Raumschiff zum Selberbasteln
Neue Nachrichten vom Privatweg in den Weltraum
Der Weltraum stellt für nicht wenige Menschen ein großes Faszinosum dar. Bei einigen Menschen geht diese Faszination soweit, dass sie trotz aller Gefahren selbst gerne mal eine Reise in den Weltraum unternehmen würden. Staatliche bemannte Weltraummissionen gibt es nun bereits ein knappes halbes Jahrhundert und sind heute beinahe schon Alltag. Angesichts dieser bereits relativ langen Geschichte staatlicher bemannter Raumfahrt und der Unmengen "herumlungernden" privaten Kapitals verwundert es, dass bisher noch keinem Privatier die vollständige Durchführung privater Weltraumreisen gelungen ist.
Bei fortschreitender technischer und industrieller Entwicklung ist vielleicht in der anbrechenden neuen Jahrhunderthälfte zumindest für Betuchtere mit privaten Weltraumtrips zu rechnen. Noch handelt es sich hierbei jedoch immer nur um gelegentlich in der Presse auftauchende Visionen und Ankündigungen. Die erste tatsächlich privat durchgeführte Weltraumreise steht immer noch aus.
Neue Nachrichten vom langen und beschwerlichen Privatweg in den Weltraum kommen aus den USA. Die amerikanische Cerulean Freight Forwarding Company, nach Selbstaussage ein "Start-Up", plant den Bau eines Raumschiffes für jedermann mit dem poetischen Namen Kitten (Kätzchen) und will einen Bausatz hierfür in drei Jahren zum Preis von einer halben Million Dollar auf den Markt bringen.
Cerulean beteiligt sich mit dem Bau dieses Raumschiffes an einem 1996 von Unternehmern und Hobbyastronauten ausgerufenen Wettbewerb, dem sogenannten X Prize - bei dem 10 Millionen Dollar Preisgeld für den winken, der erstmals einen privaten wiederverwendbaren Flugkörper bemannt in eine Höhe von mindestens 100 km fliegt.
Das mit 5,75 m x 5,25 m beinahe quadratische Kitten soll mit 3g Beschleunigung eine Höchstgeschwindigkeit von Mach vier erreichen und drei Personen bis in eine Höhe von 200 Kilometer bringen können. Für kurze Zeit taucht das Raumschiff in den Weltraum ein, bevor es ähnlich dem amerikanischen Raumgleiter X-24 aus den sechziger/siebziger Jahren wieder zur Erde zurückgleitet. Das Gefährt ist beim Start ca. 2-3 t schwer und wiegt bei der Landung nach verbrauchtem Treibstoff noch knapp 1 t. Das Triebwerk des Raumschiffes besteht aus keramischem Material und verbrennt eine Mischung aus Methan und flüssigem Sauerstoff. Als Kühlmittel dient gewichtssparender komprimierter Stickstoff. Ein Laptop mit Spezialsoftware soll den Piloten unterstützen. Der Flugpreis wird wie üblich auch gleich mitgeteilt, pro Flug soll er maximal 105 000 Dollar betragen.
Hinsichtlich der Sicherheit erklärt Cerulean-Chef James Hill, dass fast alle verwendeten Teile bereits von der FAA (Federal Aviation Authority) bewilligt seien. Abnehmer des Selbstbaukastens könnten laut Hill insbesondere Wissenschaftseinrichtungen für Forschungen in der Schwerelosigkeit sein. Als weitere Kunden könnten sich neu entstehende "Weltraum-Reisegesellschaften" für betuchte Privatpassagiere anbieten.
Die Zukunftsaussichten dieses Projekts dürfen wie viele ähnliche dieser Vorhaben eher unsicher und zweifelhaft eingeschätzt werden. Abgesehen davon, dass auch die Finanzierung für die Produktion von Kitten noch nicht gesichert ist - die Verhandlungen mit interessierten Investoren laufen noch - gehört zu einem Weltraumflug wohl etwas mehr, als nur einen Bausatz für ein Raumschiff zu kaufen.
Bereits die Auslieferung als Bausatz zum eigenhändigen Zusammenbau mutet mehr als abenteuerlich an. Selbst vergleichsweise einfache Geräte wie Autos und Flugzeuge werden in der Regel komplett ab Werk geliefert, da sollen sich Anwender ausgerechnet ein Raumschiff für gefährliche Ausflüge in den Weltraum selbst zusammenbauen? Kurios mutet auch die Steuerung des Raumschiffes mittels eines Laptops an.
Der Mensch hat sich außerdem biologisch nicht unter Raumfahrt-, sondern unter Erdenbedingungen entwickelt. Weltraumfahrten sind, wie vielleicht der anheimelnde Name des Raumschiffes "Kitten" (Kätzchen) oder Vokabeln wie "Weltraumspaziergang" vermuten lassen, keine Kaffeefahrten, sondern anstrengende und riskante Expeditionen, für die Kandidaten in der staatlichen Raumfahrt umfangreichste medizinische Auswahlprozeduren und Trainings durchlaufen. Es handelt sich bei Kitten mit einer Flughöhe bis 200 km zwar noch um ein eher unterdimensioniertes Weltraumvorhaben, völlig ungeklärt dürfte aber auch hier die Überwachung und Navigation solcher Flüge vom Boden aus sein, für die bei der NASA, ESA oder in Russland immerhin ganze Säle an begleitendem Personal und technischem Equipment mit Kosten in Millionen- bis Milliardenhöhe aufgewandt werden.
Des Weiteren müssten für private Weltraummissionen ähnlich dem Flugrecht entsprechende nationale wie internationale institutionelle Procedere und Vorschriften geschaffen werden. Bisher dürfen beispielsweise in den USA private Flugobjekte ohne weitergehende Genehmigung nicht höher als 18 km fliegen.
So reizvoll der Traum privater Weltraumreisen sicher sein mag - es gehört wohl etwas mehr als nur viel Geld und Träumen dazu. Vor allem Erfahrung. Es gibt zwar bereits eine riesige Raumfahrtindustrie, doch fehlt auch ihr bisher jegliche direkte selbstverantwortliche Erfahrung in der Leitung und Organisation von Weltraumstarts. Man möchte vermuten, aus gutem Grund: weil sie die ungeheuren Kosten und Aufwendungen für solche Unternehmungen kennt.
Ohne bereits heute einsetzende massive Anstrengungen der Raumfahrtindustrie wird sich auf diesem Gebiet in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wahrscheinlich wenig tun. Solche Anstrengungen werden etablierte wie neuentstehende Unternehmen der Raumfahrtindustrie nur unternehmen, wenn neben dem nötigen Know-how mit solchen Missionen langfristig Gewinne zu erzielen sind, die Einnahmen also die horrenden Entwicklungs-, Aufbau- und Durchführungskosten übersteigen.
Kitten dürfte also höchstwahrscheinlich eine neuerliche Variante der unzähligen uneingelösten Ankündigungen privater Weltraumvorhaben sein. Aber Pioniere beim Vorstoß in neue Welten haben schließlich immer mit Skepsis zu kämpfen, und um mit einem der führenden deutschen Philosophen Franz Beckenbauer zu sprechen: "Schau mer mal." In drei Jahren wissen wir mehr.