Österreichs Klimaticket – ein Vorbild für Deutschland?
Seite 2: Ein Ticket – viele Namen
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Die Ländergrenzen werden so beim Verkehr zu überraschend große Hürden. Man kann fast von Glück sprechen, dass es nicht verschiedene Spurweiten gibt. Diese Probleme waren dem kleinen grünen Regierungspartner wohlbekannt. Das nicht von der Hand zu weisende Hauptargument der Grünen war allerdings: Irgendwo müssen wir anfangen! Bevor wir die Infrastruktur verbessern, schaffen wir eben günstigere Preise.
Es gab in Österreich bereits ein Jahresticket der ÖBB – "Österreichcard" für knapp 2.000 Euro. Für Ehepartner und Kinder war es dann allerdings deutlich billiger. 2021 wurde es ersetzt durch das "Klimaticket" für gut 1.095 Euro im Jahr, mit dem jeder Zug genommen werden darf. Wie umkämpft dieses Ticket ist, das die Grünen gerne als eine ihrer wichtigsten Errungenschaften feiern möchten, zeigt sich allein an der unübersichtlichen Zahl an Namen, die es hatte.
Ursprünglich (wohl dem Vorschlag der SPÖ folgend) hieß es "1-2-3-Ticket", dann "1-2-3-Karte", dann "1-2-3-Klimaticket", dann einfach "Klimaticket"; und zeitweilig sollte es "Österreich-Ticket" heißen – ganz ohne Klima. Na, wer wohl in der Regierung für diesen Namen optiert hat?
Das Klimaticket der vielen Namen wurde letztlich deutlich günstiger als die Österreichcard der ÖBB und beinhaltet eben auch den "Öffi-Verkehr", den es de facto neben Wien aber nur in den großen Bundeshauptstädten einigermaßen ausgebaut gibt.
Auch sollte jedes Bundesland dem Vorbild Wiens folgen (an der Stelle müssen gelernte Österreicher:innen laut loslachen, weil der Grund warum es nicht klappt bereits in dem Satz genannt wird) und auch das 365 Euro Ticket im Nahverkehr einführen. Zumindest Niederösterreich und das Burgenland einigten sich darauf, als ein Bundesland gerechnet zu werden – immerhin.
Bis auf das Bundesland Salzburg führte dann kein einziges Land das 365-Euro-Klimaticket ein, sondern lieferte entweder leicht teurere Tickets, wie zum Beispiel Vorarlberg mit 369 Euro. Womit das Bundesland eindrucksvoll belegen konnte, wie föderales Rechtbehalten funktioniert. Oder aber es wurden üppige 695 Euro wie in Oberösterreich.
Die Länder stellten sich also quer und behaupteten, es sei ohnehin keine Verbesserung zu den bereits bestehenden Systemen ähnlicher vergünstigter Tickets. Auch sei die Einführung dilettantisch und ohne Absprachen erfolgt.
Außerdem, was passiert, wenn eine Grenze überfahren wird? Nun ja, deshalb der ursprüngliche Name "1-2-3", denn die Tickets sollen kombiniert werden. Wer von allerdings regelmäßig von Salzburg nach Niederösterreich fährt, brauchte dann 1 (Salzburg), 2 (Oberösterreich) und 3 (Niederösterreich) in Kombination.
Da aber eben keines der Bundesländer, bis auf Wien und Salzburg, zu den 365 Euro bereit war, sondern ordentlich draufschlug, lautet die Rechnung im obigen Beispiel 356 für Salzburg plus 695 für Oberösterreich plus 495 für Niederösterreich (und Burgenland), womit 1.555 Euro erreicht wären, was wiederum völlig unsinnig wäre, weil hier ja das Klimaticket billiger fürs ganz Land ist.
