Olivgrünes K.o.-Kriterium
Sollte die Linkspartei sich nicht bald für die Nato begeistern können, wird sie nach der Bundestagswahl nicht Juniorpartner der Grünen. Das hat deren Chef Robert Habeck klargestellt. Linken-Chefin Janine Wissler zeigt klare Kante
Die Parteispitze der Grünen verlangt von möglichen Koalitionspartnern ein Bekenntnis, mit dem auch Teile ihrer eigenen Basis möglicherweise noch hadern. Denn was die Grünen nach reiflicher Diskussion im Entwurf ihres Bundestags-Wahlprogramms über die Nato geschrieben haben, spricht Bände über die Zerrissenheit dieser Partei:
Die Nato leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt.
(Bündnis 90/Die Grünen, aus dem Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021 / "Deutschland. Alles ist drin.")
Demnach ist das Militärbündnis aus der Sicht der Grünen zwar chaotisch, unberechenbar und zerstritten, aber dennoch irgendwie unverzichtbar. Auf einem Parteitag im Juni soll dieses Wahlprogramm beschlossen werden, Änderungsanträge konnten bis zum 30. April eingereicht werden. Hunderte Parteimitglieder sind zum Beispiel der Meinung, dass es nicht "Deutschland. Alles ist drin" heißen sollte. Die oben zitierte Passage steht aber schon fast wortgleich im Grundsatzprogramm der Grünen - nur ist die Nato da als "Akteurin" gegendert.
Ja zum Atomwaffenverbot, aber auch zur Nato - ein Widerspruch
Noch mehr wird im Entwurf des Wahlprogramms herumgeeiert, wo es um den deutschen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen geht. Am 22. Januar 2021 ist er in Kraft getreten ist, nachdem ihn 122 Staaten verabschiedet und mehr als 50 ihn ratifiziert hatten. Da kann man als einstige Partei der Friedensbewegung natürlich nicht einfach dagegen sein.
Schließlich gehörte die Vision einer atomwaffenfreien Welt bei der Gründung der Grünen quasi zu ihrer DNA. Als Zwischenschritte dorthin finden sich in ihrem aktuellen Programmentwurf immer noch "ein Deutschland frei von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag". Ersteres würde konkret bedeuten, dass die US-Atomwaffen vom Luftwaffenstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz abgezogen werden müssten.
Allerdings gehört diese Art "nuklearer Teilhabe" seit Jahrzehnten zur Nato-Partnerschaft dazu. Die Nato boykottiert den Atomwaffenverbotsvertrag, weil führende Mitgliedsstaaten nicht auf Kernwaffen verzichten wollen. Aber die Nato-Bündnistreue will zumindest das Partei-Establishment der Grünen von 2021 nicht infrage stellen. Also muss man mit den Nato-Partnern eben noch mal drüber reden - ein Schelm, wer da an das alte Klischee vom grünen Sozialpädagogen mit Rauschebart und Norweger-Pulli denkt - vielleicht ändern sie ja dann ihre Meinung darüber, ob man sich an ein Verbot von Massenvernichtungswaffen halten muss, wenn man glaubt, zu den Guten zu gehören. Bei den Grünen liest sich das aktuell so:
Wir wissen, dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer polnischen und baltischen Bündnispartner.
Das Alleinstellungsmerkmal der Linken
Mit wem die Grünen lieber gar nicht erst Bündnisse schmieden, das sind Parteien, die sich nicht zur Nato bekennen wollen. Im Bundestag gibt es nur eine, die das bisher konsequent nicht tut. Die Partei Die Linke müsse "in einem besonderen Maße beweisen, dass sie regierungsfähig und bereit ist, für dieses Land Verantwortung zu übernehmen", sagte der Grünen-Chef Robert Habeck den Funke-Zeitungen vom Samstag. Das schließe "die außenpolitische Verantwortung, ein Bekenntnis zur Nato mit ein", aber auch eines dazu, "dass der industrielle Kern dieser Republik nicht zerstört wird", so Habeck.
"Dass ausgerechnet der Vorsitzende der Grünen, die sich mal als Friedenspartei gegründet hatten, ein Bekenntnis zum Kriegsbündnis Nato fordert, ist bemerkenswert", erwiderte Linken-Chefin Janine Wissler. Sie finde es "schwer nachvollziehbar, warum sich an der Frage des angeblichen Wertebündnisses mit Ländern wie Erdogans Türkei für die Grünen die Frage der Regierungsfähigkeit entscheidet", sagte Wissler den Funke-Zeitungen (Montagausgaben). Sie gab zu bedenken, dass es viele Milliarden Euro kosten würden, das Zwei-Prozent-Aufrüstungsziel der Nato umzusetzen. Milliarden, "die besser für soziale Gerechtigkeit, Bildung und Klimaschutz ausgegeben werden sollten als für Panzer und Bomben", so Wissler.
"Habeck meint, Verantwortung zu übernehmen heiße, Aufrüstung gut zu finden", erklärte der Geschäftsführer der Linken-Bundestagsfraktion, Jan Korte, auf seiner Facebook-Seite. "Was aus Habeck spricht, ist nicht der Wechsel, sondern der Geist der alten großen Koalition."
Friedensnobelpreisträger wollen Grüne in die Pflicht nehmen
Deutsche Teilnehmergruppen der Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, haben bereits am 26. April einen offenen Brief an die Grünen geschrieben. Für den Fall einer Regierungsbeteiligung fordern sie von der Partei "die Beschaffung neuer Atomwaffen-Trägerflugzeuge für die Bundeswehr kategorisch abzulehnen, gegenüber den USA einen Abzug aller US-Atombomben aus Deutschland zu fordern und die nukleare Teilhabe Deutschlands in der Nato zu beenden". Das scheint aber nicht die Hauptsorge zu sein, die zur Zeit die Parteispitze umtreibt.
Wahrscheinlich ist nicht nur eine Regierungsbeteiligung der Grünen - nach aktuellen Umfragen könnten sie mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sogar Seniorpartner werden. Sowohl nach Umfragewerten anderer Parteien als auch nach außen- und sicherheitspolitischen Präferenzen stehen die Zeichen momentan auf "Grün-Schwarz". Die Frage ist nur, ob das die Traumkonstellation der Menschen ist, die sich in den jüngsten Umfragen für die Grünen aussprachen - und ob sie auch entsprechend hohe Militärausgaben wollen oder lieber die versprochene sozial-ökologische Transformation, die für militärische Abenteuer eigentlich keinen Raum lässt.
Auch die Begeisterung von einfachen Mitgliedern der Grünen für Militärisches lässt wohl noch zu wünschen übrig. Zumindest, wenn Minderjährige rekrutiert werden sollen: Beim digitalen Parteitag der Grünen im November waren immerhin 37 Prozent der Delegierten dafür, die Position "Bundeswehr raus aus den Schulen" ins Grundsatzprogramm aufzunehmen.
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