Atomverhandlungen mit dem Iran: Die Summe aller schlechten Kompromisse

JCPOA: Das gegenseitige Misstrauen gegen eine weitere Atom-Vereinbarung ist groß; viele andere Möglichkeiten, einen nuklearen Iran zu verhindern, gibt es aber nicht.

Die Vereinbarungen sind geschlossen, der Text fertig. Schon Anfang August hatten sich die Verhandlungsteams aus dem Iran und den Vereinigten Staaten zum letzten Mal getroffen, indirekt, mit Vermittlern der Europäischen Union und teilweise auch aus Katar dazwischen, weil der "große Satan" und die "Achse des Bösen", wie die eine die andere Seite gerne nennt, in diesen Zeiten nur ungern zusammen in einem Raum gesehen werden wollen.

Die Rolle Russlands

Es soll die allerletzte Verhandlungsrunde gewesen sein, betonen fast alle Beteiligten: die Europäische Union, Katar, die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA. Nur aus Russland, dessen Regierung als eines der ständigen Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat zu den Vertragsparteien des ursprünglichen Abkommens gehörte, gibt es kein Signal, wie man zu der ganzen Sache steht. Schon bald könnte die Unterzeichnung allerdings bevorstehen, trotz allem, mit oder ohne Russland.

Die Verhandlungen über eine Neuauflage des Atomabkommens zwischen dem Iran, den ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates und Deutschland sind noch schwieriger, als sie es vor der ersten Version der Vereinbarung waren: Der Widerstand aus Israel, auf der arabischen Halbinsel ist intensiver als vor 2015; gleichzeitig hat sich die russische Regierung nun durch den Krieg gegen die Ukraine selbst zum internationalen Paria ernannt.

Es besteht die Befürchtung, dass Präsident Wladimir Putin das Abkommen dazu nutzen könnte, um Druck auf den Westen auszuüben; schon längst demonstriert er eine betonte Nähe zum iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, der vor einem Jahr als absoluter Politikneuling mit geringer Unterstützung in der Bevölkerung eine marode Wirtschaft und die enormen Probleme einer völlig desolaten Infrastruktur übernommen hat: Die Armut steigt ständig, die Inflation galoppiert. Und in vielen Regionen des Landes herrschen Wassermangel und Nahrungsmittelknappheit.

Gerne machen Raisi und sein Team dafür die Sanktionen verantwortlich, die wieder in Kraft gesetzt wurden, nachdem US-Präsident Donald Trump 2018 Atomdeal I gekündigt hatte. Doch tatsächlich sind es sehr oft die komplizierten Verwaltungsstrukturen und die verworrenen Entscheidungsprozesse, die die Probleme verursachen.

Abhilfe hofft sich der dabei sehr hilflos agierende Raisi von Putin, der sich schon drei Mal in diesem Jahr Zeit für ein Treffen nahm und dabei reichliche Investitionszusagen mitbrachte. Dabei ist die Nähe zu Putin auch im Iran umstritten.

Gas für Europa?

Gleichzeitig haben aber auch die iranischen Öl- und Gasvorkommen Begehrlichkeiten geweckt: Die Gasreserven sind nach Russland die zweitgrößten der Welt; schon im Mai gab man in Teheran bekannt, man sehr gerne dazu bereit, Gas nach Europa zu liefern, wenn denn das Atomabkommen unterzeichnet werden würde. Momentan liefert der Iran vor allem in die Türkei und in den Irak.

Während das Atomabkommen noch unterschriftsreif auf den Schreibtischen liegt, reagierten die Märkte Anfang dieser Woche bereits so, als sei die Vereinbarung schon in Kraft getreten: Der Ölpreis gab nach, wohl in der Erwartung, dass der Iran demnächst seinen Platz unter den Rohstoffanbietern einnehmen und den Energiehunger Europas etwas stillen wird.

Stand der Verhandlungen

Doch wie lang es tatsächlich noch dauern wird, ist derzeit offen. In den USA ist wie im Iran das gegenseitige Vertrauen überhaupt nicht mehr vorhanden: Lange Zeit war es vor allem Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, der immer wieder erklärte, man könne dem Iran nicht vertrauen, die Revolutionsgarden bauten trotz Abkommen weiter an der Bombe.

Im Mai verlangte die IAEA, die Jahre lang betonte hatte, man habe keinerlei Hinweise darauf, dass sich der Iran nicht ans Abkommen halte, Auskunft über Uran-Spuren, die an drei Orten gefunden worden waren, die bislang nicht als Atomanlagen deklariert worden war.

Die iranische Atomenergiebehörde schaltete daraufhin einen Teil der Kameras ab, mit denen die IAEA die Aktivitäten in den offiziell bekannten Anlagen zu überwachen versucht. Erst, so die Forderung damals, wenn man beim Abkommen weiter komme, werde man die Kameras wieder einschalten.

Losgelöst davon verhandelt man nun im Schatten des Anschlags auf den Schriftsteller Salman Rushdie, gegen den der Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini Ende der 1980er Jahre per Fatwa eine Art Todesurteil verhängt hatte, das nach Ansicht der meisten muslimischen Religionsgelehrten, aber auch nach islamischem Recht illegal ist.

Zwar bestreitet der Iran jegliche Beteiligung. Allerdings hatte Chomeinis Nachfolger Ali Chamenei auch mehrfach betont, die Fatwa gelte weiterhin. Hinzu kommt eine Welle von schweren Menschenrechtsverletzungen, die begann, nachdem Raisi im Sommer 2021 sein Amt angetreten hatte.

Die iranische Führung fordert indes Garantien dafür, dass nicht in Zukunft ein US-Präsident wieder das Abkommen aufkündigt und neue Sanktionen verhängt. Zudem will man, dass die Revolutionsgarden von amerikanischen Terrorlisten gestrichen werden.

Allerdings streute Mohammad Marandi, Sprecher des iranischen Verhandlungsteams, zuletzt Zweifel an dieser Forderung: "Ich habe in den vergangenen Monaten oft gesagt, dass die Streichung der Garden von der US-Terrorliste niemals eine Vorbedingung oder eine Schlüsselforderung war."

Iran werde einfach Centcom, das militärische Oberkommando der USA, auf der eigenen Liste von Terrororganisationen behalten.

Dass man trotz der ausgesprochen schlechten Vorzeichen weiter auf ein Abkommen hin verhandelt, liegt vor allem daran, dass es nahezu keine anderen Optionen gibt.