Polnische Antikriegskampagne von rechts

"Deutschland weit gefährlicher als Russland" – der ehemalige außenpolitische Berater des früheren Staatspräsidenten Lech Kaczynski warnt vor einer Amerikanisierung und Ukrainisierung Polens.

"Das ist nicht unser Krieg", diese Worte prangen augenscheinlich auf großen Billboards. Zu sehen sind die Beine eines Soldaten, der von der ukrainischen Fahne zur russischen Fahne läuft, ein Unterschenkel ist durch eine Prothese ersetzt.

In Polen hat eine Kampagne begonnen, die in vieler Hinsicht bemerkenswert scheint. Hinter ihr steht die Anfang Februar gegründete "Polnische Antikriegsbewegung", mit einer Internetseite und Mitgliedern aus dem Milieu des rechten Parteienbündnisses "Konföderation", wo es viele antiukrainische und etwas weniger prorussische Vertreter gibt.

Unklar ist, ob die Plakate wirklich auf Billboards zu sehen sind, oder ob dies manipulierte Fotos sind.

Multi-Aktivist mit Verdienstorden

Der Kopf der Kampagne, der Multi-Aktivist Leszek Sykulski, pflegte lange gute Kontakte zur nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die von 2005 bis 2007 und erneut seit 2015 regiert. Die polnische Regierung unter Mateusz Morawiecki setzt sich vehement für mehr westliche Waffenlieferungen in die Ukraine ein und gilt als einer der engagiertesten Anwälte der Ukraine.

Sykulski, Jahrgang 1981, war etwa als außenpolitischer Berater von Staatspräsident Lech Kaczynski beschäftigt, dem Bruder von PiS-Gründer und Chef Jaroslaw Kaczynski, der 2010 beim Flugzeug-Unglück nahe Smolensk verstarb. Zudem wirkte der Politologe 2005 und 2006 an der Untersuchung und Auflösung des Militär-Geheimdiensts WSI mit, dem neben Korruption auch Kontakte nach Russland vorgeworfen wurden.

Leiter der Kommission, die sich mit dem Geheimdienst befasste, war Antoni Macierewicz, der später als Verteidigungsminister von 2015 bis 2018 die polnischen Streitkräfte mit umstrittenen Methoden umkrempelte (vgl. Sicherheitspolitik: Polen und das Misiewicz-Problem).

Noch im Jahre 2021 verlieh Staatspräsident Andrzej Duda Sykulski einen Verdienstorden. Mittels Radio Maryja, dem Medienimperium des Geistlichen Tadeusz Rydzyk, der die PiS unterstützt, kann Sykulski weiterhin als außenpolitischer Experte ein größeres Publikum erreichen.

"Aggressive Thesen"

Nun erklärte Stanislaw Zaryn, Sprecher des polnischen Ministeriums für Geheimdienstkoordination, vergangene Woche in einem Interview, dass Sykulski "Thesen verbreitet, die identisch mit russischer Propaganda sind". Dabei würden seine Inhalte immer "aggressiver und beunruhigender".

Im Internet veröffentlicht der ehemalige Leiter einer Gesellschaft für Geopolitik auch Slogans, die vor einer Amerikanisierung wie Ukrainisierung Polens warnen, auch suggeriert er, dass bald polnische Kinder in den Krieg ziehen müssten. Polen solle zum Dialog mit Russland zurückkommen; Deutschland sei weit gefährlicher und nicht an einem unabhängigen Polen interessiert.

Dabei veröffentlichte er noch 2019 ein Werk, das vor Russlands aggressiver Geopolitik und Desinformationskampagnen warnte.

Kampagne könnte auf fruchtbaren Boden fallen

Seine jetzigen Aussagen sind ganz klar den Nationaldemokraten zuzuordnen, den Anhänger Roman Dmowskis (1864 – 1939), der Deutschland als gefährlicheren Nachbarn als Russland, beziehungsweise die Sowjetunion, ansah und eine härtere Politik gegenüber den ethnischen Minderheiten, wie etwa gegen die Ukrainer, im Zwischenkriegspolen propagierte.

Die Ideen des Politikers leben unter den Parteien der rechten Konföderation fort. Auf der linken Seite gibt es derzeit keine prorussische Partei in Polen. Die 2015 gegründete Zmiana (Wandel) hat sich aufgelöst.

Doch die aktuelle Kampagne der "Polnischen Antikriegsbewegung" könnte auf fruchtbaren Boden fallen. Denn in Polen, wo im vergangenen Frühjahr die ukrainischen Frauen und ihre Kinder mit großer Solidarität empfangen wurden, macht sich eine gewisse Verdrossenheit breit.

Bereits 40 Prozent einer aktuellen Umfrage beklagen "eine Ukrainisierung Polens, welche Kultur und Gesellschaft zerstört". Aufgrund der Belastung durch die Inflation, die aktuell bei 17 Prozent liegt, glauben mittlerweile 62 Prozent der Polen, dass ihr Land es sich nicht leisten könne, der Ukraine und den Ukrainern zu helfen.

Die Befragung setzte das Warsaw Enterprise Institute um, das keinesfalls Sympathien für Russland hegt, sondern mit dem libertär-konservativen US-Thinktank Atlas-Network verbunden ist. Die Institution geht auch davon aus, dass der Stimmungswandel teilweise russischer Propaganda geschuldet sei, die vor allem jüngere Polen via soziale Medien erreiche.

Allerdings wird vonseiten des Instituts nicht auf konkrete Quellen hingewiesen.

Stanislaw Zaryn warnte kürzlich in einem Radio-Interview, dass Polen derzeit, "wie in anderen Staaten Europas", mit unterschiedlichen Desinformationskampagnen aus Russland konfrontiert würde. Dies geschehe mittels gefälschten Briefen und Mails von Behörden und Ministerien, Flugblättern und Plakaten. Die 2016 in Belarus gegründete Hackergruppe Ghostwriter soll sich nach Angaben des polnischen Geheimdienst-Sprechers auf Polen fokussieren.

In Polen, ein Land mit rund 40 Millionen Einwohnern, befinden sich etwa 3,5 Millionen Ukrainer, wovon ein Teil mit den Polen auf dem Arbeitsmarkt konkurriert. Nicht allein im Billigsektor, sondern auch bei besser bezahlten Jobs.

Als nicht aufgearbeitetes Problem zwischen beiden Ländern gilt der Massenmord ukrainischer Nationalisten der UPA an Polen in der Westukraine (Massaker in Wolhynien) in den Jahren 1943 bis 1945.

Die polnische Partisanenorganisation "Heimatarmee" schlug zurück. Im Jahr 1947 wurden Ukrainer aus dem Südosten der neu entstandenen Volksrepublik Polen enteignet und in die ehemaligen deutschen Ostgebiete zwangsumgesiedelt.