Reallohnverluste wie nie zuvor in Deutschland

Seite 2: "Gewinninflation": Rückschlüsse auf Preissteigerungen

Dafür wurde unter anderem auch das Narrativ festgezurrt, dass der Ukraine-Krieg für hohe Energiepreise und Inflation verantwortlich sein soll. Dabei lag die Inflation in Deutschland im vergangenen November, also mehr als drei Monate vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, nach Angaben von Eurostat schon bei sechs Prozent.

Ein Studie des ifo-Instituts macht gerade deutlich, dass viele Unternehmen die hohe Inflation als Ausrede genutzt haben, um "Gewinne zu maximieren", wie die Tagesschau am Dienstag berichtete. Von massiver Spekulation wurde dabei nicht gesprochen, weil auch das ifo-Instituts nicht davon spricht.

Das Institut hat errechnet, dass nicht einmal die schon spekulativ stark erhöhten Preise für Energie und Vorleistungen das Ausmaß der Inflation in Deutschland erklären können. Von "Gewinninflation" wird gesprochen, da Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen die Preissteigerungen dazu genutzt haben, um ihre Gewinne zu steigern.

Diesen Vorgang legten Daten der amtlichen Statistik zur Wirtschaftsleistung nahe. Daraus wurden Unterschiede zwischen nominaler und preisbereinigter Wertschöpfung ermittelt. "So lassen sich Rückschlüsse auf Preisanhebungen ziehen, die nicht durch höhere Vorleistungskosten verursacht wurden", heißt es in der Presseerklärung.

Bau, Land- und Forstwirtschaft, Handel, Gastgewerbe und Verkehr

In der Corona-Pandemie hätten private Haushalte hohe Ersparnisse angesammelt. Diese seien nun aufgelöst worden, womit die Konsumnachfrage befeuert worden sei, erklärt Joachim Ragnitz. Der stellvertretende Leiter der ifo Niederlassung Dresden erklärt weiter, dass auch Entlastungen durch die Regierung dazu beigetragen haben dürften, die Nachfrage zu stützen und damit Spielräume für Preisanhebungen zu erweitern.

"Insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei sowie im Baugewerbe und in den Branchen Handel, Gastgewerbe und Verkehr haben die Unternehmen ihre Preise deutlich stärker erhöht als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre", sagt Ragnitz.

Einige Unternehmen scheinen den Kostenschub als Vorwand dafür zu nehmen, durch eine Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessern.

Joachim Ragnitz

In der Landwirtschaft hätten Betriebe zunächst ihre Vorräte an Dünge- und Futtermitteln aufgebraucht, in ihrer Kalkulation aber die zu erwartenden Preissteigerungen bei Nachbestellungen bereits eingerechnet, nennt er ein konkretes Beispiel.

Regulierung?

Doch bei dem neoliberalen Institut, das bisweilen auch mit unhaltbaren Theorien kommt, wie etwa dass Inflation höhere Einkommen stärker als niedrigere treffen soll, will man natürlich von Regulierung nichts wissen. Es bestehe kein Grund für staatliche Eingriffe in die Preise, wird erklärt.

Auch einer Übergewinnsteuer wird wegen einer angeblichen "verzerrenden Wirkung auf die Knappheitssignale des Marktes" eine Absage erteilt, da sie weder marktkonform noch rechtssicher durchzusetzen sei, meint Ragnitz. Der will natürlich auch keine Anhaltspunkte dafür sehen, dass hinter den Preissteigerungen Absprachen der Unternehmen stehen.

Deshalb seien auch kartellrechtliche Maßnahmen nicht hilfreich. Dabei zeigt eine Fahrt an verschiedenen Tankstellen vorbei, dass das falsch ist. Es braucht in der heutigen Informationsgesellschaft gar keine Absprachen von Chefs der Mineralölkonzerne in Hinterzimmern, um sich auf überteuerte Preise zu einigen.

Angesichts dessen, was ifo ermittelt hat, sind gegen die Aussagen von Ragnitz Änderungen am Kartellrecht aber dringend nötig. Denn es ist doch offensichtlich, dass Firmen in einer Oligopolstellung ihre Stellung am Markt massiv für eine Gewinninflation nutzen. Um die zu beenden, braucht es sowohl eine Übergewinnsteuer nahe 100 Prozent, wie es ein modernes Kartellrecht braucht.

Ragnitz meint dagegen, dass gegen überzogene Preisanhebungen "nur mehr Wettbewerb" helfe. Das ist die alte neoliberale Leier, dass Verbraucher dann "auch billigere Produkte kaufen und so die Gewinninflation dämpfen" könnten.

Das Problem ist nur, dass es die billigeren Produkte nicht gibt, wie an Tankstellen nur beispielhaft gut zu sehen ist. Von einer Forderung, die Oligopole zu zerschlagen, um wenigstens für mehr Wettbewerb zu sorgen, ist natürlich beim ifo Institut auch nichts zu lesen.