Pentagon will US-Spezialtruppen-Programm in Ukraine wiederbeleben

Seite 2: Wenn aus Aufklärungsmissionen Kämpfe werden können

"Was als Aufklärungsmission beginnt, kann schnell zu einem direkten Kampf werden, wenn die Stellvertreter-Truppen aufeinander schießen", stellt ein US-Beamter fest. "Meiner Meinung nach ist das eine reale Möglichkeit in der Ukraine. Mir ist nicht klar, wie das Ministerium die Meinung der Kongressabgeordneten dazu ändern könnte".

Die Berichte über die gezielte Unterstützung der USA für die ukrainischen Streitkräfte zeigen auch, was viele schon die ganze Zeit vermutet haben – dass die Ukrainer nicht in der Lage sind, die hoch entwickelten Waffen, die sie von den USA bekommen, ohne Hilfe von außen zu bedienen.

Ein hochrangiger ukrainischer Offizieller sagte, dass die ukrainischen Streitkräfte fast nie Abschüsse mit modernen Waffensystemen tätigen, ohne dass sie von US-Militärs die Koordinaten von einem Stützpunkt irgendwo in Europa erhalten. Ukrainische Vertreter weisen darauf hin, dass diese Vorgehensweise Washington das notwendige Zutrauen geben soll, Kiew mit Waffen größerer Reichweite zu beliefern.

Ein ranghoher US-Beamter – der wie andere wegen der Sensibilität des Themas anonym bleiben will –, bestätigte die Schlüsselrolle der USA in der Kriegsführung und sagte, die Unterstützung bei der Zielerfassung diene dazu, die Genauigkeit zu gewährleisten und die begrenzten Munitionsvorräte zu schonen, um maximale Wirksamkeit zu erzielen. Er erklärte, dass die Ukraine die Vereinigten Staaten bei Angriffen nicht um Erlaubnis anfrage und russische Streitkräfte eigenständig mit ihren Waffen angreife. Die USA stellten Koordinaten und genaue Zielinformationen nur in beratender Funktion zur Verfügung.

Das Pentagon bestätigte in einer Erklärung, dass es die Ukraine in dieser Form unterstütze, betonte aber, dass "die Ukrainer dafür verantwortlich sind, Ziele zu finden, sie zu priorisieren und schließlich zu entscheiden, welche Ziele angegriffen werden. Die Vereinigten Staaten genehmigen keine Ziele, noch sind wir an der Auswahl oder dem Einsatz von Zielen beteiligt".

Die Behauptung, die Ukrainer seien beim Einsatz der Waffen völlig von den USA abhängig, kommentierte das Pentagon nicht. Ein ukrainischer Vertreter sagte der Washington Post, selbst wenn die USA die von der Ukraine geforderten hoch entwickelten ATACM-Raketensysteme bekämen, müssten man nicht befürchten, dass sie missbräuchlich auf Russland abgefeuert würden.

Sie kontrollieren sowieso jeden Schuss. Wenn Sie also sagen: "Wir haben Angst, dass man sie für andere Zwecke verwendet", dann sollte man bedenken, dass wir das gar nicht können, selbst wenn wir es wollten.

Mein Kollege Anatol Lieven, Direktor des Eurasien-Programms des Quincy Institute, sagt:

Es ist schwer vorstellbar, wie, wenn von den USA beauftragtes ukrainisches Personal zu Aufklärungsmissionen in das von Russland gehaltene Gebiet geschickt wird, nicht Ziele für ukrainische Artillerie- und Luftangriffe identifiziert. Die Mitglieder des US-Kongresses müssen sich fragen, wie Amerika reagieren würde, wenn es anders herum wäre. Und wie lange wird es dauern, bis Russland sich dazu entschließt, Vergeltung an den Vereinigten Staaten zu üben angesichts von US-Aufklärungsunterstützung für die Ukraine, die viele russische Soldaten getötet hat.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft. Übersetzung: David Goeßmann.