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Preiskrieg mit China: Verliert Europa auch bei E-Auto-Batterien den Anschluss?

Lithiumbatterie und Stromleitungen in Elektrofahrzeug

Lithiumbatterie und Stromleitungen in Elektrofahrzeug. Bild: Shutterstock.com

China wie Nordamerika drohen Deutschland, Frankreich und Co. abzuhängen. Das liegt an industrieller Planlosigkeit, und ist nicht nur ökonomisch schädlich.

Wie schon bei der Solar, Elektro- und Chipindustrie droht Europa auch bei der Produktion von Batterien für Elektroautos ins Abseits zu geraten. Der Druck kommt dabei von Ost wie von West.

So senken chinesische Unternehmen, die Batterien herstellen, die Kosten weiter [1]. In den USA lockt derweil der Staat unbürokratisch mit lukrativen Subventionen.

Bei Batterieproduktion auf die Bremse treten

Währenddessen fahren europäische Autokonzerne wie Volkswagen, Stellantis (mit Sitz in den Niederlanden, ging aus der Fusion aus Fiat Chrysler und PSA Group hervor) und Mercedes-Benz ihre Batterieprojekte zurück. Demnach sieht es danach aus, dass VW mit seinen Batteriefabriken, von denen eine in Salzgitter im nächsten Jahr mit der Produktion starten soll, auf absehbare Zeit nicht volle Kapazität erreichen wird [2], wie es vom Konzern heißt.

Der VW-Plan für die Batteriesparte PowerCo umfasst 20 Milliarden Euro, drei Standorte (Salzgitter, Spanien und Kanada) und soll bis 2030 eigentlich Batterietechnik für rund drei Millionen E-Autos liefern, was insgesamt 20.000 Arbeitsplätze schaffen würde.

Auch bei Stellantis und Mercedes-Benz (sie kooperieren bei Batterien in der Automotive Cells Company, ACC) tritt man auf die Bremse [3] und hat die Arbeiten an zwei Batteriefabriken für Elektrofahrzeuge in Kaiserslautern und Italien auf Eis gelegt.

Zusammen mit einer weiteren Produktionsstätte in Frankreich umfasst das Gesamtinvestment von ACC sieben Milliarden Euro. Jetzt will man angesichts der nachlassenden Nachfrage nach E-Autos erst einmal nach einem Weg suchen, um kostengünstigere Batteriezellen herstellen zu können.

Ist Northvolt in Schleswig-Holstein ein "Gamechanger"?

Auch andere Batterie-Hersteller haben Schwierigkeiten, in Europa Fuß zu fassen. Für Northvolt, dem größten und vielversprechendsten Produzenten des Kontinents, gab es jüngst schlechte Nachrichten. BMW hat einen Zwei-Milliarden-Euro-Auftrag wegen Qualitätsproblemen storniert [4]. Es hat zudem bei Northvolt Verzögerungen beim Hochfahren der Produktion gegeben.

Dabei wurde vor drei Monaten feierlich in Schleswig-Holstein der erste Spatenstich [5] für eine Northvolt-Gigafabrik gesetzt: 4,5 Milliarden Euro Investitionen (inklusive 900.000 Euro an Subventionen von Bund und Land), eine Kapazität von 60 Gigawattstunden, was ausreicht, um eine Million E-Autos mit Batterien auszustatten, 3.000 neue Jobs. Der größte Anteilseigner des schwedischen Herstellers ist VW, aber auch BMW und Siemens sind an dem Unternehmen beteiligt.

Ob die Fertigungsstätte jedoch, wie mit Blick auf die Region bezeichnet, ein "Gamechanger" auch für die europäische Batterieproduktion darstellt, ist eher fraglich. Denn Europa hat mit diversen Problemen zu kämpfen, die hausgemacht sind.

Einerseits hat China den Kontinent längst mit deutlich billigeren Batterien überholt (sie sind mehr als 40 Prozent billiger [6] als der globale Durchschnitt), da Europa weiter auf Verbrennungsmotoren setzte und den technischen Anschluss verlor.

