Rheinmetall und die Politik: Ein Milliarden-Pakt aus Stahl und Schweigen?

Philipp Fess
Aufnahme vom Stand des Konzerns Rheinmetall auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin 2024. Zu sehen ist ein Rheinmetall-Boxerfahrzeug Skyranger

Rheinmetall auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) 2024. Bild: Filmbildfabrik / Shutterstock.com

Undurchsichtige Vergabe: Rüstungskonzern erhielt Projekt-Zuschlag gegen Empfehlung des Bundesrechnungshofs. Ist Lobby-Macht stärker als Kontrollinstanzen?

Deutschland macht mobil, auf Pump. Der Bundestag wird, noch in alter Zusammensetzung, am 13. März über die Grundgesetzänderungen beraten, die dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen bislang entgegenstehen.

Zuvor hatte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Rüstung und Infrastruktur-Ausgaben zu einem gemeinsamen Paket verschnürt.

Am 18. März soll der Beschluss zur neuen Schuldenaufnahme folgen, an der zuvor die Ampel-Regierung zerbrochen war.

Ein umstrittenes Projekt und ein Vorwurf

Das Magazin Stern berichtete am Donnerstag vergangener Woche über ein besonders umstrittenes Projekt innerhalb dieser raschen Mobilisierungs-Bemühungen.

In dessen Zentrum steht der Vorwurf, wonach der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall aus einem überstürzten Aktionismus der Politik Kapital geschlagen habe.

Genährt wurde dieser Vorwurf durch eine bis dato unbekannte Intervention des Bundesrechnungshofs (BRH), die vom Bundesverteidigungsministerium unter Boris Pistorius (SPD) allem Anschein nach ignoriert wurde.

Rheinmetall: Erste Bestellung schon eingegangen

Um die Kommunikationsfähigkeit der Streitkräfte zu verbessern, hat Pistorius’ Ministerium die Entwicklung neuer Richtfunksysteme für die Bundeswehr veranlasst. Den Zuschlag für das Projekt Tactical Wide Area Network for Land Based Operations, kurz: TaWAN LBO, erhielt die Rüstungskonzern-Tochter Rheinmetall Electronics.

Der Projektetat beträgt insgesamt 5,5 Milliarden Euro, die Laufzeit zehn Jahre. Eine erste Bestellung in Höhe von 1,88 Milliarden bei Rheinmetall ist bereits erfolgt.

Warnung des Bundesrechnungshofs

Wie das Magazin Stern nun berichtet, hatte der Bundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss zuvor eine Tischvorlage zukommen lassen, in der der BRH vor potenziellen "Investitionsruinen" warnte und schwerwiegende Vorbehalte gegenüber der Vergabepraxis äußerte.

Demnach habe der BRH bemängelt, dass die geplanten Systeme möglicherweise nicht die volle Einsatzreife erreichen könnten und daher das Risiko bestehe, dass diese nicht die Anforderungen der Bundeswehr erfüllen.

Außerdem warf der BRH dem Bundesministerium vor, dass kostengünstigere und risikoärmere Alternativen zu den schließlich gewählten Varianten zur Verfügung gestanden hätten.

Rheinmetall profitiert vom "wilden Hühnerhaufen"

Wie der Stern berichtet, sollen auch innerhalb des Haushaltsausschusses Zweifel geäußert worden sein. Dennoch wurde der Auftrag schließlich, allen Einwänden zum Trotz und "außerhalb des Vergaberechts", am 29. Januar erteilt.

Unter Bezug auf vertrauliche Quellen mutmaßt das Magazin, dass der erst wenige Stunden zuvor eingebrachte Antrag vom Verteidigungsministerium schlichtweg "durchgedrückt" worden sein könnte.

Das befragte Ausschuss-Mitglied Andreas Schwarz (SPD) hatte dem Antrag zugestimmt, kündigte aber an, dass das Parlament die Vorgänge im Nachgang eingehender zu prüfen habe, als es die schnellen Abläufe im Haushaltsausschuss erlaubt hätten.

