Peak Oil? Warum die Tyrannei des Erdöls nicht enden will

Michael Klare

Nichts zu sehen von Peak Oil: Bei der Ölproduktion wie hier von Shell in einer Raffinerie auf der Insel Pulau Bukom, die zu Singapur gehört, wird überschüssiges Gas abgefackelt. Bild: Ria Tan / CC BY-NC-ND 2.0

Öl ist wie eine Droge. Es heizt Krieg, Inflation, geopolitische Rivalität und steigende Erdtemperaturen an. Gibt es einen Ausweg?

Man mag es kaum glauben, aber noch vor 15 Jahren sprachen viele von uns voller Zuversicht von "Peak Oil" – dem Zeitpunkt, an dem die weltweite Erdölförderung ihr Maximum erreicht hat und danach angesichts der schwindenden weltweiten Reserven ein unumkehrbarer Rückgang der Ölförderung einsetzen würde.

Michael T. Klare ist em. Professor für Friedens- und Weltsicherheitsstudien u. Fellow der Arms Control Association.
(Bild: Heinrich-Böll-Stiftung)

Dann kam das hydraulische Sprengen oder Fracking auf, und der Begriff Peak Oil verschwand weitgehend. Einige Analysten sprachen stattdessen von "Peak Oil Demand" – einem nicht allzu fernen Zeitpunkt, an dem der Besitz von Elektrofahrzeugen so weit verbreitet sein würde, dass der Bedarf an Erdöl weitgehend verschwinden würde, auch wenn es noch genug davon zum Fracking oder Bohren gäbe.

Im Jahr 2020 machten Elektrofahrzeuge jedoch weniger als ein Prozent der weltweiten Leichtfahrzeugflotte aus, und es wird erwartet, dass ihr Anteil bis 2040 nur 20 Prozent erreichen wird. Das Erreichen des Ölfördermaximums bleibt also eine weit entfernte Fata Morgana, die uns der Tyrannei des Erdöls mit all ihren gefährlichen Folgen verhaftet bleiben lässt.

Erinnern wir uns daran, dass in den Tagen vor dem Fracking zu Beginn des Jahrhunderts viele Experten davon überzeugt waren, dass die weltweite Erdölproduktion im Jahr 2010 einen Höchststand von vielleicht 90 Millionen Barrel (14,3 Milliarden Liter) pro Tag erreichen und bis zum Ende des Jahrzehnts auf 70 oder 80 Millionen Barrel sinken würde. Mit anderen Worten: Uns bliebe nichts anderes übrig, als unsere Transportsysteme auf Strom umzustellen, und zwar sofort. Das würde zwar anfangs einige Störungen mit sich bringen, aber wir kämen schnell auf den Weg in eine Zukunft mit grüner Energie, mit deutlich weniger Kohlenstoffemissionen und einer Verlangsamung der globalen Erwärmung.

Vergleichen Sie nun diese hoffnungsvollen Szenarien mit den neuesten Daten der U.S. Energy Information Administration (EIA). Derzeit liegt die weltweite Ölproduktion bei etwa 100 Millionen Barrel pro Tag und soll bis 2030 auf 109 Millionen Barrel, bis 2040 auf 117 Millionen Barrel und bis 2050 auf atemberaubende 126 Millionen Barrel steigen. So viel also zum Thema "Peak Oil" und einem raschen Übergang zu grüner Energie.

Warum der weltweite Ölverbrauch solche Höhen erreichen soll, bleibt eine komplexe Geschichte. Zu den wichtigsten Faktoren gehört sicherlich die Einführung der Fracking-Technologie, die die Exploration riesiger Schieferölvorkommen ermöglicht, die früher als unzugänglich galten. Auf der Nachfrageseite gab (und gibt) es eine weltweite Vorliebe für große, benzinschluckende SUVs und Pickups, die insbesondere bei den amerikanischen Verbrauchern beliebt sind.

In den Entwicklungsländern gibt es einen ständig wachsenden Markt für dieselbetriebene Lkw und Busse. Hinzu kommt das weltweite Wachstum im Flugverkehr, wodurch die Nachfrage nach Kerosin drastisch erhöht wird. Parallel dazu laufen weiter die unermüdlichen Feldzüge der Ölindustrie, die Wissenschaft vom Klimawandel zu leugnen und die weltweiten Bemühungen um eine Eindämmung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe zu behindern.

Die Frage, die sich uns jetzt stellt, ist folgende: Was sind die Folgen einer solch beunruhigenden Gleichung für unsere Zukunft, angefangen bei der Umwelt?

