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Planung von Massenvertreibung: Jurist sieht neuen Grund für AfD-Verbot

AfD-Demo in Berlin 2018. Bild: CKI Fotos, CC BY-NC-SA 2.0

Könnte eine regierende AfD rassistischen Plan umsetzen? Welche Rolle würde das Verfassungsgericht spielen? Jurist sieht AfD unter Druck und verweist auf NPD-Verbotsverfahren.

Bundesweit ist die AfD in aktuellen Umfragen zweitstärkste Kraft, in ostdeutschen Bundesländern sogar die stärkste. Einige träumen bereits von einer ganz legalen Machtübernahme durch Wahlen.

Könnte auch der "Masterplan", den einflussreiche AfD-Politiker nach Recherchen des Correctiv-Netzwerks [1] im November bei einem Geheimtreffen mit anderen Rechtsextremen und spendablen Unternehmern diskutiert haben, bei einer entsprechenden Mehrheit im Bundestag legal umgesetzt werden?

Was ihnen unter dem Stichwort "Remigration" vorschwebt, läuft auf die Vertreibung von Millionen Menschen hinaus, die zum Teil in Deutschland geboren wurden und deutsche Staatsbürger sind. Martin Sellner, langjähriger Kopf der "Identitären Bewegung" führte laut auf dem Treffen aus, das "Jahrzehnteprojekt", sei mit "maßgeschneiderten Gesetzen" und "hohem Anpassungsdruck" zu bewältigen.

Was, wenn Faschisten die Gesetzgebung übernehmen?

Nach Einschätzung von Rechtsanwalt Alexander Hoffmann sind die Enthüllungen über das Treffen nur ein weiterer Grund für einen AfD-Verbotsantrag:

Wie wir aus der deutschen Geschichte wissen, ist jede gesetzliche Änderung möglich, wenn Faschisten erst einmal an der Macht beteiligt sind.

Rechtsanwalt Alexander Hoffmann am Mittwoch gegenüber von Telepolis.

"Aus diesem Grunde müssen Gruppierungen, die solche politischen Ziele formulieren und umzusetzen versuchen, verboten werden", sagt der Anwalt, der unter anderem im NSU-Prozess Opfer rechter Gewalt in der Nebenklage vertrat und sich seit vielen Jahren auch mit ideologischen Hintergründen befasst. "Ein AfD-Verbotsantrag wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung."

Hoffmann verweist in diesem Zusammenhang auch auf das zweite Verbotsverfahren gegen die neofaschistische NPD, das nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern an der Bedeutungslosigkeit der Kleinpartei gescheitert ist.

Knackpunkt ist Definition von Staatsvolk

An Bedeutung mangelt es im Fall der AfD, die in Sachsen bereits bei 37 Prozent liegt, sicher nicht. Würde sie sich in offiziellen Parteidokumenten beispielsweise zur Definition von "Staatsvolk" wie die NPD äußern – oder wie es laut Correctiv auch AfD-Politiker auf dem besagten Geheimtreffen taten –, wäre dies nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Verbotsgrund.

Zumindest die auf dem Treffen vertretenen Politikerinnen und Politiker der AfD bekannten sich dort laut dem Bericht "frei zu völkischen Idealen". Es ließen sich "keine wesentlichen Unterschiede zu den Positionen extremistischer rechter Ideologen feststellen", schreibt Correctiv. Gemeint ist nicht zuletzt die NPD.

Deren politisches Konzept sei "mit dem Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsangehörigen an der politischen Willensbildung unvereinbar", stellte das Bundesverfassungsgericht Anfang 2017 klar [2].

Wer hat Recht auf gleichberechtigte Teilhabe?

Ausführlich wurde damals begründet, warum die NPD verfassungsfeindlich sei – und nur "wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele" nicht verboten werde.

In einem durch die "Einheit von Volk und Staat" geprägten Nationalstaat im Sinne der Antragsgegnerin (der NPD, Anm. d. Red.) ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – grundsätzlich kein Raum. Vielmehr führt der exkludierende Charakter der "Volksgemeinschaft" zu einer mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbaren ethnischen Verengung des Anspruchs auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung.

Bundesverfassungsgericht, Januar 2017

Außendarstellung und Innenleben der AfD

Von der genannten NPD-Programmatik unterscheidet sich die der AfD zumindest offiziell deutlich; darauf weist auch Correctiv hin. "Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen", heißt es auf ihrer Website. (Fehler im Original, Stand 10. Januar 2024)

An dem besagten Treffen, wo scheinbar niemand ein Problem mit der "Staatsvolk"-Definition der NPD und anderer bekennender Neofaschisten hatte, nahm aber dem Bericht zufolge auch der persönliche Referent der AfD-Chefin Alice Weidel teil.

Anpassungsdruck auch auf Doppelstaatler

Den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft verbietet das Grundgesetz, wenn Betroffene dadurch staatenlos werden.

Doppelstaatler können laut Bundesinnenministerium die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie sich "konkret an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland" beteiligen oder den deutschen Pass "durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erworben" haben.

Auf eine Verschärfung dieser Kriterien dürfte auch der von Sellner erwähnte "Anpassungsdruck" durch "maßgeschneiderte Gesetze" nicht zuletzt abzielen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9593469

Links in diesem Artikel:
[1] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html