Privatsphäre ade? CDU drängt auf mehr Überwachungsbefugnisse
Ein neuer Vorstoß der CDU fordert Gesichtserkennung und Vorratsdatenspeicherung. Was viele nicht wissen: Die Pläne könnten schneller Realität werden als gedacht.
Aktuell hat der Vorschlag aus den Reihen der CDU, den Polizeibehörden größere Freiheiten bei der Überwachung der Bevölkerung einzuräumen und auch die automatisierte Gesichtserkennung einzusetzen, keine Mehrheit bekommen, doch das kann sich ändern.
Nach den nächsten Wahlen könnten die Mehrheitsverhältnisse einen Schritt hin zu mehr Überwachung ermöglichen. Dies betrifft zum einen die virtuelle Welt des Internets, für welche die Abgeordneten von CDU und CSU in einem nun blockierten Entschließungsantrag die Einführung einer dreimonatigen Vorratsdatenspeicherung forderten.
Zudem wollte man die polizeilichen "Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung, auch zum Videoschutz in Echtzeit an besonders kriminalitätsbelasteten Orten wie Bahnhöfen und Flughäfen" erweitern.
Dann könnte sehr schnell auch eine Klarnamenpflicht wieder auf der Agenda stehen und dank KI lassen sich personenbezogene Daten heute problemlos und in viel größerem Umfang verknüpfen, als sich das die meisten hierzulande vorstellen können.
Da die staatlichen Überwachungsbehörden mit der Datenflut wohl ebenso überfordert sind wie im Vereinigten Königreich, ist davon auszugehen, dass die Datenauswertung auch in Deutschland auf private Anbieter ausgelagert wird, die schneller zu den gewünschten Ergebnissen kommen.
Wichtiger als die Strafverfolgung im öffentlichen Raum wird in absehbarer Zeit die Prävention für immer mehr weitgehend anonyme Ballungsräume. Hier bietet die KI noch weitgehend ungeahnte Möglichkeiten, durch die automatisierte Analyse von Bewegungsmustern Gefahren zu erkennen und Belege zu sichern. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Videobeweise nicht mit Hilfe generativer KI produziert werden.
Bislang ist die Nutzung von Gesichtserkennungssoftware im öffentlichen Raum aufgrund eines Entschlusses des EU-Parlaments innerhalb der EU verboten. Da sich der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz inzwischen mit großer Unterstützung aus der Bevölkerung gegen EU-Vorschriften zur Wehr setzen will, wenn es nach seiner Ansicht der Sicherheit in Deutschland dient, ist absehbar, dass das Verbot der automatisierten Gesichtserkennung in Deutschland auf wackeligen Füßen steht.
London als Mekka der Videoüberwachung
In Deutschland wird häufig die chinesische Hauptstadt Beijing als warnendes Beispiel für die Videoüberwachung einer Stadt betrachtet, dabei ist die Hauptstadt Großbritanniens hier in einer weltweiten Führungsposition. Lediglich die chinesische Stadt Taiyuan, Partnerstadt der europäischen "Kulturhauptstadt 2025" Chemnitz, ist mit gut doppelt so vielen Kameras je 10.000 Einwohner noch dichter mit Überwachungskameras ausgestattet.
Für London bietet sich mit dem Brexit inzwischen hinsichtlich einer automatisierten Gesichtserkennung der Vorteil, dass Beschlüsse des EU-Parlaments keine Gültigkeit mehr haben und damit der Einsatz moderner Überwachungstechnik nicht ausgeschlossen ist. Daher ist die Videoüberwachung der Bevölkerung in London so lückenlos wie in kaum einer anderen westlichen Stadt. Hier setzt die Polizei längst automatische Gesichtserkennung bei der Verbrecherjagd ein.
Was der Polizei bislang bisher nicht möglich ist, kann von privaten Dienstleistern angeboten werden, die teilweise auf ehemalige Polizisten zurückgehen, die sowohl über neueste Technik als auch direkte Kontakte zur Polizei auf dem kleinen Dienstweg verfügen.
Das legale Eindringen in die Privatsphäre anderer Menschen gehört zum immer erfolgreicheren Überwachungs-Geschäft. In zehn Jahren erwartet man für diesen Bereich einen Umsatz von mehr als 45 Milliarden US-Dollar.
Smarte und intelligente Überwachung, günstig, automatisiert und sicher, lauten die Versprechen der Industrie. Neben dem bei der Videoüberwachung weltweit führenden Hersteller Hikvision verdienen auch der US-Mischkonzern Honeywell und Bosch Energy and Building Solutions in dem wachsenden Markt.
Privatisierung der Überwachung des öffentlichen Raums in Deutschland
Die bestehenden polizeilichen Strukturen wären schon mit einer möglichen Umsetzung des von Kanzlerkandidat Merz eingebrachten Zustrombegrenzungsgesetzes maßlos überfordert gewesen, wie aus der Aussage von Andreas Roßkopf der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei hervorgeht:
Wenn wir zusätzlich die Haft und Gewahrsam von aufgegriffenen Personen ohne gültige Dokumente beantragen sollen, würden wir als Bundespolizei an unsere Grenzen kommen.
Hilfestellung aus dem privatwirtschaftlichen Bereich könnte hier für eine Entlastung der Behörden sorgen. Hier bieten sich auch zahlreiche zusätzliche Datenquellen an, die Aussagen über Bewegungsmuster anhand von Smartphone-Tracking, Abfrageverhalten zu kritischen Themen im Netz und besuchte Webseiten im Allgemeinen zu einem umfangreichen Persönlichkeitsprofil verknüpfen lassen.
Möglicherweise wirkt die damit mögliche flächendeckende Kontrolle der Bevölkerung wirklich präventiv. Maßnahmenbezogene Erfolgskontrollen dürften jedoch schwerfallen, weil sich eine nicht begangene Tat kaum einer bestimmten Maßnahme zuordnen lässt.
Und wenn eine weitgehend flächendeckende Überwachungsinfrastruktur in Deutschland installiert ist, lassen sich im Interesse einer florierenden Wirtschaft auch direkt daran anschließende Geschäftsfelder erschließen, die es der Industrie ermöglichen kann, ihre Mitarbeiter auch bei Freizeitkontakten zu überwachen, welche die Unternehmensziele gefährden könnten.