"Peak Ukraine": US-Bevölkerung will Verhandlungsfrieden im Krieg
Die Biden-Regierung will mehr Geld für Ukraine-Bewaffnung. Doch die US-Amerikaner sind kriegsmüde. Was ist passiert? Gastbeitrag.
Nach 18 Monaten und Milliarden von Dollar gibt es Anzeichen dafür, dass die Geduld der US-amerikanischen Öffentlichkeit mit der Ukraine-Politik der Biden-Regierung nachlässt.
Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Eurasia Group Foundation (ESG) ergab, dass 58 Prozent der US-Amerikaner der Meinung sind, die USA sollten unter Hinweis auf die hohen humanitären Kosten auf ein Verhandlungsende des Krieges in der Ukraine drängen. Unterdessen wünschen sich 34 Prozent eine Senkung des Verteidigungshaushalts, 16 Prozent eine Erhöhung und die Hälfte würde die Militärausgaben auf dem derzeitigen Niveau halten.
Der Stimmungswandel in der Bevölkerung ist so groß, dass ihn sogar die Mainstream-Medien aufgegriffen haben. Am Wochenende veröffentlichte die New York Times einen Bericht, in dem sie sich besorgt über die wackelnde Unterstützung für den Krieg äußerte und feststellte:
... noch bevor der Krieg im Nahen Osten letzte Woche begann, gab es in Europa, wo man die Vorgänge in Washington genau beobachtet, ein starkes Gefühl, dass die Welt den "Ukraine-Scheitelpunkt " erreicht habe – dass die Unterstützung für den Kampf der Ukraine gegen die russische Invasion nie wieder so hoch sein würde wie noch vor ein paar Monaten.
Der scheinbare Meinungsumschwung in der Öffentlichkeit ist zwar wichtig und sollte der Regierung signalisieren, dass es an der Zeit ist, die Verhandlungen fortzusetzen. Aber es ist klar, dass diejenigen, auf deren Meinung es ankommt – in Kiew, Moskau und Washington – daran nicht sonderlich interessiert sind.
Ende September gab der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu Kommentare ab, die weitverbreitet und von vielen so interpretiert wurden, dass Russland in der Ukraine bis 2025 kämpfen wolle. Jüngsten Berichten zufolge sind die russischen Verteidigungsausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 21,2 Prozent gestiegen, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Hier in Washington befindet sich die Regierung nach wie vor auf Kriegskurs. In einem Porträt des New Yorker über Bidens nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan beschrieb ein ehemaliger US-Botschafter bei der Nato Sullivan als "den Quartiermeister des Krieges – und alles andere". Sullivans praktische Rolle reicht offenbar bis in die Einzelheiten des Krieges hinein, denn der New Yorker berichtet:
In seinem Büro gibt es eine – häufig aktualisierte – Tabelle mit den aktuellen Munitionsbeständen der Länder, die in die Ukraine geliefert werden könnten.
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Stattdessen sollte die Regierung diplomatisch darauf hinarbeiten, die Agonie der Ukraine zu beenden, anstatt sie zu verlängern (und ja, wir verstehen, dass es letztlich an den Ukrainern liegt, ob sie weiterkämpfen wollen oder nicht, aber das bedeutet nicht, dass wir verpflichtet sind, unsere Handlungsmacht in Fragen des Informationsaustauschs, der Bewaffnung, der Finanzierung oder gar der Diplomatie preiszugeben).
Abgesehen von der Veränderung der öffentlichen Meinung wäre die Regierung dennoch gut beraten, ihren derzeitigen Kurs zu überdenken, wenn man die zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Kosten des Krieges bedenkt, zu denen auch die De-Industrialisierung und der anhaltende Aufstieg der Rechtsextremen in Deutschland gehören. In der Zwischenzeit deuten die jüngsten Wahlen in der Slowakei darauf hin, dass die Geduld mit dem Krieg auch an anderen Orten am Ende ist.
In Anbetracht der anhaltenden und wachsenden geopolitischen Risiken (nicht zuletzt der Eskalation zwischen dem atomar bewaffneten Russland und der Nato) sollte sich Präsident Biden vielleicht vom amerikanischen Volk inspirieren lassen, Staatskunst ausüben und sich auf den langen und beschwerlichen Weg zum Frieden in Osteuropa machen.
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Hier das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.
Katrina vanden Heuvel ist Präsidentin des American Committee for U.S.-Russia Accord (ACURA) sowie Redaktionsleiterin und Herausgeberin von The Nation. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne für die Washington Post und kommentiert häufig die US-amerikanische und internationale Politik für Democracy Now, PBS, ABC, MSNBC und CNN.
James W. Carden war während der Obama-Regierung als Berater des Sonderbeauftragten für zwischenstaatliche Angelegenheiten im Außenministerium tätig und schreibt für zahlreiche Publikationen. Er ist Mitglied des Vorstands von ACURA.