Mehr Ölverbrauch = mehr Kohlenstoffemissionen = steigende Erdtemperaturen

Wir alle wissen – zumindest diejenigen von uns, die an die Wissenschaft glauben –, dass Kohlendioxidemissionen die Hauptquelle der für die globale Erwärmung verantwortlichen Treibhausgase (THG) sind und dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe für den Löwenanteil dieser CO2-Emissionen verantwortlich ist. Die Wissenschaftler haben uns auch gewarnt, dass ohne eine drastische und sofortige Verringerung dieser Verbrennung – mit dem Ziel, die globale Erwärmung nicht über 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten – wirklich katastrophale Folgen eintreten werden. Dazu gehören die vollständige Versteppung des amerikanischen Westens (der bereits die schlimmste Dürre seit 1200 Jahren erlebt) und die Überflutung großer Küstenstädte wie New York, Boston, Miami und Los Angeles.

Bedenken Sie Folgendes: Im Jahr 2020 wurde weltweit mehr Energie aus Erdöl gewonnen als aus jeder anderen Quelle – etwa 30 Prozent – und die Energy Information Agency (EIA) in den USA geht davon aus, dass Erdöl, wenn wir so weitermachen wie bisher, die wichtigste Energiequelle der Welt bleiben wird, möglicherweise sogar bis 2050.

Da Öl ein so kohlenstoffintensiver Brennstoff ist (wenn auch weniger als Kohle), war es im Jahr 2020 für 34 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich, und dieser Anteil wird bis 2040 voraussichtlich auf 37 Prozent steigen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Ölverbrennung für die Freisetzung von 14,7 Milliarden Tonnen wärmespeichernder Treibhausgase in die Atmosphäre verantwortlich sein, was zu einem weiteren Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperaturen führt.

Wenn die CO2-Emissionen aus der Ölverbrennung weiter ansteigen, gibt es keine Chance, die 1,5-Grad-Celsius-Grenze einzuhalten oder die katastrophale Erwärmung des Planeten mit all ihren Folgen zu verhindern. Man muss sich das so vorstellen: Die extremen Hitzewellen, die wir in diesem Jahr von China bis Indien, von Europa über das Horn von Afrika bis Brasilien erlebt haben, sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf unsere Zukunft.

Das Öl und der Krieg in der Ukraine

Die Hitzewellen sind auch nicht die einzige gefährliche Folge unserer immer noch wachsenden Abhängigkeit vom Erdöl. Aufgrund seiner lebenswichtigen Rolle im Transportwesen, in der Industrie und in der Landwirtschaft hat Öl schon immer eine immense geopolitische Bedeutung gehabt. In der Tat hat es zahlreiche Kriege und interne Konflikte um den Besitz von Erdöl gegeben – und um die kolossalen Einnahmen, die es einbringt.

Die Wurzeln der jüngsten Konflikte im Nahen Osten beispielsweise lassen sich auf solche Auseinandersetzungen zurückführen. Trotz der Spekulationen über Peak Oil und der nachlassenden Nachfrage bestimmt Erdöl nach wie vor das politische und militärische Weltgeschehen auf entscheidende Weise.

Um seinen anhaltenden Einfluss zu verstehen, muss man nur die vielfältigen Verbindungen zwischen Öl und dem laufenden Krieg in der Ukraine betrachten.

Zunächst einmal ist es unwahrscheinlich, dass Wladimir Putin jemals in der Lage gewesen wäre, die Invasion eines anderen gut bewaffneten Landes zu befehlen, wenn Russland nicht einer der größten Ölproduzenten der Welt wäre. Nach der Implosion der Sowjetunion im Jahr 1991 war das, was von der Roten Armee übrig geblieben war, nur noch ein Scherbenhaufen und kaum in der Lage, einen ethnischen Aufstand in Tschetschenien niederzuschlagen.

Nachdem Wladimir Putin im Jahr 2000 russischer Präsident wurde, übernahm er die staatliche Kontrolle über einen Großteil der Öl- und Gasindustrie des Landes und verwendete die Erlöse aus den Energieexporten zur Finanzierung der Rehabilitation und Modernisierung des Militärs. Nach Angaben der EIA machten die Einnahmen aus der Erdöl- und Erdgasproduktion zwischen 2011 und 2020 durchschnittlich 43 Prozent der jährlichen Gesamteinnahmen der russischen Regierung aus. Mit anderen Worten: Sie ermöglichten es Putins Streitkräften, die riesigen Bestände an Gewehren, Panzern und Raketen aufzubauen, die sie in der Ukraine so gnadenlos einsetzen.