China auf der Überholspur

Das Land kontrolliert heute mehr als 80 Prozent [7] des weltweiten Markts. Und man setzt weiter auf technologische Innovation [8], indem man umweltfreundliche Speicher entwickelt, die hohe Reichweiten mit mehr als 1.000 Kilometer haben.

Dabei konnte zudem die Qualität von den sehr günstigen Speicherzellen, die ohne Kobalt oder Nickel arbeiten, stark verbessert werden. Das hat auch ACC zum Nachdenken gebracht, ob man nicht auf Lithium-Eisenphosphat umschwenken sollte.

Andererseits sind die USA und Kanada im Vorteil gegenüber Europa, weil dort leicht zugängliche Subventionen und Steuererleichterungen Batterieproduzenten an sich ziehen. Auch Northvolt oder das norwegische Unternehmen Freyr Battery sind von den günstigen Umständen [9] des Inflation Reduction Act der Biden-Regierungen in den Vereinigten Staaten bereits angelockt worden.

Es fehlt in Europa auch an Geld

2019 hatten Deutschland und Frankreich angekündigt [10], mit vielen Milliarden die Batterieherstellung in Europa nach vorn zu bringen. Davon ist heute jedoch nicht viel zu sehen.

Weniger als sieben Milliarden Euro haben die EU und Großbritannien seit Anfang 2022 für Hilfen im Batteriesektor bewilligt [11]. Nach Bloomberg stellt das nur einen winzigen Bruchteil der benötigten Summe dar, die geschätzt bei 140 Milliarden Dollar liegt, um das Ziel von 1,4 Terawattstunden Batterieproduktionskapazität bis 2030 zu erreichen.

Dagegen würden die USA bis 2029 Steuergutschriften in Höhe von schätzungsweise 160 Milliarden Dollar für Solar- und Batteriezellen ausgeben. Kanada habe im vergangenen Jahr 25 Milliarden Dollar für Batterieanreize bereitgestellt und damit Investitionen von Unternehmen wie Volkswagen und Stellantis angelockt. Tom Einar Jensen, Mitbegründer von Freyr Battery warnt davor [12], in die nächste Energiefalle zu laufen:

Europa muss wirklich aufwachen und eine vernünftige Antwort geben. Wenn Europa von der Abhängigkeit von russischem Gas zu einer Abhängigkeit von ausschließlich aus China importierten Batterien übergehen will, wäre das eine Diskussion, die gegenwärtig stärker geführt werden sollte.

Grundproblem: Das ausgebremste E-Auto-Wachstum

Nach einer Kehrtwende sieht es in Europa aber nicht aus. Selbst das chinesische Unternehmen Svolt hat vor Kurzem erklärt [13], man werden doch nicht den Bau der geplanten Batteriefabriken in Brandenburg und im Saarland weiterverfolgen, weil die Umstände nicht mehr stimmten und ein Großauftrag von BMW platzte.

Wenn sich die Rahmenbedingungen in Europa in den nächsten Jahren, auch politisch, nicht ändern, wird es für den Kontinent schwer werden, bei der Batterietechnik aufzuschließen. Denn es geht ja nicht nur um die Produktion, sondern auch um industrielle Lieferketten, um Bergbau und die Verarbeitung der Mineralstoffe, bei denen China deutlich in der Vorderhand ist [14].

Das Grundproblem hinter der Batterieschwäche ist jedoch die Schwäche auf dem Elektroauto-Markt in Europa [15], was auch den weltweiten Markt nach unten drückt und zu den chinesischen Überkapazitäten bei der Batterieproduktion führt. Nach einem leichten Aufschwung ist der Verkauf und die Produktion von E-Autos nämlich in den letzten Monaten wieder deutlich zurückgegangen, anstatt, wie nötig, zu wachsen.

Im März dieses Jahres gingen die Verkäufe in Europa gegenüber dem Vorjahr um elf Prozent zurück. Deutschland, Schweden und Italien verzeichneten E-Auto-Rückgänge von rund 30 Prozent.

