Putin zu Besuch in China: Stagniert das Pipeline-Projekt "Power of Siberia 2"?
Probleme bei der Pipeline "Power of Siberia 2". Streit über Preis und Geopolitik könnten das Projekt gefährden. Wird es zur Zerreißprobe für Moskau und Beijing?
Die Regierungen Russlands und Chinas werden nicht müde, das partnerschaftliche Verhältnis beider Länder zu betonen. Doch wenn es um strategische Projekte geht, achten beide Seiten sehr genau auf ihre eigenen Interessen, wie das Beispiel der Gaspipeline "Power of Siberia 2" zeigt.
Gaspipeline-Projekt "Power of Siberia 2" in Gefahr
Einem Bericht der in Hongkong ansässigen South China Morning Post (SCMP) zufolge könnte das Projekt ins Stocken geraten. Wenn der russische Präsident Wladimir Putin noch in diesem Monat nach Beijing reist, wird das Thema wahrscheinlich zur Sprache kommen.
Die Pipeline soll Russland über die Mongolei mit China verbinden. Geplant sind 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Damit würde ein erheblicher Teil des bisher nach Europa verkauften Erdgases nach Nordchina umgeleitet.
Der Westen, allen voran die USA und die Europäische Union, beäugen das Projekt mit Argwohn. Jeder Erfolg bei der Umsetzung gilt als Gradmesser für den Zustand der bilateralen Beziehungen. Zumal eine erfolgreiche Umsetzung beide Länder im globalen Kampf um Hegemonie weniger anfällig für westliche Sanktionen machen würde.
Chinas mögliche Abkehr vom Pipeline-Projekt
Während die Pipeline für Russland eine hohe Priorität hat, könnte sie für Beijing von geringerer Bedeutung sein. Dem SCMP-Bericht zufolge wird darüber spekuliert, ob China das Projekt nicht mehr benötige oder ob es Streitigkeiten über den Preis gebe.
Auch in der Mongolei, die als Transitland fungieren soll, scheint es Abneigung oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Projekt zu geben. Ein ehemaliger Beamter des Nationalen Sicherheitsrates der Mongolei sagte der Zeitung, die Diskussion über den Bau von "Power of Siberia 2" befinde sich in einem seltsamen Schwebezustand.
Annäherung der Mongolei an die USA
"Ich habe nicht bemerkt, dass sich jemand aus der mongolischen Politik in letzter Zeit zu der Pipeline geäußert hat", fügte der Beamte hinzu und verwies auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im Juni.
Der Grund für den Stillstand könnte aber darin liegen, dass sich die Mongolei zunehmend den USA annähert. Das Land wolle sich der Indopazifik-Strategie Washingtons anschließen, heißt es etwa in der Asia Times.
Moskau sei deshalb verärgert. Wohl auch deshalb wurde um den Jahreswechsel das komplette Mongolei-Team der russischen Regierung ausgetauscht.
Alternative Pipeline-Route über Kasachstan
Als alternative Route für die Pipeline wird eine Strecke über Kasachstan gehandelt. Auf dieser Strecke könnten rund 35 Milliarden Kubikmeter aus Russland nach China geliefert werden.
Ein Forscher der Shanghai Academy of Social Sciences sagte gegenüber der SCMP jedoch, dass der Fortschritt bei der Umleitung von Gas durch Kasachstan nicht so schnell sein wird, wie erwartet. "Kasachstan wird sich Sorgen über westliche Energiesanktionen gegen Russland machen", bemerkte er, "und besorgt über sekundäre Sanktionen sein."
Geopolitische Vorteile der Route über Kasachstan
Aus chinesischer Sicht hätte die Route über Kasachstan geopolitische Vorteile sowohl für Russland als auch für China. Einmal sei es eine Mahnung an die Mongolei, sich nicht zum Spielball des Westens machen zu lassen, hebt die Asia Times hervor.
Das Land wollte zuvor schon den US-Truppen einen Stützpunkt im Land zur Verfügung stellen. Auch der Export von Seltenen Erden aus der Mongolei in die USA stößt in China auf wenig Verständnis.
Wichtiger sei aber: Wenn die Pipeline erfolgreich zu Ende gebracht werde, werde die Energiepartnerschaft mit China gestärkt. Die bestehende Gasleitung "Power of Siberia" liefert nur etwa 22 Milliarden Kubikmeter Gas nach China. Prognosen zufolge wird der chinesische Bedarf aber von aktuell rund 400 Milliarden Kubikmeter auf 600 Milliarden im Jahr 2030 anwachsen.
Hinzu kommt noch ein weiterer Vorteil: Kasachstan würde auf unbestimmte Zeit im Orbit Russlands und Chinas gehalten. Dem Land würde es wirtschaftlich schwerfallen, sich von ihnen abzukoppeln und dem Westen zuzuwenden.