Rome 1992 und 2004 Berichte vorgelegt, aber unsere Journalistenzunft erwies sich als schwer belehrbar, so etwa der WDR 2005:

Heute wird die Studie (GLOBAL 2000) kaum mehr zitiert. Die düstere Zukunft, die das Buch auf 1.500 Seiten prognostiziert, ist anscheinend nicht eingetreten, das magische Datum längst verstrichen. Die Apokalypse wirkt überholt… Am 23. Juli 1980 legen die Autoren den Bericht dem Präsidenten vor. Aber Carter hat zu dieser Zeit andere Probleme: In der US-Botschaft in Teheran werden 52 Amerikaner als Geiseln festgehalten. Ihre gewaltsame Befreiung misslingt. In der Präsidentschaftswahl am 4. November 1980 besiegt Ronald Reagan den glücklosen Carter. Der konservative Optimist Reagan lässt "Global 2000" in der Schublade verschwinden. Bis heute ist umstritten, ob die 1980 befürchtete globale Krise überhaupt stattfindet.

WDR

Der republikanische US-Präsident Reagan steht für die große Wende des Westens zu Neoliberalismus und Militarismus, er setzte auf durch gigantische Staatsverschuldung finanzierte massive Aufrüstung und Abwürgen sozialer Leistungen des Staates.