Pokerspiel um russisches Gas in der Arktis
Russland und China bewegen sich vorsichtig beim arktischen Gas. Putin verschleiert Aktivitäten, China zögert bei Abnahmen. Was dabei auf dem Spiel steht?
Solange sich die Administration um den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump formiert und der neue Kurs noch offen ist, setzen Russland und China auf Abtauchen und Pokern, um keine neuen Sanktionen auf den Plan zu rufen.
Während der russische Präsident Wladimir Putin Novatek per Dekret Intransparenz verordnet, um Spuren von Aktivitäten in der Arktis zu verwischen, kreuzen in der japanischen See LNG-Tanker und warten auf das Abladekommando in einem chinesischen Hafen.
In diesem Kontext schwingt über der chinesischen Wison-Gruppe das Pendel, ob sie durch ihre internationalen Verbindungen inklusive USA vor Sanktionen weiter gefeit ist.
Verordnete Intransparenz als Schutzschild
Ganz auf Verschleierung bedacht, änderte Putin die Liste der russischen Unternehmen, die per Dekret zur Offenlegung und Bereitstellung von Informationen durch russische Wirtschaftsunternehmen vom 23. November 2023 das Recht haben, selbstständig zu bestimmen, welche Informationen sie offenlegen.
Auf dieser Liste stehen seit 11. November der größte russische LNG-Produzent Novatek zusammen mit den Werken Yamal LNG auf Yamal und Arctic LNG-2 auf Gydan.
Lesen Sie auch
Habecks wunder Punkt: Warum der LNG-Gipfel im Wahlkampf der Grünen stört
Österreich künftig ohne russisches Gas?
Russland plant Atom-U-Boote für Gastransport nach China
Putin zu Gasexporten nach Europa bereit, USA kündigen neue Sanktionen an
Wie Russland die LNG-Sanktionen mit einer Schattenflotte und gefälschten Standorten umgeht
Der Chefstratege von der Investmentgesellschaft Vector Kapital, Maksim Chudalow, erklärte hierzu gegenüber Eurasia Daily am 12. November, dass die Lieferungen von Arctic LNG 2 gestoppt worden seien, und sich Schiffe für den Gastransport nicht finden ließen:
In diesem Zusammenhang muss die Informationsoffenheit des Unternehmens eingeschränkt werden, da die Amerikaner das Projekt genau beobachten, und alle Versuche, die Sanktionen zu umgehen, unterdrückt werden. Daher kann nur die Abkehr in eine vollständige Informationsintransparenz dem Unternehmen bei der Umsetzung des Projekts und der Produktion helfen.
Auf der Liste des besagten Dekrets stehen bereits sämtliche Ölgesellschaften des Landes wie Rosneft und Slawneft mit Tochtergesellschaften. Auch die Ölindustrie nutzt seit dem Einzug von Sanktionen Intransparenz und Schattenflotte, um das Geschäft am Laufen zu halten. Das dient wiederum der LNG-Industrie als Vorbild, auch wenn Novatek selbst vehement bestreitet, eine LNG-Schattenflotte einzusetzen.
Neue Namen und Flaggen für LNG-Tanker
Nach Angaben des Spezialunternehmens für Schiffsverkehr Vesseltracker am 14. November befinden sich sämtliche Schiffe der Schattenflotte entweder in der Barentssee oder in der japanischen See vor der russischen Küste.
Drei Tanker, die LNG von der ersten Linie von Arctic LNG 2 auf Gydan an Bord genommen und wie die Everest Energy, heute Metagas Everest, zu den Spezialspeicherschiffen in der Bucht von Murmansk im Westen und in der Bucht von Kamtschatka im Osten verschifft haben, sind an der russischen Ostküste unterwegs.
Die Metagas Everest, früher Everest Energy, ist indes in der Barentssee vor der Kolahalbinsel im Einsatz. Sie wechselte wie die East Energy, ehemals Asaya Energy nach dem Flaggenentzug durch Palau auf die Flagge von Curacao. Ebenso entzog Panama jüngst russischen LNG-Tankern nach Sanktionen das Recht auf Beflaggung. Curacao und abgewandelte Schiffsnamen sind offenbar das neue Schiffsmanöver, um China den Weg zur Abnahme von LNG von Gydan zu bereiten.
Auf die Frage, warum China kein LNG von Gydan abnehme, erklärte Igor Juschkow von der Finanzuniversität und dem Nationalen Energiesicherheitsfonds in einem Interview im November bei der Nowaja Iswestija:
Ich denke, dass die Chinesen den Amerikanern keinen Anlass geben wollen, zusätzliche Sanktionen zu verhängen.
Doch wenn Gas heute weltweit mehrere 1000 Dollar je 1000 Kubikmeter kosten würde, so wie in Europa im Jahr 2022, dann würde China es sich zweimal überlegen und es für 500 Dollar nehmen.
Eine Frage des Preises
Dass der chinesische Techniklieferant Wison New Energies von Sanktionen unbehelligt blieb, ist bei dem harten Kurs der USA fast unverständlich. Schließlich sorgte diese Ausnahme dafür, dass das Projekt Arctic LNG 2 nicht komplett zum Stillstand kam.
Im September schloss Wison New Energies zudem in Houston ein Abkommen mit den US-amerikanischen Technikunternehmen Chart Industries und Baker Hughes. Wison scheint im Geschäft mit westlichen Unternehmen so gut vernetzt zu sein, dass die USA vor Sanktionen zurückschreckten.
Welche LNG-Karte die Trump-Administration ausspielt, ist offen. Der schleppende LNG-Ausbau in Russland kommt den USA einerseits wirtschaftlich entgegen, sodass russische Experten keine Erleichterungen mit Trump erwarten.
Lesen Sie auch
Trump schickt seine loyalste Hardlinerin zu den Vereinten Nationen
Trump und Harris nach US-Wahl: Eine Show, zwei Hauptdarsteller
Trumps neues Kabinett: Die Rückkehr der Neocons
Veteranen-Votum 2024: Trumps klarer Sieg bei den Militärstimmen
Fehleinschätzungen: Medien zwischen Trump-Schock und Ampel-Aus
Andererseits könnten die Ergebnisse der US-Wahlen ein zusätzlicher positiver Faktor für Novatek sein und dazu beitragen, dass Erwartungen hinsichtlich einer Verringerung des Sanktionsdrucks auf das Unternehmen entstehen, hieß es bei der russischen Finanzgruppe Finam am 7. November.
Eine klare Begründung für diese Einschätzung lieferten die Finam-Analysten jedoch nicht. Ob jüngste Personalentscheidungen von Trump ein Licht darauf werfen, ist eine Spekulation, da plötzliche Wendemanöver möglich sind. Die Gasverflüssigung ruht derweil auf Gydan, während die Kraftwerkseinheiten von Wison für die zweite Produktionslinie eingetroffen sind.
Die Swesda-Werft will bis zum März 2025 zwei LNG-Tanker der Eisklasse Arc 7 ausliefern. China ist für den Fortgang in der Arktis ein zentraler Faktor. Wie ein Deal à la Trump dabei aussehen kann, ist eine Frage des Preises.