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Ă–l-Preisdeckel: Russland verkauft erheblich teurer, Reeder umgehen Sanktionen

Bild: Alf van Beem auf Pixabay

Die westlichen Länder haben bislang wenig Erfolg mit Sanktionen gegen Russland. Ein Beispiel dafür ist die Preisobergrenze auf Rohöl. Warum Russland mehr einnimmt als erhofft.

Vor fast genau einem Jahr führten westliche Staaten Sanktionen gegen Russland ein. Sie versprachen sich davon, Moskaus Fähigkeiten, Krieg zu führen, einzuschränken. Knapp 300 Milliarden US-Dollar Guthaben der russischen Zentralbank wurden eingefroren und russische Banken wurden vom Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte damals [1]: "Das wird Russland ruinieren". Andere verglichen die Maßnahmen mit einer Atombombe auf wirtschaftlichem Gebiet. Heute ist bekannt, dass der erhoffte Erfolg weitgehend ausblieb. Der Wert des Rubels stürzte zeitweilig ab, konnte sich aber wieder stabilisieren. Die russische Wirtschaft schrumpfte auch deutlich weniger als erhofft.

In diesem Jahr dürfte sie wieder wachsen [2], berichtete der Finanzdienst Bloomberg kürzlich. Russland habe auch wichtige Märkte für seine Exporte verloren, ebenso Lieferanten wichtiger Güter. Doch es hätten sich neue Märkte gefunden.

Die Europäische Union hat inzwischen das zehnte Sanktionspaket verabschiedet – und die Wirkung der Maßnahmen ist nach wie vor umstritten.

Am Preisdeckel für russisches Rohöl lässt sich inzwischen zeigen, dass das eigentliche Ziel, die Kriegskasse des Kremls zu schmälern, kaum erreicht werden dürfte. Aber auch hier hatte man zuerst von einem Erfolg [3] gesprochen, der sich im Laufe der Zeit zunehmend als Flop erweist.

Am Freitag berichtete Bloomberg von einer aktuellen Studie, laut der Russland nach Einführung des Preisdeckels weit mehr Geld mit Rohöl verdient habe, als bisher angenommen. Die Wissenschaftler arbeiten für das Institute of International Finance [4].

Noch ihren Berechnungen lag der Durchschnittspreis für russisches Rohöl in den vier Wochen nach Einführung des Preisdeckels bei etwa 74 US-Dollar je Barrel. Die Preisobergrenze sollte allerdings bei 60 US-Dollar je Barrel liegen. Ölexporte von Häfen im Pazifischen Ozean waren sogar noch teurer und betrugen im Durchschnitt 82 US-Dollar je Barrel.

Wie die Sanktionen umgangen werden

Der Erfolg des russischen Ölexports beruht unter anderem darauf, dass ein Großteil nicht mit westlichen Tankern und Dienstleistungen abgewickelt wird. Knapp die Hälfte der russischen Lieferungen werde von dem staatlich kontrollierten Unternehmen Sovcomflot oder mit einer "Schattenflotte" [5] abgewickelt, heißt es bei Bloomberg.

Für die Studie haben die Forscher die Rechnungsdaten des Zolls analysiert. Untersucht wurden dabei die Lieferungen an Käufer in der ganzen Welt, aus allen Häfen und Pipelines.

Zum mangelnden Erfolg des Preisdeckels trägt auch bei, dass sich Ölhändler ihr Geschäft [6] nicht von den Sanktionen kaputtmachen lassen wollen. Auf hoher See, manchmal nur wenige Kilometer vor der Küste von EU-Staaten, wird die Fracht von einem Tanker auf einen anderen geladen.

Auf diese Weise sollen seit Anfang dieses Jahres mindestens 23 Millionen Barrel russisches Rohöl vor der Bucht von Lakonikos umgeladen worden sein, berichtete Bloomberg am Donnerstag. Und die griechischen Behörden stehen dem Treiben weitgehend hilflos gegenüber, weil die Aktivitäten außerhalb der Sechs-Meilen-Zone der griechischen Hoheitsgewässer stattfinden.

Ă„hnliches soll sich vor der KĂĽste der spanischen Exklave Ceuta abspielen.

Solche Aktivitäten sind durch die Sanktionen nur dann gestattet, wenn der Preis des gekauften russischen Rohöls unterhalb der Preisobergrenze lag. Denn damit die Ship-to-Ship-Transfers sicher auflaufen, sind bestimmte Dienstleistungen notwendig, die von europäischen Unternehmen nur unter Einhaltung des Preisdeckels erbracht werden dürfen.

Doch Sanktionen sind nur wirksam, wenn ihre Einhaltung auch überprüft wird, und das geschieht dem Bericht zufolge kaum. Nachdem die spanischen Behörden erfahren hätten, was in der Nähe von Ceuta geschieht, sollen sie sich damit begnügt haben, die Unternehmen mit einem Schreiben an die Sanktionen erinnert zu haben.

Halten sich Eigentümer und Unternehmen nicht an die Vorschriften, drohen ihnen in der Regel nur geringe Strafen. Für sie dürfte es deshalb lukrativer sein, auch weiterhin russisches Rohöl zu befördern und im Ernstfall die Strafen zu zahlen.


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https://www.heise.de/-7528161

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-baerbock-ueber-sanktionen-das-wird-russland-ruinieren-RZDYS2DEPRK5OST7ZGGRZ6UN4I.html
[2] https://www.bloomberg.com/news/features/2023-02-24/russia-sanctions-to-stop-putin-s-war-in-ukraine-became-300b-distraction
[3] https://www.telepolis.de/features/Fragwuerdiger-Erfolg-Sanktionen-auf-russisches-Rohoel-lassen-Exporte-einbrechen-7440731.html
[4] https://www.iif.com/
[5] https://www.telepolis.de/features/Experten-sicher-Russland-kann-Oelpreisdeckel-der-G7-Staaten-leicht-umgehen-7316471.html
[6] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-02-23/a-bay-off-southern-greece-becomes-a-cog-in-russia-s-oil-supply-chain