Hemmnisse und Protektionismus

Der Einbruch hat damit zu tun, dass die Kaufanreize ausgesetzt bzw. abgeschwächt wurden. Nachdem etwa die deutsche Regierung den populären Umweltbonus für E-Autos Ende letzten Jahres eingestellt hatte, halbierte sich der Verkauf.

In Schweden, wo im letzten Jahr 39 Prozent der neu erworbenen Pkw elektrische Modelle waren, wurden ebenfalls staatliche Unterstützungen eingestampft, während man die Steuern auf Benzin absenkte, was Verbrennerautos im Vergleich billiger machte.

Dazu kommt, dass die E-Autos in Europa weiter sehr hochpreisig sind, die Ladeinfrastruktur lückenhaft ist und der Ausbau, wegen Bürokratie und diverser Hemmnisse, nur schleppend vorangeht [16], was viele Autokäufer davon abhält, auf Elektro umzusteigen. Auch hier fehlt der klare politische Wille und Plan, die Missstände zu überwinden, um den Markt und die Elektro-Industrialisierung im Individualverkehr voranzutreiben.

Stattdessen setzt man auf Protektionismus. So kündigte die EU-Kommission jetzt an, dass ab dem 4. Juli neue Zölle [17] zwischen 17,4 und 38,1 Prozent auf chinesische E-Fahrzeuge, die preisgünstiger sind als die europäischen Modelle, erhoben werden, falls Beijing keine "Lösung" für die Subventionen anbietet, die nach Ansicht der EU den Markt verzerren.

Wenn selbst die Autoindustrie warnt

Dagegen haben sogar Stimmen aus der deutschen Autoindustrie und Autoexperten gewarnt [18], da deutsche Konzerne sowohl in China produzieren und nach dort verkaufen. Beijing hat bereits mit Gegenmaßnahmen gedroht. Darunter würden vor allem deutsche Verbraucher leiden, worauf Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer hinweist [19].

Anstatt in der EU die Hilfen für E-Autos hochzufahren, geht man also die Gefahr eines Handelskriegs mit China ein.

Damit könnte zugleich das offizielle EU-Klimaziel unerreichbar werden, bis 2035 in der Union keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. Denn ohne die chinesische Elektro-Auto-Industrie und die Batterien von dort sei diese Marke nicht einhaltbar, sagen [20] Analysten wie Rene Toender, ein unabhängiger Strategie-Berater der Automobilindustrie in Skandinavien.

Die globale Expansion der chinesischen Elektroautoindustrie in naher Zukunft könnte also davon abhängen, wie der Westen seine Klimaziele gegen die Minimierung seiner Elektroautoimporte aus China abwägt.

Die Politisierung der Elektro-Wende

Gleichzeitig machen Autohersteller in Europa Lobbyarbeit [21], um die EU-Deadline aufzuweichen, während die Verunsicherung der Käufer mit falschen politischen Maßnahmen und widersprüchlichen Signalen vergrößert wird.

Die europäischen Verbraucher haben daher zunehmend das Gefühl, mit den Kosten für die notwendige und politisch festgeschriebene Wende allein gelassen zu werden. Das hat dann dazu geführt, dass der Wechsel von Verbrenner-Autos zu E-Autos politisiert werden konnte und zu einem sozialen Kampf um leistbare Mobilität transformiert wurde.

Es hat in Frankreich beispielsweise die Gelbwesten-Bewegung initiiert, wobei der direkte Auslöser eine Anhebung der Steuern auf Benzin gewesen ist, und in Deutschland die rechtsextreme AfD auf den Plan gebracht, die gegen den Wechsel auf E-Mobilität Stimmung macht. Alexandre Marian von der Beratungsfirma AlixPartners stellt fest [22]:

Die Verbraucher in Europa sind derzeit auf verlorenem Posten, da die Regierungen die Regeln für die Förderung von E-Fahrzeugen zu oft ändern. Was wir dringend brauchen, ist eine gewisse Kontinuität bei den Regeln bis 2035.

