Rezession: Güterverkehr nimmt ab – was droht durch die nächste Zinserhöhung?
Als Alarmzeichen gilt, dass der Lkw-Verkehr auf deutschen Autobahnen sinkt. Höhere EZB-Zinsen stehen bevor. Was Ökonomen dazu sagen.
Wenn der Lkw-Verkehr auf deutschen Autobahnen nachlässt, bedeutet das nicht, dass die Gütertransporte klimaschonend auf die Schiene verlagert wurden, sondern gilt als Frühindikator für Rezession.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Freitag ist im August genau das passiert: Die Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen mit mindestens vier Achsen ist auf Bundesautobahnen kalender- und saisonbereinigt um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat gesunken. Im Vergleich zum Vorjahresmonat fiel der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex sogar um 3,3 Prozent.
"Für uns ist diese Zahl ein weiteres Indiz dafür, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal schrumpfen wird", erklärte dazu der Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. "Wir gehen schon länger davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälfte keine Erholung der Konjunktur, sondern eine neuerliche Rezession geben wird." Das Bruttoinlandsprodukt stagnierte im zweiten Quartal, nachdem es zuvor zwei Mal in Folge geschrumpft ist.
Schlechte Konjunkturprognosen
Die Produktion von Industrie, Bau und Versorgern war im Juli um 0,8 Prozent zum Vormonat gesunken, nach minus 1,4 Prozent im Juni. "Die Gründe für die aktuelle Schwäche sind sicherlich in erster Linie in der weltweiten Straffung der Geldpolitik zu sehen, die im Inland und im Ausland die Nachfrage nach deutschen Industriegütern bremst", sagte Solveen. Die höheren Zinsen verteuern Investitionen.
Auch führende Forschungsinstitute haben zuletzt ihre Konjunkturprognosen gesenkt. Das Essener RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,6 Prozent in diesem Jahr.
Ausgerechnet in dieser Situation muss die Europäische Zentralbank nun über weitere Zinserhöhungen entscheiden. Auch der Ökonom Sebastian Dullien befürchtet daher eine tiefe Rezession in Deutschland. "Eine vorschnelle Zinserhöhung würde diese Krise noch verschärfen", sagte er in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem Spiegel.
Darüber hinaus macht in Deutschland das Stichwort "Agenda 2030" die Runde – der CDU-Politiker Carsten Linnemannn brachte es Mitte August ins Gespräch und stellt sich darunter ein Programm vor, dass die Wirtschaft international wieder wettbewerbsfähig machen soll.
Neoliberale Antwort: "Agenda 2030"
Für einkommensschwache Schichten wäre das allerdings keine gute Nachricht, wenn es in dieselbe Richtung geht wie die Agenda 2010 unter dem Kanzler Gerhard Schröder (SPD), die von Linken, Armutsforschern und Erwerbsloseninitiativen als schikanöses Verarmungsprogramm bewertet wird. Linnemann nutzt dafür auch dieselben Stichworte, mit denen das Hartz-IV-System der arbeitenden Bevölkerung schmackhaft gemacht werden sollte: Fördern und Fordern, Leistung müsse sich lohnen.
Auch Thomas Mayer, ehemals Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und inzwischen Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln, hält eine "Agenda 2030" für das Gebot der Stunde. Im Magazin Cicero führte er diese Woche aus, was er sich darunter vorstellt:
Sozialausgaben müssen runter, und Investitionsausgaben zur Erneuerung und zum Aufbau der öffentlichen Infrastruktur müssen rauf. Auch mehr Ausgaben zur Verteidigung werfen Innovationsdividenden ab. Überall muss das Prinzip des Wettbewerbs gestärkt werden – von der Wirtschaft bis zum öffentlichen Bereich, wo Wettbewerbsföderalismus statt Kooperationsföderalismus gelten muss.
Thomas Mayer, Storch Research Institute
Die "Generation Greta" soll seiner Meinung nach diese Agenda unterstützen, weil schließlich "die Hütte brennt". Nur meint er damit nicht die Klimakatastrophe. Zudem wünscht sich Mayer natürlich die Einwanderung hochqualifizierter Fachkräfte – und weniger "Einwanderung ins Sozialsystem".
Über diese neoliberalen Rezepte dürfte es noch heftige Auseinandersetzungen geben – allerdings kaum zwischen den bürgerlichen Parteien und der AfD, die damit weitgehend konform geht. Eher könnte eine linke Opposition hier verstärkt auf den Plan treten.