Proteste im Iran: Warum es um mehr als um das Kopftuch geht
Seite 3: Mehr Geld und Personal für die Sittenpolizei
- Proteste im Iran: Warum es um mehr als um das Kopftuch geht
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- Mehr Geld und Personal für die Sittenpolizei
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Die Sittenpolizei wurde mit zusätzlichem Personal und Geld ausgestattet, die Strafen für Zuwiderhandlungen wurden verschärft. Gleichzeitig blieb alles liegen, was mit dem politischen Tagesgeschäft zu tun hat und das aus ganz praktischen Gründen: Raeisi und sein Team verfügen schlicht über keine Expertise für die oft schwierigen Themen.
In einigen Regionen herrscht drastische Energieknappheit. Die Inflation ist hoch, die Lebenshaltungskosten sind es ebenfalls. Die amerikanischen Sanktionen seien schuld, antworten Raeisis Leute darauf.
Doch tatsächlich war die Krise schon da, als noch der Reformer Hassan Ruhani regierte und das Atomabkommen noch völlig intakt war: Damals waren es Privatisierungsmaßnahmen, ein Abbau von Nahrungsmittelsubventionen und Sozialleistungen, die die Krise auslösten. Raeisi, der im Wahlkampf versprochen hatte, alles besser zu machen, hat einfach nur keine Lösung dafür.
Eine Situation, die der aktuellen Lage im Land eine weitere Komponente hinzufügt: Auch in konservativen Bevölkerungsschichten, die eigentlich das Konzept der Islamischen Revolution unterstützen, ist der Unmut nun massiv. Bevor Frauen begannen, auf die Straße zu gehen, gab es bereits Proteste gegen Wassermangel, Lebenshaltungskosten, Arbeitsbedingungen. Nun kommt alles zusammen. Und schon bald könnte ein weiterer Faktor hinzukommen: der Ajatollah.
Er vereint zwar eine immense Macht auf sich, hat aber vor allem die Rolle des Identifikators und Richtungsweisenden; aus der Tagespolitik hält sich Khamenei meist heraus. Doch diese Führungsrolle füllt der 83-Jährige immer weniger aus: Bei öffentlichen Auftritten sieht man ihm das Alter immer deutlicher an; auf die Probleme der Menschen hat er keine Antworten außer den üblichen Anschuldigungen gegen Israel und die Vereinigten Staaten.
Irgendwann in den kommenden Jahren wird Khamenei entweder sterben oder abtreten müssen. Und ein klarer Nachfolger, mit dem sich alle Menschen im Land identifizieren könnten, ist weit und breit nicht in Sicht.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Revolutionsgarden, die das System mit ihren Waffen stützen, mehrfach deutlich gemacht haben, dass sie nur einen konservativen Nachfolger akzeptieren werden.
Damit würden die gesellschaftlichen Spaltungen aber nur noch weiter verstärkt. Man wird nicht auf Dauer das Internet abschalten können, und die Sanktionen und der Mangel an Reformen in Politik, Justiz und Verwaltung werden wohl ihr Übriges tun.
Dass die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats und Deutschland allesamt ein weiteres, überarbeitetes Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnen, erscheint im Angesicht der Proteste als unwahrscheinlich. Zu viele Politiker haben sich nun gegen die iranische Führung in Stellung gebracht, sich gar für einen Regime-Wechsel ausgesprochen.
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