Öko-Imperialismus: Der neue Kampf um die Bodenschätze der Ukraine

Josef Mühlbauer, Karl-Wilhelm Koch, Rolf Bader, Bernhard Trautvetter, Klaus Moegling
Ukraine-Karte aus der Pfeile mit den Elementen Mangan, Lithium und Titan führen

Die Ukraine ist reich an strategischen Rohstoffen. Um diese Schätze ringen Russland, die USA und die EU. Doch die wahren Drahtzieher sitzen woanders. (Teil 1)

Die Ukraine ist zum Spielball neoimperialer Interessen geworden. Insbesondere die ukrainischen Rohstoffe stehen im Fokus eines manifest werdenden Ökoimperialismus, der vorgeblich im Kampf für Freiheit und Demokratie geführt wird. Im Hintergrund steht die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Gleichzeitig wird die Welt der internationalen Beziehungen, wie wir sie kannten, gezielt zerstört.

Die Welt konnte im Fernsehen verfolgen, wie in einer abgekarteten Reality-Show der ukrainische Präsident von Trump und Vance gedemütigt und schließlich aus dem Weißen Haus geworfen wurde. Ziel der Show war es, bessere Verhandlungsbedingungen für den Rohstoffdeal zwischen der Ukraine und den USA zu erreichen und die Kriegsschuld von Putin auf Selenskyj zu verlagern.

Selenskyj wollte den Vertragsentwurf für die US-Ausbeutung der ukrainischen Rohstoffvorkommen an Sicherheitszusagen der USA knüpfen. Dies wollte die US-Regierung jedoch nicht, da sie wusste, dass sich Selenskyj in einer von ihr abhängigen Position befand. Entsprechend demütig ging Selenskyj bereits in den nächsten Tagen wieder auf die USA zu, bedauerte den Streit und versprach, das vorliegende Rohstoffabkommen zu unterzeichnen.

In der Zwischenzeit hatte sich die Russische Föderation mit ihrer militärischen Großinvasion in die Ukraine und der Eroberung von Teilen der Ostukraine bereits die dortigen erheblichen Rohstoffvorkommen gesichert.

Aggressiv reagierte Trump auch auf Selenskyjs Vorwürfe gegen Putin ("ein Killer"). Hier – und dann auch im Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung und im UN-Sicherheitsrat – zeigte sich eine Annäherung zwischen der russischen und der US-amerikanischen Regierung. In der Austragung dieses öko-imperialen Konflikts, in dem die Ukraine zum Spielball neoimperialistischer Interessen wurde, zeigte sich auf dramatische Weise, welche Rolle die Drohung mit Atomwaffen spielt.

Und es wird deutlich, dass eine Welt der internationalen Beziehungen, wie wir sie seit Jahrzehnten kannten, in Auflösung begriffen ist. Hier stellt sich die Frage nach neuen Bündnisstrukturen im Zusammenhang mit einer veränderten internationalen Sicherheitsstruktur und Kontrollmechanismen.

Die strategische Bedeutung der ukrainischen Rohstoffe

Die Ukraine verfügt über bedeutende Ressourcen (Erdöl, Erdgas, Uran, Lithium, Kohle, Aluminium, Titan und andere Seltene Erden), was die geostrategische Bedeutung des Konflikts zusätzlich unterstreicht. Der ehemalige US-Präsidentenberater und Autor internationaler Konfliktanalysen Zbigniew Brzezinski schrieb in seinem 1997 erstmals erschienenen und 2025 neu aufgelegten Buch Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft:

Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Transformation Russlands beiträgt.

Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Imperium mehr. Es kann immer noch nach einem imperialen Status streben, aber es wäre dann ein vorwiegend asiatisches Imperium, das höchstwahrscheinlich in lähmende Konflikte mit aufständischen Zentralasiaten verwickelt würde, die den Verlust ihrer gerade erst erlangten Unabhängigkeit nicht hinnehmen wollen und von den anderen islamischen Staaten im Süden unterstützt werden.

Auch China würde sich angesichts seines wachsenden Interesses an den jüngst unabhängigen Staaten dieser Region wahrscheinlich gegen eine Neuauflage russischer Dominanz in Zentralasien aussprechen. Sollte es Moskau jedoch gelingen, die Ukraine mit ihren 52 Millionen Einwohnern, ihren bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wieder unter seine Kontrolle zu bringen, würde Russland automatisch die Mittel erhalten, ein mächtiges Europa und Asien zu schaffen.

mächtiges, Europa und Asien umspannendes Imperium zu werden. Wenn die Ukraine ihre Unabhängigkeit verlöre, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf Mitteleuropa und würde Polen zu einem geopolitischen Angelpunkt an der Ostgrenze eines vereinten Europas machen.

Brzezinski 1997, S. 74 f.

Die Ukraine ist aus westlicher Sicht eine geostrategische Brücke nach Zentralasien und aus US-amerikanischer Sicht ein Hindernis zwischen dem rohstoffreichen Russland und dem industrialisierten Westeuropa.

Nicht nur die USA und Russland sind an den ukrainischen Rohstoffen interessiert

Auch die EU hat in ihrem "Critical Raw Material Act" (CRMA) (2023) explizit auf die Bedeutung der ukrainischen Rohstoffe hingewiesen. Der CRMA ist eine Initiative der Europäischen Kommission (März 2023), die die Versorgung der EU mit strategisch wichtigen und kritischen Rohstoffen für die grüne und digitale Transformation sicherstellen soll.