Nicht minder wichtig ist, dass Putin nach dem Scheitern seines Militärs bei der Einnahme der ukrainischen Hauptstadt Kiew ohne das Geld, das er täglich aus ausländischen Ölverkäufen erhält, sicherlich nicht in der Lage gewesen wäre, den Kampf fortzusetzen. Obwohl die russischen Erdölexporte aufgrund der nach Kriegsbeginn verhängten westlichen Sanktionen etwas zurückgegangen sind, konnte Moskau Kunden in Asien – vor allem China und Indien – finden, die bereit waren, sein überschüssiges, einst für Europa bestimmtes Rohöl aufzukaufen.

Selbst wenn Russland dieses Öl zu vergünstigten Preisen verkauft, ist der Marktpreis seit Beginn des Krieges so stark gestiegen – der Standardpreis für Rohöl der Sorte Brent stieg von 80 Dollar pro Barrel Anfang Februar auf 128 Dollar pro Barrel im März –, dass Russland jetzt mehr Geld verdient als zu Beginn der Invasion. Tatsächlich haben Ökonomen des in Helsinki ansässigen Center for Research on Energy and Clean Air ermittelt, dass Russland in den ersten hundert Tagen des Krieges etwa 60 Milliarden Dollar mit seinen Ölexporten verdient hat – mehr als genug, um seine laufenden Militäroperationen in der Ukraine zu bezahlen.

Um Moskau weiter zu bestrafen, haben sich die 27 Mitglieder der Europäischen Union (EU) darauf geeinigt, alle russischen Öllieferungen per Tanker bis Ende 2022 zu verbieten und die Importe über Pipelines bis Ende 2023 einzustellen (ein Zugeständnis an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der den Großteil seines Rohöls über eine russische Pipeline bezieht).

Dadurch werden die monatlichen Ausgaben der EU-Länder für diese Importe in Höhe von 23 Milliarden Dollar wegfallen, was jedoch die Weltmarktpreise noch weiter in die Höhe treiben könnte – ein offensichtlicher Segen für Moskau. Solange China, Indien und andere nicht-westliche Abnehmer nicht davon überzeugt (oder irgendwie gezwungen) werden können, auf russische Importe zu verzichten, wird das Öl weiterhin den Krieg gegen die Ukraine finanzieren.

Öl, Ukraine und der globale Inflations-Tsunami

Die Verbindungen zwischen dem Öl und dem Krieg in der Ukraine gehen aber noch weiter. Beide haben zusammen eine globale Krise ausgelöst, wie es sie in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben hat. Da die Menschheit so stark von Erdölprodukten abhängig geworden ist, schlägt jeder signifikante Anstieg des Ölpreises auf die Weltwirtschaft durch und wirkt sich auf nahezu jeden Aspekt von Industrie und Handel aus.

Am stärksten betroffen ist natürlich das Transportwesen, das in all seinen Formen – vom täglichen Pendeln bis zu Flugreisen – immer teurer wird. Und da wir für den Anbau unseres Getreides so sehr von ölbetriebenen Maschinen abhängig sind, führt jeder Anstieg des Ölpreises automatisch auch zu höheren Lebensmittelkosten – ein verheerendes Phänomen, das inzwischen weltweit zu beobachten ist und schlimme Folgen für arme und arbeitende Menschen hat.

Die Preisdaten sprechen eine deutliche Sprache: Von 2015 bis 2021 lag der Durchschnittspreis für Rohöl der Sorte Brent bei 50 bis 60 US-Dollar pro Barrel, was den Autokauf ankurbelte und die Inflationsraten niedrig hielt. Vor einem Jahr begannen die Preise zu steigen, angetrieben durch wachsende geopolitische Spannungen, darunter Sanktionen gegen den Iran und Venezuela, sowie interne Unruhen in Libyen und Nigeria – allesamt wichtige Ölproduzenten.

Dennoch erreichte der Rohölpreis erst Ende 2021 die Marke von 75 Dollar pro Barrel. Mit dem Ausbruch der Ukraine-Krise Anfang dieses Jahres schoss der Preis jedoch rapide in die Höhe, erreichte am 14. Februar 100 Dollar pro Barrel und stabilisierte sich schließlich (wenn man unter diesen Umständen überhaupt davon sprechen kann) bei einem aktuellen Kurs von etwa 115 Dollar. Diese enorme Preisspitze, die eine Verdoppelung des Durchschnittswerts für die Jahre 2015 bis 2021 darstellt, hat die Kosten für Reisen, Lebensmittel und Transporte erheblich in die Höhe getrieben und damit die durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Probleme in der Versorgungskette noch verstärkt und einen Inflations-Tsunami ausgelöst.

