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Quereinsteiger bei der Polizei

Auch Juristen, IT-Fachkräfte und Wirtschaftsexperten müssen eine Zusatzausbildung durchlaufen

Der Ruf nach mehr Polizei scheint sich gerade in Wahlkampfzeiten als Argument für mehr Sicherheit anzubieten. Da die Polizei in Bund und Ländern ihren Nachwuchs in der Regel selbst ausbildet und die bestehenden Ausbildungskapazitäten mit dem Ausgleich der Altersfluktuation gut ausgelastet [1] sind, wird immer wieder die Idee des Quereinstiegs bei der Polizei in die Diskussion gebracht.

Wer jetzt vermutet, dass man über Quereinsteiger ein Aufstocken der Zahl der verfügbaren Polizeikräfte beschleunigen könnte, unterliegt der irrigen Annahme, dass die Ausbildung zum Polizisten, die in der Regel in einer Polizeischule oder bei einem Polizeiverband stattfindet, teilweise oder vollständig durch eine andere Ausbildung ersetzt werden könnte.

Der Weg zum Polizisten führt in der Regel über die Berufsausbildung von Polizeivollzugsbeamten. Wer jedoch durch eine andere Ausbildung Qualifikationen und Fähigkeiten erlangt hat, für die es im Rahmen der Polizei eine besondere Nachfrage gibt, kann sich für den Polizeidienst bewerben und dann die spezifische polizeiliche Ausbildung absolvieren.

Da sich, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Digitalisierung des täglichen Lebens, auch die von der Polizei verfolgten Delikte immer mehr in Bereichen abspielen, die zum Zeitpunkt der Ausbildung der Mehrzahl der heute tätigen Polizisten noch unbekannt waren, besteht ein besonderer Bedarf nach Nachwuchskräften, die für diese Bereiche qualifiziert sind.

Ermittlungspannen

Dass es bei den Zusatzqualifikationen nicht nur um Kenntnisse der Digitaltechnik und der digitalen Kommunikation wie im Falle von IP-Spoofing geht, sondern auch um Kenntnisse im Bereich der interkulturellen Kommunikation, hat sich schon vor Jahren bei einem Fall gezeigt, als Konten deutscher Unternehmen von Tätern aus Südostasien um Millionenbeträge erleichtert wurden.

Während die Täter mit dem Ablauf von Überweisungsvorgängen ins Ausland im Detail vertraut waren und so über einen entscheidenden Zeitvorteil verfügten, waren die in Fernost bei Ermittlungen zu Delikten in Millionenhöhe üblichen Abläufe bei der deutschen Polizei offensichtlich nicht bekannt. Die Konten, auf welche die Gelder transferiert worden waren, waren schon längst geleert und aufgelöst, ohne Spuren zu hinterlassen, als die deutschen Dienststellen auf dem einzig zielführenden Kommunikationsweg über die Justizminister bei der asiatischen Bank vorstellig wurden.

Auch im Falle eines Berliner Fotohändlers, dessen Bestand an hochwertigen Kameras nach einem Einbruch ziemlich zügig im Online-Angebot eines chinesischen Händlers auftauchte (der sich nicht einmal die Mühe machte, die Seriennummern der Kameras und Objektive abzudecken), konnte die zuständige Polizeidienststelle nicht ausreichend schnell und erfolgreich ermittelnd tätig werden.

Zusatzqualifikation statt Ersatzausbildung

Waren körperliche Fitness und Sportprüfung in der Vergangenheit nicht zu umgehende Voraussetzungen für den Beginn einer polizeilichen Ausbildung, so hat sich bei einer entsprechenden Qualifikation je nach Art der Vorbildung inzwischen der Zugang zur Polizeiarbeit auch für Schwerbehinderte geöffnet. Nur bei der Sicherheitsüberprüfung will man keinerlei Ausnahmen zulassen. Bewerber für den Polizeidienst dürfen nicht vorbestraft sein und sie müssen in "geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen" leben.

Akademische Quereinsteiger in den Polizeidienst bringen meist ein Jurastudium mit, da fundierte Rechtskenntnisse für den Polizeidienst von Vorteil sind. Als Quereinsteiger kann sich bei der Polizei beispielsweise bewerben, wer über die Befähigung zum Richteramt verfügt und sich die Bearbeitung von Dienstaufsichtsbeschwerden, Disziplinarverfahren oder Datenschutzangelegenheiten als Tätigkeitsfeld vorstellen kann.

Ein abgeschlossenes BWL-Studium bietet als vorhandene Qualifikation gute Voraussetzungen für die Arbeit im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Im Zusammenhang mit der Verfolgung von Fällen im Bereich der Cyberkriminalität ist auch ein Informatik-Studium als Voraussetzung für den Polizeidienst hilfreich. Im Gegensatz zur Schutzpolizei arbeiten diese Polizeikräfte in der Regel jedoch in Zivilkleidung und werden in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wie uniformierte Kräfte.

Nur ein fiktionaler Quereinsteiger bei der Polizei: Der Mentalist

Die Möglichkeit eines Quereinstiegs in den Polizeidienst besteht jedoch nicht nur für Akademiker, sondern auch für Handwerker mit abgeschlossener Ausbildung. An der polizeitypischen Ausbildung und dem vorhandenen Laufbahnsystem kommen die Quereinsteiger jedoch nicht vorbei und somit erhöht sich die gesamte Ausbildungszeit für Quereinsteiger um die jeweils durchlaufene Vorqualifikation.

Welche Vorqualifikation im Einzelfall hilfreich ist, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Baden-Württemberg ist die Möglichkeit zum Quereinstieg in den Polizeivollzugsdienst derzeit auf Sonderlaufbahnen des gehobenen Dienstes der Wirtschaftskriminalisten sowie des gehobenen Dienstes der Cyberkriminalisten beschränkt.

Die Besetzung freier Stellen in den Sonderlaufbahnen erfolgt jeweils zum 1. April eines Jahres durch die regionalen Polizeipräsidien und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Sie wird bedarfsbezogen auf der Basis von Ausschreibungen in eigener Zuständigkeit durchgeführt.

Mehr auf der Straße sichtbare Polizeikräfte bietet die Option des Quereinstiegs nicht. Es wäre daher möglich, dass das Thema Quereinstieg nach den Wahlen wieder in der Versenkung verschwindet.


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[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundespolizei-erlebt-ansturm-von-bewerbern-14108570.html