"Die Gunst der Stunde wurde genutzt und die Firmen profitieren davon, dass das Parlament im Januar, kurz vor den Neuwahlen, ein wilder Hühnerhaufen war", so der SPD-Abgeordnete.

Vor dem Hintergrund der Reputation, die der Rüstungskonzern in Bezug auf seine Nähe zur Politik über die Jahre gesammelt hat, lassen die jüngsten Ereignisse auch andere Schlüsse zu.

Kontroversen und Zweifel an der Integrität politischer Entscheidungsprozesse

So hatte die Zeit erst am 11. Februar 2025 über die Verwicklung der Rheinmetall-Tochter Blackned in eine Kontroverse berichtet, die Zweifel an der Integrität politischer Entscheidungsprozesse in Deutschland weckte.

Dem Bericht zufolge hatte Blackned in einer E-Mail vom 6. Januar angeboten, "Abgeordnete, die im Rahmen ihrer Aufgaben für die Ausrüstung der Bundeswehr speziell im digitalen Umfeld einen Beitrag leisten, bei Ihren (sic) Wahlkämpfen für die anstehende Bundestagswahl mit einer kleinen Summe zu unterstützen".

Das Zitat stammt aus einer von der Zeit als verifiziert beschriebenen E-Mail von Blackned.

Die Rheinmetall-Tochter räumte gegenüber der Zeitung ein, insgesamt acht Abgeordneten aus dem Haushalts- und Verteidigungsausschuss eine solche Spende offeriert zu haben, nannte aber keine Namen.

Es wäre nicht der erste Korruptionsskandal, in den das Unternehmen aus Düsseldorf augenscheinlich verwickelt ist.

Vorgeschichten

Im Januar 2014 berichtete der Spiegel über Ermittlungen gegen Rheinmetall wegen Bestechung in Griechenland. Panagiotis Efstathiou, ein Vertreter der Tochterfirma STN Atlas, soll demnach Beamte mit Millionenbeträgen geschmiert haben, um Aufträge zu sichern. Rheinmetall zahlte eine Geldbuße von 37 Millionen Euro und beteuerte, dass interne Kontrollen versagt hätten.

2009 beschuldigte das indische Central Bureau of Investigation (CBI) laut eines Berichts der Schweizer NZZ, dass Rheinmetall Air Defence mit Sitz in Zürich Bestechungsgelder gezahlt haben soll, um Aufträge für Luftabwehrgeschütze zu erhalten.

Infolgedessen landete Rheinmetall auf einer schwarzen Liste, die den Verkauf von Rüstungsgütern nach Indien bis 2022 untersagte. Berichten zufolge zahlte Rheinmetall einem Lobbyisten 530.000 Euro, um von dieser Liste gestrichen zu werden, was der Konzern allerdings bestreitet.

Nähe zur Politik und "Lichtblick der Konjunktur"

Der direkt nach seiner Amtszeit erfolgte Wechsel des ehemaligen Entwicklungsministers Dirk Niebel auf den Posten des "Leiters Internationale Strategieentwicklung und Regierungsbeziehungen" bei Rheinmetall, sorgte ebenfalls für Kritik, da Niebel zuvor an Entscheidungen beteiligt war, die den Konzern unmittelbar betrafen.

Telepolis hatte im Dezember 2024 über die entscheidende Rolle berichtet, die Rheinmetall in der "Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie" der scheidenden Bundesregierung spielt.

Auch die darin erwähnte Berufung Sigmar Gabriels in den Aufsichtsrat des Unternehmens hatte Zweifel an der politischen Integrität im Verteidigungssektor geweckt.

Am gestrigen Freitag, den 7. März, verzeichnete die Aktie des Rüstungsunternehmens mit 1.198,00 Euro ein neues Allzeithoch. Seit dem 6. November 2024 hat das Rheinmetall-Papier seinen Wert um 143,56 Prozent gesteigert.

In einem Beitrag des ZDF Ende vom 20. Februar wurde Rheinmetall, stellvertretend für die deutsche Rüstungsindustrie, als "Lichtblick für die Konjunktur" bezeichnet.