Die nächste nie ganz geklärte Frage wäre, wer diese Art Ticket-Kombinationen je gebraucht hätte, weil die meisten Verkehrswege ohnehin nach Wien führen. Um die Streckverbindung von Graz nach Linz, also dem direkten Weg per Zug zwischen der zweitgrößten und der drittgrößten Stadt, wird immer wieder gerungen, weil angeblich ineffizient.
Warum nicht einfach einen kleinen Umweg über Wien machen? Es zeigt sich, das Land ist streckenmäßig nicht sonderlich gut vernetzt. Es gibt anders als in Deutschland zu wenige Metropoleregionen deren Direktverbindung sich lohnen würde.
Ein Erfolg, der zu kurz greift
Dennoch, das Ticket ist erfolgreich, die Verkaufszahlen steigen, der Zugverkehr wächst, längst jenseits der Kapazitäten der Österreichischen Bundesbahnen. Das ist ein messbarer Erfolg für die Maßnahme. Allerdings lässt sich auch hier, wie auch beim 365-Euro-Ticket Wiens, nicht genau sagen, inwieweit dieser Boom durch die gleichzeitige Verteuerung der Energiekosten und durch den Bewusstseinswandel bedingt ist, der des sich durch den immer dramatischer gestaltenden Klimawandel entsteht. Vielleicht hätte sich ein ähnlich hoher Zuwachs auch ohne das Ticket eingestellt.
Die österreichische Wirtschaftskammer meinte, mit den Tickets würde lediglich den bisherigen Kartenbesitzer:innen eine Vergünstigung eingeräumt, die die Gemeinschaft bezahlen müsse. So lange keine neuen Strecken und bessere Verbindungen kommen würden, mache eine Preissenkung keinen Sinn zur Lenkung, weil selbst bei viel günstigeren Preisen Österreich mit Schiene und Bus nur unzureichend erschlossen ist.
Das Argument hat einen sachlich leicht zu belegenden Kern. Das österreichische Bahnstreckennetz unterscheidet sich nicht stark von dem der Kaiserzeit. Die Busfahrpläne auf dem Land sehen so aus, dass am Morgen die Kinder zur Schule und am Nachmittag nach Hause kutschiert werden, ansonsten fahren schlicht keine Busse.
Früher hatten die Fahrpläne an den Haltestellen zynischerweise die Tabelle Samstag/Sonntag, in denen dann einfach keine Zeiten vermerkt wurden. Im neuen Design fehlt nun das Wochenende kurzerhand. Es scheint man hat da etwas aufgegeben.
Die Einrichtung einer Bushaltestelle ist allerdings auch mit nicht zu unterschätzenden Kosten verbunden. Es muss eine Haltebucht angelegt werden, diese muss einsichtig sein und dergleichen mehr. Viele Bürgermeister kleiner Gemeinden empfinden dies einfach als zu große Last für ein Verkehrsangebot, das ohnehin niemand nutze.
In Jahrzehnten wurden die Geschäfte und öffentlichen Gebäude aus den Dorfkernen und Kleinstädten verbannt. Das letzte soziale Leben findet in den Einkaufsmeilen am Ortsrand statt. Zu diesen gehören riesige Parkplätze, für die kaum etwas gezahlt werden muss – und nur selten oder nie gibt es eine Busanbindung. Man ist hier kilometerweit von einem Verursacherprinzip und Kostenwahrheit entfernt.
Die Umweltschäden, die Bodenversiegelung und der hohe Energieverbrauch durch das automobile Landleben werden derweil einfach nicht eingerechnet. Hier gelang den Grünen die Verkehrswende bisher nicht einmal in Ansätzen.
An die heilige Kuh "eigenes Heim" traut man sich nicht ran, lieber träumt man von Passivhäusern und Elektroautos, die angeblich diesen Lebensstil ökologisch machen, wofür es aber keinen wissenschaftlichen Beleg gibt. Im Gegenteil. So bleibt das Klimaticket ein Heftpflaster auf übergroßer Wunde.