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Pentagon: Neue Spezialeinheit zur weltweiten Jagd auf Terroristen

Special Forces. Bild: DoD

Mit dem Zerschlagen des IS-Kalifats drohen neue Konflikte auszubrechen, während die IS-Kämpfer versuchen werden, in anderen Ländern unterzutauchen und Zellen zu bilden

Barack Obama hat den Friedensnobelpreis deswegen erhalten, weil er zu Beginn seiner Präsidentschaft die im Wahlkampf versprochene Beendigung der Kriege ankündigte und in Reden einen Neubeginn der Beziehungen zu arabischen Staaten und eine Politik in Aussicht stellte, die letztlich zu einer atomwaffenfreien Welt führt. Das Nobelpreiskomitee hat bekanntlich übereilt gehandelt, Obama konnte seine Absichten nicht umsetzen. Der Irak-Krieg wurde zwar kurzzeitig durch den Abzug aller Soldaten beendet, aber es sind in Afghanistan weiterhin Bodentruppen und in Syrien sowie im Irak reichte das von Obama geschätzte Konzept des Fern- und Luftkriegs nicht aus.

Kurz vor dem Ende seiner Präsidentschaft könnte Obama womöglich noch einen vordergründigen Erfolg in seiner vielfach kritisierten Anti-IS-Politik verzeichnen, wenn die irakischen Truppen mit den kurdischen und schiitischen Milizen und der Unterstützung durch US-Bodentruppen und Flugzeugen vielleicht nicht nur Mosul einnehmen, sondern auch den IS zumindest als Territorialmacht aus dem Irak vertreiben. Es gibt aber Unwägbarkeiten, weil die Kampfparteien untereinander und gegenüber der Türkei gegensätzliche Interessen verfolgen.

Sie sind noch deutlicher in Syrien zu erkennen, wo bereits türkischen Truppen mit ihren verbündeten Milizen gegen die kurdischen SDF kämpfen und es bereits zu einem ersten Zwischenfall zwischen syrischen und türkischen Truppen gekommen ist. Der türkische Regierungschef Yildirim betonte [1], man werde die Militäroperation fortsetzen, um al Bab und Manbij einzunehmen. Damit soll explizit verhindert werden, dass die syrischen Kurden ein durchgehendes Gebiet an der syrisch-türkischen Grenze kontrollieren können. Man werde aber nicht bis Aleppo marschieren, versicherte er. Das scheint der Deal mit Russland zu sein.

Russland und die USA sind mit den Konfliktparteien verwickelt, denkbar wäre zudem, dass der von der Türkei misstrauisch und mit Drohungen verfolgte Vormarsch der schiitischen Milizen bei Tal Afar, die gerade von einer Mehrheit der schiitischen Abgeordneten im irakischen Parlament als offizieller Teil der irakischen Armee anerkannt und deren direktem Kommando unterstellt wurden, zu einem Konflikt mit der Türkei führt. Schon zuvor war es zu einem Schlagabtausch über die türkischen Truppen bei Mosul gekommen, die von Bagdad als Besatzungstruppen verstanden wurden. Tal Afar ist mehrheitlich von sunnitischen Turkmenen bewohnt (gewesen). Die Türkei meldet hier Schutzinteressen, aber auch geopolitische Interessen an. Zudem könnten die irakischen schiitischen Milizen al-Hashd al-Shaabi weiter nach Syrien vorrücken, um dort die syrischen Truppen und die schon dort an deren Seite kämpfenden schiitischen Milizen, die wie Hisbollah aus dem Libanon stammen, aber auch aus dem Iran und dem Irak kommen, zu unterstützen. Das würde die Machtverhältnisse in Syrien erschüttern.

Auch wenn man im Weißen Haus wohl auf Erfolge hoffen dürfte, wäre dieser aber auch eine weitere Gefahr, wie man nicht nur im Weißen Haus festgestellt hat. Das Zerschlagen des Islamischen Staats als Territorialmacht treibt die Gruppe in den Untergrund und wird sie noch stärker als bislang weltweit zerstreuen, um dort Anschläge auszuführen und neue Stützpunkte zu finden. Es wird auch davon abhängen, ob der IS-Führer al-Bagdadi und der Kern der übrigen Führung getötet oder festgesetzt werden können oder ob sie bereits aus dem Irak und eventuell auch aus Syrien geflohen sind. Wie der Versuch, eine islamistische Terrorgruppe durch militärische Mittel zu beseitigen, in die Hose gehen kann, hatte sich in Afghanistan gezeigt. Osama bin Laden konnte zunächst fliehen, die Organisation hat sich als loses Netzwerk verbreitet, u.a. im Irak, und ist heute mächtiger als vor dem Afghanistan- und Irak-Krieg. Der IS hat schnell nach seiner Abspaltung von al-Qaida versucht, mit Gruppen in anderen Ländern zu kooperieren und dort "Filialen" zu gründen, gerne dort, wo al-Qaida sich bereits niedergelassen hat.