Eine solche Inflationswelle kann nur Not und Elend verursachen, insbesondere für die weniger wohlhabende Bevölkerung auf dem ganzen Planeten, und zu weit verbreiteten Unruhen und öffentlichen Protesten führen. Für viele wurde diese Not durch die russische Blockade der ukrainischen Getreideexporte noch verschlimmert, die erheblich zu den steigenden Lebensmittelpreisen und dem zunehmenden Hunger in den ohnehin schon angeschlagenen Teilen der Welt beigetragen hat.

In Sri Lanka beispielsweise löste die Wut über die hohen Lebensmittel- und Treibstoffpreise in Verbindung mit der Verachtung für die unfähige Regierungselite des Landes wochenlange Massenproteste aus, die in der Flucht und dem Rücktritt des Präsidenten des Landes gipfelten. Wütende Proteste gegen hohe Kraftstoff- und Lebensmittelpreise haben auch andere Länder erfasst. Ecuadors Hauptstadt Quito wurde Ende Juni durch einen solchen Aufruhr eine Woche lang lahmgelegt, wobei mindestens drei Menschen starben und fast hundert verletzt wurden.

In den Vereinigten Staaten wird die Verzweiflung über die steigenden Lebensmittel- und Kraftstoffpreise weithin als eine große Belastung für Präsident Joe Biden und die Demokraten im Vorfeld der Kongresswahlen 2022 angesehen. Die Republikaner haben eindeutig die Absicht, die Wut der Öffentlichkeit über die steigende Inflation und die hohen Benzinpreise für ihren Wahlkampf auszunutzen.

Als Reaktion darauf hat Biden, der bei seiner Kandidatur versprochen hatte, den Klimawandel zu einer der wichtigsten Prioritäten des Weißen Hauses zu machen, in letzter Zeit verzweifelt nach zusätzlichen Erdölquellen gesucht, um die Preise an der Zapfsäule zu senken. Im Inland gab er 180 Millionen Barrel Öl aus der nationalen strategischen Erdölreserve frei, einem riesigen unterirdischen Reservoir, das nach den "Ölschocks" der 1970er Jahre angelegt wurde, um ein Polster für Zeiten wie diese zu schaffen, und hob Umweltvorschriften auf, die die Verwendung einer als E15 bekannten Ethanolmischung im Sommer verbieten, die in den wärmeren Monaten zu Smog führt.

Im Ausland bemühte er sich um die Wiederaufnahme von Kontakten mit dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro, der früher ein wichtiger Ölexporteur der Vereinigten Staaten war. Im März trafen sich zwei hochrangige Beamte des Weißen Hauses mit Maduro, was weithin als Versuch angesehen wurde, diese Exporte wiederherzustellen.

Als umstrittenster Ausdruck dieser Bestrebungen reiste der Präsident im Juli nach Saudi-Arabien – dem weltweit führenden Erdölexporteur –, um sich mit dessen De-facto-Führer, Kronprinz Mohammed bin Salman, zu treffen. MBS, wie er genannt wird, wurde von vielen, einschließlich Analysten der Central Intelligence Agency (und Biden selbst), als die Person angesehen, die letztlich für den Mord an Jamal Khashoggi, einem in den USA lebenden saudischen Dissidenten und Kolumnisten der Washington Post, im Oktober 2018 in der Türkei verantwortlich war.

Der Präsident betonte, dass seine Hauptmotive für das Treffen mit MBS darin bestanden, die regionale Verteidigung gegen den Iran zu stärken und dem russischen und chinesischen Einfluss im Nahen Osten entgegenzuwirken. "Bei dieser Reise geht es einmal mehr darum, Amerika in dieser Region für die Zukunft zu positionieren", sagte er am 15. Juli vor Reportern in der saudischen Stadt Jeddah. "Wir werden im Nahen Osten kein Vakuum hinterlassen, das Russland oder China ausfüllen können".

