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Roboter und KI: Angst vor Kontrollverlust, Armut und Arbeitslosigkeit

Bild: HarryTrung/CC0

Die Begeisterung der Menschen über die kommende Automatisierung hält sich in Grenzen, offenbart eine Umfrage in den USA

Vermutlich würden Umfragen nach autonomen Fahrzeugen auch in anderen Ländern zu ähnlichen Ergebnissen führen. Die Menschen sind mehrheitlich abstrakt der Innovation aufgeschlossen und glauben auch, dass fahrerlose Autos spätestens in den nächsten 50 Jahren die Straßen beherrschen werden, aber weniger als die Hälfte würde sich ihnen anvertrauen. Und einem KI-System sich auszusetzen, das Personaleinstellungen vornimmt und Jobbewerber prüft, lehnen mehr als 70 Prozent ab. Erwartet wird, dass schon in 20 Jahren Ärzte in der Regel Computerprogramme zur Diagnose und Behandlung verwenden, dass beim Einkaufen Kunden keinen Kontakt mehr mit menschlichen Angestellten haben oder Drohnen in Städten die Auslieferung von Waren übernommen haben.

Pew Research hatte im Mai 2017 eine repräsentative Umfrage [1] unter mehr als 4000 US-Amerikanern über die Entwicklungen von autonomen Systemen für den Alltag durchgeführt, deren Ergebnisse vor ein paar Tagen veröffentlicht wurden. Zwar werden auch manche positive Aspekte gesehen, es überwiegt aber die Sorge vor den Auswirkungen auf die Gesellschaft. Gefragt wurde nach der Beurteilung von vier Szenarien: Roboter und KI-Systeme übernehmen einen großen Teil der menschlichen Arbeit, Entwicklung von Algorithmen, die einen Jobbewerber bewerten und einstellen, sowie die Entwicklung von Robotern als Pflegekräfte für alte Menschen.

Mehrheitlich enthusiastisch sind die Amerikaner bei keinem Szenario, "sehr begeistert" ist sowieso nur eine kleine Minorität. Am wenigsten halten sie von Algorithmen, die Menschen als Arbeitnehmer einstellen sollen. 22 Prozent finden das zwar irgendwie enthusiastisch, 67 Prozent sorgen sich hingegen. Mit 72 Prozent haben die meisten aber Angst vor Maschinen, die menschliche Arbeit ersetzen. Begeistert sind auch nur 40 Prozent von autonomen Fahrzeugen, 54 Prozent sind besorgt. Am ehesten freunden sich die Menschen mit Pflegerobotern an, hier halten sich Begeisterung und Ablehnung mit 44 zu 47 Prozent fast die Waage, wohl wissend, dass bei der Pflege im Alter die Probleme und Kosten zunehmen werden.

Es könnte allerdings sein, dass gerade in solche Jobs mehr Menschen drängen werden, wenn andere Arbeiten von Robotern ersetzt werden. Dann könnten sie in der Konkurrenz mit den anderen von der Arbeit Freigesetzten auch wenig Lohn akzeptieren, so dass nicht nur in der Pflege die Niedriglohnstellen sich ebenso wie die Arbeitslosen mehren, selbst wenn eine Robotersteuer oder ein bedingungsloses Grundeinkommen zur Stillstellung der Menschen eingeführt würde. Über zwei Drittel der Befragten (76%) befürchten denn auch wohl realistisch im Hinblick auf die herrschenden Verhältnisse, dass die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer wird, wenn Roboter und KI-Systeme viele Jobs von den Menschen übernehmen können. Mit 75 Prozent glauben fast ebenso viele, dass die Wirtschaft in dem Fall nicht viele, besser bezahlte Jobs schaffen wird, 64 Prozent gehen davon aus, dass es schwierig werden wird, überhaupt noch einen Job zu finden. Gut möglich tatsächlich, dass Menschen in der Konkurrenz mit intelligenten Maschinen ihre Arbeitskraft billiger anbieten müssen, als deren Anschaffungs- und Betriebskosten ausmachen.

Die eigenen Jobs sehen die Wenigsten gefährdet, die der anderen schon

Noch wiegen sich 70 Prozent in der Hoffnung, dass ihr eigenen Jobs nicht durch Automatisierung gefährdet seien. Das könnte mit individuellem und anthropogenem Narzissmus zusammenhängen, weil man sich nicht vorstellen will, selbst durch eine Maschine ersetzbar zu sein, die vielleicht nicht nur billiger, sondern auch noch besser ist. Bei manchen anderen Menschen und bestimmten Berufen kann man sich das aber schon vorstellen, bei Angestellten in Fastfood-Restaurants, Software-Ingenieuren, Bauarbeitern oder auch Versicherungsangestellten.

