Referendum der EU-Verfassung nicht gefahrlos
Die Ankündigung Spaniens, die Bevölkerung über den Entwurf der EU-Verfassung abstimmen zu lassen, ist nicht ohne Risiko, die Gegner formieren sich schon
Der spanische Staat macht sich nach der Ankündigung des neuen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero abermals bereit für ein Referendum. Zum dritten Mal seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 wird die Bevölkerung befragt werden. Wurde 1978 über die neue Verfassung und 1986 über die Mitgliedschaft in der Nato abgestimmt, geht es nun um die Annahme der neuen EU-Verfassung.
Zapatero hat nicht lange gezögert, um nach der Einigung über die Verfassung am 18. Juni in Brüssel (Einigung nach schweren Verhandlungen erzielt) zu verkünden, dass die Bevölkerung "in einer möglichst kurzen Zeitspanne" über die Annahme der Verfassung entscheiden darf. Gemäß der spanischen Verfassung könnte sich Zapatero nun zwei Jahre Zeit lassen, doch der Sozialist will ein Zeichen setzen: "Es ist gut für Spanien unter den ersten Staaten zu sein, die den Vertrag der Gemeinschaft ratifizieren."
Zwar hat die konservative Volkspartei ihre Zustimmung angekündigt, trotzdem attackiert sie die Sozialisten hart dafür, vom Vertrag von Nizza "gratis" abgewichen zu sein und die "doppelte Mehrheit" akzeptiert zu haben, so der Oppositionsführer Mariano Rajoy. Nun wird eine Entscheidung auf Vorschlag der EU-Kommission gefasst, wenn 55 Prozent der Mitgliedstaaten, also mindestens 15 Länder, zustimmen, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Spanien verliert damit an Einfluss in der EU. Die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen zu blockieren, wie es Spanien in acht Jahren unter der PP-Führung immer wieder praktiziert hat, fällt weg.
Die Gefahr einer Ablehnung oder die Annahme nur mit einer kleinen Mehrheit droht von der Linken oder von den sogenannten nationalen Minderheiten. Bis auf die konservative Kanarische Koalition (CC) hat bisher keine der Regionalparteien ihre Zustimmung angekündigt. Besonders stark ist die Ablehnung der EU-Verfassung in Katalonien, dem Baskenland und Galizien. Dort ist man darüber entsetzt, dass die jeweilige Sprache in der EU-Verfassung nicht anerkannt wird. Ein zaghafter Versuch von Zapatero, diese Frage noch einzubringen, scheiterte am entschiedenen Widerstand Frankreichs, in dem Baskisch und Katalanisch nicht einmal als offizielle Sprachen gelten.
Gleichzeitig mit dem Treffen der Regierungschefs in Brüssel hatten sich deshalb im französischen Baskenland Vertreter linker Parteien auf einem Kongress versammelt, um Strategien zu besprechen, wie man einem globalisierten kapitalistischen Europa entgegen treten kann. Das Motto lautete: Die Linke vor den Türen Europas. Einig war man sich in der Ablehnung der Verfassung und beklagte das demokratische Defizit bei deren Ausarbeitung. Es sei bezeichnend, dass sogar das Europaparlament übergangen worden sei. Kritisiert wurde, dass soziale Rechte und die Gleichstellung von Frauen nur vage als Ziele definiert wurden und sogar eine bestimmte Wirtschaftsform festgeschrieben werde, wie dies bisher in keiner nationalen Verfassung zu finden sei: die Marktwirtschaft. Der Spielraum, zum Beispiel für eine andere Wirtschaftspolitik, werde immer geringer. So hoffte Niels Henrik Nielsen von der Red Green Alliance aus Dänemark, eine breite Front der Gegner aufbauen zu können, damit Dänemark, wo er die Ablehnung der Verfassung für möglich hält, nicht allein und isoliert bleibe.
Vertreter linksnationalistischer Parteien erklärten, wie im Thesenpapier dargelegt, ihre Ablehnung auch aus der Tatsache heraus, dass nur von einer Gemeinschaft von Staaten gesprochen werde, deren Integrität garantiert werden soll. Damit werde "die offizielle Anerkennung von Nationen ohne Staat" beseitigt. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker müsse aber verteidigt werden und schon deshalb könne die Verfassung nur abgelehnt werden, so Lloyd Quinan von der Schottisch-Sozialistischen Partei).
Im gesamten spanischen Staat, woher der Großteil der Konferenzteilnehmer kam, ist zwar nicht mit einer Ablehnung der Verfassung zu rechnen, doch das Referendum kann die Widersprüche zwischen einzelnen Teilen vertiefen. Es könnten sich Situationen wiederholen wie bei der Abstimmung über die spanische Verfassung 1978 und zum Nato-Beitritt 1986. In beiden Fällen verweigerten die Basken deutlich ihre Zustimmung und sehen sich auch weiter in ein Korsett gezwungen, das die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt. Es ist möglich, wegen der Stärkung der linken Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien, dass auch dort die Verfassung durchfällt. Schließlich wird Katalanisch von mehr Menschen gesprochen als die jeweiligen Sprachen in den baltischen Staaten oder Slowenien, die Anerkennung ihrer Sprache wird den Katalanen aber verweigert.