Die meisten unabhängigen Analysten gehen jedoch davon aus, dass es ihm in erster Linie um die Zusage der Saudis ging, die tägliche Ölproduktion des Landes erheblich zu steigern – ein Schritt, dem sie erst zustimmten, nachdem Biden grünes Licht für ein Treffen mit MBS gab und damit dessen Pariastatus in Washington beendet hatte. Presseberichten zufolge erklärten sich die Saudis tatsächlich bereit, ihre Fördermenge zu erhöhen, versprachen aber auch, die Erhöhung erst in einigen Wochen bekannt zu geben, um Biden nicht in Verlegenheit zu bringen.

Die anhaltende Tyrannei des Öls beenden

Es ist bezeichnend, dass der "Klima"-Präsident bereit war, sich mit dem saudischen Staatschef zu treffen, um den kurzfristigen politischen Vorteil niedrigerer Benzinpreise zu erreichen, bevor die amerikanischen Wähler im November zur Wahl gehen. In Wahrheit spielt das Öl jedoch eine weitaus größere Rolle im Kalkül des Weißen Hauses. Obwohl die Vereinigten Staaten nicht mehr auf Ölimporte aus dem Nahen Osten angewiesen sind, um einen großen Teil ihres Energiebedarfs zu decken, sind das viele ihrer Verbündeten – und auch China. Mit anderen Worten: Aus geopolitischer Sicht ist die Kontrolle über den Nahen Osten nicht weniger wichtig als 1990, als Präsident George H. W. Bush die Operation Wüstensturm, den ersten Krieg des Landes am Persischen Golf, startete, oder 2003, als sein Sohn, Präsident George W. Bush, in den Irak einmarschierte.

Tatsächlich deuten die Prognosen der Regierung darauf hin, dass die Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) im Nahen Osten bis 2050 (ja, wieder dieses ferne Jahr!) einen größeren Anteil an der weltweiten Erdölproduktion haben könnten als heute. Das erklärt Bidens Äußerungen, wonach im Nahen Osten kein Vakuum entstehen dürfe, "das Russland oder China füllen könnten". Die gleiche Argumentation wird auch die US-Politik gegenüber anderen Ölfördergebieten bestimmen, darunter Westafrika, Lateinamerika und die Offshore-Regionen Asiens.

Es braucht also nicht viel Phantasie, um zu vermuten, dass Erdöl in der amerikanischen Außen- und Innenpolitik noch jahrelang eine entscheidende Rolle spielen wird, obwohl so viele von uns gehofft hatten, dass die sinkende Nachfrage nach Erdöl eine Umstellung auf umweltfreundliche Energien begünstigen würde.

Zweifellos hatte Joe Biden bei seinem Amtsantritt die Absicht, die USA in diese Richtung zu bewegen, aber es ist klar, dass – danke, Joe Manchin! (demokratischer Senator, der Klimaschutzmaßnahmen im Kongress blockiert, Telepolis) – von der Tyrannei des Öls überwältigt worden ist. Schlimmer noch: Diejenigen, die der fossilen Brennstoffindustrie zuarbeiten, darunter praktisch alle Republikaner im Kongress, sind entschlossen, diese Tyrannei aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle, für den Planeten und seine Bewohner.

Um eine solche globale Phalanx von Verteidigern der Ölindustrie zu überwinden, bedarf es weit mehr politischer Kraft, als das Umweltlager bisher aufbringen konnte. Um den Planeten vor einer buchstäblichen Hölle auf Erden zu bewahren und das Leben von Milliarden von Bewohnern zu schützen – einschließlich jedes Kindes, das heute lebt oder in den kommenden Jahren geboren wird –, muss der Tyrannei der Erdölindustrie mit der gleichen Entschlossenheit widerstanden werden, die die Abtreibungsgegner bei ihrer Kampagne zum Schutz (so behaupten sie) ungeborener Föten eingesetzt haben.

Wir müssen wie sie unermüdlich daran arbeiten, gleichgesinnte Politiker zu wählen und notwendige Gesetze voranzutreiben. Nur wenn wir heute für die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen kämpfen, können wir sicher sein, dass unsere Kinder und Enkelkinder auf einem unversehrten, bewohnbaren Planeten leben werden.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit TomDispatch. Übersetzung: David Goeßmann.

Michael T. Klare ist emeritierter Professor für Friedens- und Weltsicherheitsstudien am Hampshire College und Senior Visiting Fellow bei der Arms Control Association. Er ist Autor von 15 Büchern, das jüngst erschienene heißt: "All Hell Breaking Loose ist: The Pentagon's Perspective on Climate Change". Klare ist Mitbegründer des Komitees für eine vernünftige U.S.-China-Politik.