Bodenschatzkarte der Ukraine
Wichtige Rohstoff-Vorkommen in der Ukraine. Quelle: Conflict and Environment Observatory / Grafik: TP

Er soll insbesondere die Abhängigkeit der EU von einzelnen Lieferländern (insbesondere China) verringern und die Lieferketten sichern. Die EU listet darin 34 kritische Rohstoffe (wie Kobalt und Graphit) auf, von denen 17 als strategisch wichtig eingestuft werden (darunter Lithium).

Mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine aus dem Jahr 2017 sollen wichtige Handels- und Wirtschaftskooperationen, insbesondere im Bereich des Rohstoffhandels, vertraglich abgesichert werden. Mit dem Memorandum of Understanding von 2021 wurde der Fokus verstärkt auf die "Strategische Rohstoff- und Batteriepartnerschaft" und die Integration ukrainischer Rohstoffe in die Lieferketten der EU gelegt. Die Ukraine ist damit ein wichtiger Teil der EU-Rohstoffinitiative.

In diesem Zusammenhang wurde auch die Global Gateway Initiative der EU ins Leben gerufen, die auf große Infrastrukturprojekte und Investitionen in der Ukraine abzielt, um Rohstoffexporte aus der Ukraine in die EU zu erleichtern. Seit 2023 laufen zudem Gespräche über den "Club der kritischen Rohstoffe", der eine engere Abstimmung der ukrainischen Rohstoffproduktion mit der europäischen Industrie zum Ziel hat.

Von strategischer Bedeutung sind die Lithiumvorkommen in Donezk/Kirovohrad im derzeit russisch besetzten Gebiet, wo europäische Firmen wie Eramat (Frankreich) und Black Iron (kanadisch-europäisches Unternehmen) die Lithium- und Eisenerzvorkommen erkunden.

Titan ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie. Die Ukraine ist einer der Hauptproduzenten und daher reich an Titanvorkommen. Mit Unternehmen wie der Velta Holding sichern sich europäische Giganten wie Airbus die Graphit- und Titanvorkommen der Ukraine. Längst haben auch zwei andere Weltmächte die strategische Bedeutung dieser Rohstoffe ins Visier genommen.

Das kanadische Beratungsunternehmen Secdev analysierte 2022 zusammenfassend die in der Ukraine lagernden Bodenschätze, die neben dem fruchtbaren Ackerland Gegenstand ökoimperialer Begehrlichkeiten sind:

Die Ukraine zählt nicht nur zu den führenden Produzenten von Mais, Weizen, Sonnenblumenöl und einer Reihe von Getreidesorten, sondern steht auch in Bezug auf den geschätzten Wert ihres Mineralreichtums weltweit an der Spitze. Das Land beherbergt 117 der 120 am häufigsten genutzten Mineralien, eine Tatsache, die dem besitzergreifenden Nachbarn nicht entgangen ist. Die Ukraine hat die größten geschätzten Uranreserven in Europa, die zweitgrößten Eisenerz-, Titan- und Manganreserven und die drittgrößten Schiefergasreserven.

Wolfgang Michal (2024) stellt im Rahmen seiner Analyse der mit dem Krieg in der Ukraine verbundenen Rohstoffinteressen ähnliche Überlegungen an:

Ist die Ukraine also jene sagenhafte Goldmine, um deren Inbesitznahme die Mächte des 21. Jahrhunderts so hartnäckig kämpfen? Dauert der Krieg vielleicht deshalb so lang, weil sich beide Seiten angesichts steil anwachsender Einsatzkosten an eine später erhoffte Kapitalrendite klammern? Das ZDF drückte es Ende Oktober überraschend offenherzig so aus:

"Ein Sieg über Russland hätte immense positive Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland und Europa."

Wer sich letztlich im Kampf um die Rohstoffe durchsetzen wird, hängt zum einen vom Ausgang der mit konventionellen Waffen geführten militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine zwischen dem Militär der angreifenden Russischen Föderation und den ukrainischen Truppen ab. Letztere werden bislang von Nato-Staaten und weiteren mit der Nato kooperierenden Staaten unterstützt.

Entscheidend für das Ausmaß und die Intensität des mit konventionellen Waffensystemen geführten Krieges ist die Drohung mit Nuklearwaffen, insbesondere seitens der USA und Russlands. Die öko-imperialen Auseinandersetzungen um die geopolitische Vorherrschaft in der Ukraine sind ohne eine Analyse des Vergleichs der nuklearen Potenziale nicht einzuschätzen. Daher soll in einem nächsten Schritt die nukleare Bedrohungslage beziffert werden.

Zu den Autoren:

Josef Mühlbauer, Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Empowerment for Peace, Autor und Leiter des Podcasts auf YouTube "Varna Peace Institute".

Karl-Wilhelm Koch, pensionierter Lehrer (Gymn. Oberstufe und Berufsschule, Chemie, Umwelttechnik und Mathematik, Dipl. Ing. (chem.)), Fachbuchautor (u.a. "Störfall Atomkraft"), Verleger und Publizist. Mitglied bei B90/Die Grünen, Vorsitzender des parteiunabhängigen Vereins Grünen Alternative e.V.

Rolf Bader, Dipl. Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte/-innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte/-innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).

Bernhard Trautvetter, u.a. Autor, aktiv im Essener Friedensforum und im Bundesausschuss Friedensratschlag.

Klaus Moegling, habilitierter Politikwissenschaftler, zuletzt apl. Professur am Fb Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel, i.R., Autor von "Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich". Frei lesbar in der 6. aktualisierten und erweiterten Auflage.