Die Counter-External Operations Task Force soll weltweit operieren

Bekanntlich ist Barack Obama nicht nur ein Präsident, der sich die gesamte Zeit seiner Präsidentschaft als oberster Kommandeur im Krieg befand, sondern der, wenn irgend möglich, eher auf kleine, verdeckte Operationen von Drohnen bis hin zu Missionen von Spezialeinheiten setzte. Mit einer solchen wurde Osama Bin Laden ausgeschaltet, auch wenn er keine Bedeutung mehr spielte. Auf eben das Joint Special Operations Command (JSOC), unter dessen Leitung die Navy SEALs in Pakistan völkerrechtswidrig eindrangen und Bin Laden töteten, soll sich nun das Weiße Haus in den letzten Amtstagen des Präsidenten verstärkt stützen und wahrscheinlich auch Fakten im Antiterrorkampf schaffen, an denen der neue Präsident nicht ohne Weiteres vorbeikommt. Nach einem Bericht [2] der Washington Post sollen Spezialeinheiten verstärkt und mit mehr Machtbefugnis eingesetzt werden, um die von Syrien und dem Irak ausschwärmenden IS-Kämpfer zu verfolgen und Angriffe auf sie auszuführen. Das JSOC untersteht dabei direkt dem SOCOM und kann damit regionale Kommandeure umgehen, die bislang den Einsatz von Spezialkräften anforderten oder genehmigen mussten.

Special Forces. Bild: DoD

Bislang war der Wirkungsbereich des JSOC mit verdeckten Einsätzen weitgehend auf die beiden Länder und Libyen sowie Somalia begrenzt. Jetzt soll aus JSOC noch schnell nach Pentagon-Quellen eine neue Aufklärung- und Aktionsstreitmacht namens Counter-External Operations Task Force für weltweite Auslandseinsätze gebildet werden. Dass die Einheit nun explizit weltweit und nicht nur in Kriegsgebieten operieren soll, erinnert an die Zeit nach 9/11, als unter George W. Bush die CIA ebenso weltweit Terrorverdächtige jagte, verschleppte, in Geheimgefängnisse einsperrte und teilweise folterte. Jetzt dürfte es wohl auch um Killerkommandos gehen, denn seit den Problemen mit Guantanamo und Abu Ghraib werden die Ziele der verdeckten Operationen nicht festgenommen, sondern möglichst eliminiert.

Wie es von den Quellen aus dem Pentagon heißt, soll die neue Einheit den Streit- und Sicherheitskräften der Alliierten Hilfe anbieten oder mit diesen gemeinsam Operation durchführen. Wo es nur schwache oder keine Regierungen gebe, soll JSOC alleine und ohne jede Absprache handeln. Es gibt also Teile der Welt, die von den USA als neuer Wilder Westen gesehen werden, als gebe es keine internationale Staatengemeinschaft oder die Vereinten Nationen. Wie die Zusammenarbeit zwischen der CIA, die weiterhin weltweit auch verdeckte Operationen durchführt, und dem JSOC aussehen soll, scheint nicht geklärt zu sein. Zunächst scheint das Ziel darin zu bestehen, im Nahen Osten IS-Kämpfer, die aus dem Ausland gekommen waren, zu jagen und darin die bestehende Task Force Gallant Phoenix, deren Sitz sich in Jordanien befindet und an der einige Geheimdienste beteiligt sind, zu stärken.

Gut möglich, dass das Pentagon die Idee von weltweit verdeckt operierenden Eliteeinheiten der Washington Post vor allem aus dem Grund durchgesteckt haben, um die Reaktion, insbesondere aus dem Umkreis von Donald Trump, zu erkunden. Eine solche Einheit vor dem Abtritt von Obama noch aufzubauen, dürfte unwahrscheinlich sein. Die Gefahr, die nach einer Zerschlagung des IS-"Kalifats" durch sich weltweit verbreitenden IS-Zellen entsteht, wird auch der neuen Trump-Regierung einleuchten. Die Frage wird sein, ob sie sich erneut auf ein derartiges Machtspiel wie zuvor George W. Bush einlässt, das für die USA nicht gerade imagefördernd war.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.hurriyetdailynews.com/turkey-will-not-march-to-aleppo-turkish-pm.aspx?pageID=238&nID=106548&NewsCatID=510
[2] https://www.washingtonpost.com/news/checkpoint/wp/2016/11/25/obama-administration-expands-elite-military-units-powers-to-hunt-foreign-fighters-globally/