Politik gegen China: Bericht sieht fatale Folgen für Forschung und Wissenschaft in den USA
Abkopplung von China schadet US-Wissenschaft. Studie zeigt Folgen. Chinesische Talente wandern in andere englischsprachige Länder ab.
Ein unsichtbarer Graben hat sich in den vergangenen Jahren durch die Welt der Wissenschaft gezogen – mit weitreichenden Folgen für die internationale Forschung, vorrangig zwischen den USA und China. Wird Europa in den Konflikt hineingezogen, könnte das schwere Folgen für Innovationen, Forschung und Wirtschaft haben.
Eine Studie der US-amerikanischen Denkfabrik National Bureau of Economic Research untersucht die Auswirkungen der zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China auf drei zentrale Aspekte der Wissenschaft: die Mobilität von Nachwuchswissenschaftlern, die Nutzung wissenschaftlicher Arbeiten zwischen den Ländern und die Produktivität von Forschern in beiden Ländern.
Mobilität begehrter Forscher
Die staatliche chinesische Wissenschaftszeitung Science Technology and Daily berichtete am Dienstag über die Studie und verwies auf Initiativen der USA, Chinas Zugang zu Schlüsseltechnologien – insbesondere mit militärischem Potenzial – zu beschränken.
Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hatte diese Strategie im Oktober 2022 als ein Konzept beschrieben, bei dem "Schlüsseltechnologien eingezäunt werden müssen – und der Zaun muss hoch sein".
Die Studie des US-Thinktanks stellt jedoch fest, dass als Folge dieser Abschottungspolitik die Wahrscheinlichkeit, dass chinesische Doktoranden an einem US-Doktorandenprogramm teilnehmen, zwischen 2016 und 2019 um 16 Prozent gesunken ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass diejenigen, die dennoch in die USA gingen, nach ihrem Abschluss dort blieben, sank um vier Prozent.
Stattdessen zog es sie vermehrt in andere englischsprachige Länder. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die USA an Attraktivität für junge Talente verlieren, während andere englischsprachige Länder davon profitieren könnten.
**Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse
Die Studie zeigt auch, dass chinesische Wissenschaftler signifikant weniger US-Forschungsarbeiten zitieren, während sich das Zitierverhalten von US-Forschern gegenüber chinesischen Arbeiten nicht in ähnlicher Weise verändert hat. Dies lässt vermuten, dass der Wissensfluss vorwiegend von den USA nach China beeinträchtigt wurde. Ökonomische Konsequenzen seien bislang nicht erkennbar, schreiben die Autoren:
Die Bemühungen der USA und Chinas, ihre Innovationsfähigkeit durch Exportkontrollen und die Konzentration auf einheimische Technologien zu verbessern, könnten auch zu einer Kombination aus geringerer Produktivität der eigenen Forscher, geringerer Nutzung von Pionierwissen und dem Verlust von Toptalenten führen.
Produktivität im Fokus
Während sich keine klaren "Gewinner" oder "Verlierer" ausmachen lassen, zeigt die Studie, dass ethnisch chinesische Forscher*innen in den USA einen Produktivitätsrückgang von zwei bis sechs Prozent verzeichneten. Im Gegensatz dazu scheinen chinesische Forscher*innen, die sich auf US-Wissenschaft stützen, keinen signifikanten Rückgang ihrer wissenschaftlichen Produktion zu erfahren – mit Ausnahme von Biologen.
Eine Erklärung für die überproportional negativen Auswirkungen auf in China ansässige Biologen könnten die Untersuchungen des US National Institutes of Health (NIH) gegen Biologen sein, die Beziehungen zu China unterhalten. Die NIH-Kampagne riet von jeglicher Zusammenarbeit zwischen in den USA und in China ansässigen Forschern und Institutionen ab, was sowohl den Wissensfluss reduziert als auch zu einem Produktivitätsrückgang bei in China ansässigen Forschern geführt haben könnte, die sich zuvor auf diesen Fluss und diese Beziehungen verlassen hatten.
Folgen für die USA – und Deutschland?
Das US-China Science and Technology Cooperation Agreement, das seit 1979 besteht und im Februar um sechs Monate verlängert wurde, sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Eine weitere Verschlechterung der Beziehungen könnte dazu führen, dass junge chinesische Talente in die USA abwandern, der Zugang zu Pionierwissen in China eingeschränkt wird und die wissenschaftliche Produktivität sinkt.
Auch im Fall der deutsch-chinesischen Kooperation hat sich die Beziehung gewandelt: China, das zunehmend als systemischer Rivale und Wettbewerber wahrgenommen wird, investiert massiv in Forschung und Innovation, um sich als führende Wissenschafts- und Innovationsnation sowie als militärische Supermacht zu etablieren.
Seit 2019 ist China der weltweit zweitgrößte Investor in Forschung und Entwicklung, mit Ausgaben von über 514 Milliarden US-Dollar, was etwa 2,23 Prozent des BIP entspricht. Diese Entwicklung stellt auch die deutsche Wissenschaft vor Herausforderungen.
Im Jahr 2022 gab es in Deutschland über 40.000 chinesische Studierende, was China zum größten Herkunftsland internationaler Studierender in Deutschland machte (DAAD). Gleichzeitig gibt es rund 1.200 Kooperationen zwischen deutschen und chinesischen Hochschulen, die sich von gemeinsamen Forschungsprojekten bis zu Austauschprogrammen erstrecken.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) prüft daher, in welchen Bereichen eine Zusammenarbeit mit China noch sinnvoll ist und setzt klare Grenzen in sensiblen Bereichen wie der Künstlichen Intelligenz und Dual-Use-Technologien.
Gleichzeitig betont das BMBF die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit und fördert den Ausbau unabhängiger China-Kompetenz in Deutschland. So wurden seit 2018 über 50 Projekte zur Stärkung der China-Kompetenz in Deutschland initiiert.