Die meisten Befragten sind dafür, dass Maschinen nur die Arbeiten ausführen sollen, die für Menschen zu gefährlich oder gesundheitsgefährdend sind. 61 Prozent wollen ein bedingungsloses Einkommen, wenn Roboter Menschen vom Arbeitsmarkt drängen. Fast die Hälfte spricht sich dafür aus, dass die Regierung bezahlte Jobs als Ausgleich schaffen müsse. 58 Prozent sind dafür, dass die Regierung den Einsatz von Robotern begrenzen müsse, auch wenn diese billiger als menschliche Arbeitskraft sind, allerdings würden auch 41 Prozent den Unternehmen zugestehen, Menschen durch Roboter zu ersetzen, wenn diese besser und billiger sind.

Das ist sehr ambivalent und spricht vermutlich nicht dafür, dass die Zahl und damit die Revolte möglicher Maschinenstürmer wirklich zu befürchten ist. Anlass für eine Revolte gäbe es schon jetzt hinreichend angesichts der sich verstärkenden Kluft zwischen Reichen und Armen.

Zwar gehen 70 Prozent davon aus, dass Pflegeroboter die Last der Angehörigen mindern könnten, aber fast ebenso viele meinen, dies würde die Isolation der alten Menschen noch verstärken. Allerdings könnte man sich zumindest vorstellen, dass in Alten- und Pflegeheimen vielleicht mehr Pflegeroboter als derzeit Menschen eingesetzt werden. Wenn diese mit den Alten fürsorglich umgehen und ausgiebig sich unterhalten, wäre die Isolation dort vielleicht sogar geringer als heute. Man kann durchaus davon ausgehen, dass die Intelligenz der digitalen Assistenten auch für Alltagsgespräche weiter zunehmen wird, so dass Menschen vergessen können, dass sie "nur" mit einer Maschine sprechen, oder Roboter eben auch als Mitlebewesen akzeptieren, wie dies auch mit Haustieren geschieht, die bekanntlich Einsamkeitsgefühle mindern.

Die Mehrheit will lieber nicht in einem autonomen Fahrzeug sitzen

Was autonome Fahrzeuge angeht, sind gemischte Gefühle vorhanden. Selbstverständlich geht die übergroße Mehrheit davon aus, dass die Fahrer dann mit Arbeitsverlust konfrontiert werden. Davon, dass der Verkehr weniger wird, ist man auch nicht so wirklich überzeugt. Viele meinen, dass ältere und behinderte Menschen ein unabhängigeres Leben führen können und auch die Zahl der Verkehrsunfälle zurückgehen wird. Ganz sicher sind sich die Menschen aber nicht. Während 39 Prozent den Versprechungen der Entwickler von autonomen Fahrzeugen Glauben schenken, dass die Verkehrsunfälle abnehmen, gehen aber 30 Prozent davon aus, dass autonome Fahrzeuge die Straßen für die Menschen unsicherer machen. Und viele glauben auch, dass gerade die älteren Menschen sich eher nicht autonomen Fahrzeugen anvertrauen werden.

Wie schon in früheren Umfragen bricht sich die eigentlich nur mäßige Begeisterung an autonomen Fahrzeugen an der Abwehr, selbst diese als Passagiere benutzen zu wollen. 44 Prozent können sich vorstellen, in einem autonomen Fahrzeug zu fahren, 56 Prozent wollen das nicht. Ganz ohne Eingriffsmöglichkeiten wollen die Meisten nicht in autonomen Fahrzeugen sitzen. Es muss schon ein "human in the loop" sein, meinen 87 Prozent, über die Hälfte vertritt diese Ansicht stark.

Man will also nur teilautonome Fahrzeuge, das Vertrauen in die Mitmenschen ist, vermutlich irrational, einfach höher, obgleich diese mitunter absichtlich, im Verkehr aber vor allem durch zu schnelles Fahren, Unachtsamkeit, Müdigkeit oder Emotionalität riskante Situationen schaffen, wo eine unermüdlich konzentrierte, coole Maschinenintelligenz nicht ausrasten würde.


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[1] http://www.pewinternet.org/2017/10/04/automation-in-everyday-life/