Elektro-Wende meets Klimaschutz

Die Planlosigkeit beim Umstieg ist umso schädlicher, da das Enddatum für die Produktion für Verbrennerautos an sich schon zu spät gesetzt ist. Denn Klimawissenschaftler verweisen darauf [23], dass die reichen Industriestaaten für die Obergrenze von 1,5 bis zwei Grad Celsius Maximalerhitzung der Erde, wie im Pariser Vertrag von den Staaten festgelegt, bereits zwischen 2030 bis 2035 auf null Treibhausgase kommen müssten.

Wenn aber noch bis 2035 Autos mit Verbrennungsmotoren hergestellt werden, fahren sie nach der durchschnittlichen Nutzungsdauer [24] eines Pkw dann noch zwölf Jahre lang auf europäischen Straßen. Da sollte die Dekarbonisierung aber schon längst abgeschlossen sein, um die Schäden der Erderhitzung einigermaßen zu begrenzen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9773085

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-06-21/china-s-ev-makers-got-231-billion-in-aid-over-last-15-years?sref=rChPnUxs
[2] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-05-23/vw-weighs-slow-walking-battery-production-ramp-up-on-ev-downturn
[3] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-06-04/mercedes-stellantis-pause-battery-plans-to-weigh-low-cost-cells
[4] https://www.bloomberg.com/news/terminal/SFD4YFDWX2PS
[5] https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/northvolt-batterie-fabrik-e-auto-deutschland-spatenstich-100.html
[6] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-06-21/china-s-ev-makers-got-231-billion-in-aid-over-last-15-years?sref=rChPnUxs
[7] https://www.bloomberg.com/graphics/2023-breaking-china-ev-supply-chain-dominance/?embedded-checkout=true
[8] https://www.reuters.com/business/autos-transportation/chinese-ev-battery-maker-catl-unveils-lfp-battery-with-1000-km-range-2024-04-25/
[9] https://pv-magazine-usa.com/2024/03/08/charged-by-the-ira-u-s-expected-to-outpace-europe-in-lithium-ion-battery-cells/
[10] https://www.bem-ev.de/europa-startet-aufholjagd-bei-eauto-batterien-eu-kommission-genehmigt-milliarden-beihilfen/
[11] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-06-21/china-s-ev-makers-got-231-billion-in-aid-over-last-15-years?sref=rChPnUxs
[12] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-06-21/china-s-ev-makers-got-231-billion-in-aid-over-last-15-years?sref=rChPnUxs
[13] https://www.telepolis.de/features/Batteriehersteller-Svolt-zieht-Zusagen-fuer-Fabriken-in-Deutschland-zurueck-9738219.html
[14] https://www.bloomberg.com/graphics/2023-breaking-china-ev-supply-chain-dominance/
[15] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-04-19/the-ev-bust-in-europe-is-a-red-flag-for-region-s-climate-goals
[16] https://www.stern.de/wirtschaft/e-auto-absatzeinbruch--deutschlands-ladenetz-hemmt-den-verkauf-34614850.html
[17] https://www.telepolis.de/features/Zauder-Zoelle-der-EU-So-wird-der-E-Auto-Boom-aus-China-nicht-gestoppt-9763447.html
[18] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.eu-strafzoelle-gegen-china-deutschlands-autobauer-warnen-vor-einem-handelskrieg.9691187e-a778-4631-8938-0a95a8036d04.html
[19] https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/habeck-in-china-auto-experten-fordern-dass-er-die-schrecklichen-eu-zoelle-auf-elektroautos-stoppt-li.2226959
[20] https://www.aljazeera.com/economy/2024/6/14/for-chinas-booming-ev-industry-us-and-eu-markets-a-tough-nut-to-crack
[21] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-03-12/porsche-is-flexible-should-eu-delay-combustion-engine-ban
[22] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-04-19/the-ev-bust-in-europe-is-a-red-flag-for-region-s-climate-goals
[23] https://climateuncensored.com/how-alive-is-1-5part-one-a-small-budget-shrinking-fast/
[24] https://www.instamotion.com/blog/nutzungsdauer-pkw