Portugal erhält Linksregierung

Der konservative Präsident stellt Forderungen angesichts seines "Alptraums"

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Joao Andrade hatte es am frühen Dienstag angekündigt, während er an der Theke einer Bar im Zentrum Lissabons seinen "Galao" trinkt. Den Kaffee hier zu trinken, ist für den alten Kommunisten ein Ritual, auch wenn der ehemalige Hafenarbeiter sich das eigentlich angesichts der von den Konservativen gekürzten Renten nicht mehr leisten kann.

Für ihn war längst klar, was Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva am frühen Mittag bekanntgab, als er dann doch noch den Sozialisten Antonío Costa mit der Regierungsbildung beauftragte. "Glaub nicht, dass ich deshalb Freudensprünge machen werde", sagt er. Der ehemalige Hafenarbeiter Andrade weiß, dass die Politik "seiner" Linksregierung weit entfernt von der sein wird, welche sich das grün-kommunistische Bündnis CDU vorstellt. Doch er geht davon aus, dass weitere Einschnitte ins Sozialsystem, Kürzungen von Renten und Löhnen nun Einhalt geboten wird.

Kommunisten fordern "Raus aus dem Euro" und einen "neuen Escudo". Bild: R. Streck

Der Staatschef hatte seinerseits alles getan, um die Linke nicht an die Macht zu lassen. Stets hatte Silva erklärt, alles zu tun, was in seiner "verfassungsrechtlichen Macht" stehe, um eine Linksregierung" zu verhindern, weil sie ein "falsches Signal" an Investoren und Märkte sende. Deshalb hatte er seinen konservativen Parteifreund und bisherigen Regierungschef mit der Regierungsbildung beauftragt, obwohl der keine Chance auf eine Mehrheit hatte. Die Linke gefährde die Genesung des Krisenlands nach den "schweren Opfern" im Rahmen der Milliardenhilfen aus dem europäischen Rettungsfonds (Entscheidende Tage in Portugal).

Am Montag hatte sich der Staatschef erneut mit Costa getroffen. Es war die 31. Beratung des Präsidenten mit Führern von Parteien, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden. Und es war das vorletzte Treffen vor dem entscheidenden, als er am Dienstag Costa erneut einbestellte und ihn mit der Regierungsbildung betraut hat. Noch bei der Zusammenkunft am Montag präsentierte Silva dem Sozialisten einen Forderungskatalog. Er sollte zunächst beweisen, dass er fähig sei, mit den Kommunisten und dem marxistischen Linksblock (BE) zu regieren und dafür eine Vertrauensfrage überstehen, um eine "dauerhafte Minderheitsregierung" für die Legislaturperiode zu sichern, die vom eigentlichen Wahlsieger BE und den Kommunisten gestützt wird (Portugal wählt Austerität ab).

Costa sollte "formal" Fragen klären, die im Abkommen seiner Sozialisten (PS) mit den beiden radikalen Linksparteien angeblich ausgeblendet geblieben seien, war die zweite von sechs Forderungen. Damit bezieht er sich vor allem auf Forderungen der Kommunisten. Denn auch im anlaufenden Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im Januar fordern sie auf großen Plakaten: "Raus aus dem Euro" und einen "neuen Escudo". Und sie wollen auch der Nato den Rücken kehren. Abgeneigt gegenüber diesen Forderungen ist auch der Linksblock nicht.

Da die beiden radikalen Linksparteien den Austeritätskurs vollständig beenden wollen, versuchte Silva schließlich Costa auf diesen Kurs einschwören. Er fordert die Verabschiedung des Haushalts 2016, der die "Haushaltsdisziplin" und die Defizitregeln respektiert, die mit der EU-Kommission vereinbart wurden. Und nach dem Treffen mit Silva antwortete der Sozialistenchef mit einem Brief dem Staatschef und machte damit die Ernennung zum Regierungschef frei.

Denn weil die Macht des Staatschefs ein Verfallsdatum hat, blieb ihm praktisch keine andere Möglichkeit mehr, als Costa letztendlich mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Silva ist nur noch bis Januar im Amt und kann deshalb das nicht mehr tun, was er am Liebsten getan hätte: Neuwahlen ansetzen. Doch das verbietet die Verfassung einem scheidenden Präsidenten.

Eine Übergangsregierung, die keine Mehrheit bis zu möglichen Neuwahlen im Juni hätte, würde das Land in eine lange instabile Lage bringen, deshalb wurde sein "Alptraum" wahr, das Land in die Hände der Linken zu geben, stellt auch die große Zeitung Público in einem Editorial am Dienstag fest.

Ohnehin hatte der Sozialistenchef in seinem Brief Silva auf das Regierungsprogramm hingewiesen, auf das er sich längst mit den beiden Linksparteien geeinigt hatte. Er macht erneut klar, dass er damit eine "stabile, dauerhafte und glaubhafte" Regierung bilden kann, die den Segen der Mehrheit im Lande hat. Und darin hatte er auch schon seinen Respekt vor internationalen Vereinbarungen bekundet.

Der Hafenarbeiter Andrade hofft aber, dass mit einer veränderten Steuerpolitik, wie sie im Programm der Linksparteien vorgesehen ist, die Akzente verschoben und geplante Einnahmen gesichert werden können, um die Ziele einzuhalten. Er geht auch davon aus, dass mit der Anhebung des Mindestlohns und mit Steuersenkungen die Wirtschaft angekurbelt wird und Steuern wieder stärker in die Staatskasse fließen.

"Ohnehin hat auch die konservative Regierung mehrfach gegen die Defizitziele verstoßen", sagt er. Doch mit Blick auf Griechenland ist er sich bewusst, dass Brüssel der Linken das nicht durchgehen lassen wird. Es werde nun ein "kalter Nordwind" vorherrschen, sagt er und verweist auf das Thermometer der Apotheke gegenüber, das zwei Grad Celsius anzeigt.