Roboterpanzer Havoc: Wenn KI in den Krieg zieht

Lars Lange

Adieu, Panzerkommandant? Bild: Parilov /shutterstock.com

Unbemannte Kampffahrzeuge erobern das moderne Schlachtfeld. Havoc 8x8 setzt mit KI-Steuerung und 30-mm-Bewaffnung Maßstäbe. Doch was passiert, wenn die Maschinen die Kontrolle übernehmen?

In der modernen Kriegsführung zeichnet sich ein zunehmender Trend zur Robotisierung ab. Unbemannte Kampffahrzeuge, auch als Robotic Combat Vehicles (RCVs) bezeichnet, werden von Herstellern weltweit als Zukunftstechnologie für das Gefechtsfeld beworben. Sie sollen theoretisch menschliche Soldaten aus der unmittelbaren Gefahrenzone halten und gleichzeitig Kampfkraft projizieren.

Die Realität zeigt jedoch ein differenzierteres Bild. In aktuellen Konflikten bewähren sich unbemannte Bodensysteme bisher hauptsächlich in Unterstützungsrollen, vor allem im Bereich der Logistik.

Der Havoc 8x8

Dennoch schreitet die Entwicklung voran. Auf der diesjährigen IDEX in Abu Dhabi präsentierte Milrem Robotics aus Estland im Februar 2025 sein neues Modell: den Havoc 8x8, ein unbemanntes Kampffahrzeug mit Radantrieb. Das Fahrzeug ist laut Herstellerangaben für die Unterstützung gepanzerter Verbände an der Front konzipiert.

Der Havoc 8x8 wiegt 15 Tonnen und kann zusätzlich eine Nutzlast von bis zu 5 Tonnen transportieren. Ähnlich wie beim GTK Boxer und anderen modernen Kampffahrzeugen setzt Milrem auf ein modulares Design, das einen schnellen Wechsel verschiedener Nutzlastmodule ermöglicht.

Diese Modularität folgt laut EDR Magazine der "Common Platform Strategie" des Unternehmens, die Entwicklung, Beschaffung und Wartung vereinfachen und die Logistik verbessern soll.

Hybrid-Elektro-Antrieb mit einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern

Das Fahrzeug verfügt über einen Hybrid-Elektro-Antrieb mit einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Der Elektroantrieb ermöglicht laut dem Newsportal Hartpunkt eine nahezu geräuschlose Fortbewegung und liefert sofortiges Drehmoment. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 110 km/h auf Straßen und 50 km/h im Gelände angegeben.

Für die Entwicklung des 8×8 Havoc kooperierte Milrem mit dem irischen Unternehmen Timoney. Die Fahrzeugplattform basiert laut EDR Magazine auf dem elektrischen Antriebsstrang T-900e von Timoney.

Der ballistische Schutz des Havoc entspricht NATO STANAG 4569 Stufe 3, was in der Praxis bedeutet, dass die Panzerung Beschuss mit panzerbrechender Munition im Kaliber 7,62×54R mm aus 30 Metern Entfernung standhalten kann. Dies entspricht etwa der Feuerkraft eines schweren Maschinengewehrs.

Gegen Artilleriesplitter bietet diese Schutzstufe Widerstand gegen eine 155 mm-Granate, die in 60 Metern Entfernung detoniert. Der Minenschutz liegt mit Stufe 1 dagegen auf einem eher grundlegenden Niveau und schützt hauptsächlich gegen kleinere Antipersonenminen und Handgranaten, nicht aber gegen schwerere Panzerabwehrminen.

Zum Vergleich: Moderne bemannte Kampffahrzeuge wie der GTK Boxer verfügen typischerweise über einen deutlich höheren Schutzgrad bis zu Stufe 6, der selbst gegen Beschuss mit mittleren Kalibern und direkte Treffer von Panzerabwehrminen ausgelegt ist.

Zwei weitere unbemannte Kampffahrzeuge

In Abu Dhabi wurde der Havoc mit einem Turm ausgestattet, der eine 30-mm-Kanone und einen dreifachen Raketenwerfer für Frankenburg Technologies Mk1 Boden-Luft-Miniraketen gegen Drohnen trägt. Als weitere Bewaffnungsoptionen werden der MCT-30 Turm von Kongsberg oder das Minenabwurfsystem Skorpion von Dynamit Nobel Defence genannt.

Der Havoc ist jedoch nicht das einzige unbemannte Kampffahrzeug im Arsenal von Milrem Robotics. Neben dem Havoc 8x8 umfasst das Portfolio zwei weitere unbemannte Kampffahrzeuge mit Kettenantrieb: den Type-X und den Vector. Diese sind für den Einsatz in schwierigem Gelände optimiert, während der Havoc mit seinem Radantrieb für schnellere Operationen auf befestigten Straßen konzipiert wurde.

Der Type-X wiegt 12,5 Tonnen und kann bis zu 5 Tonnen Nutzlast tragen. Mit einem Schutzgrad nach STANAG 4569 Level 4 bietet er besseren ballistischen Schutz als der Havoc. Seine Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/h auf der Straße und 50 km/h im Gelände.

Der Vector ist mit 14,5 Tonnen etwas schwerer als der Type-X und verfügt über eine geringere Nutzlastkapazität von 3 Tonnen. Sein ballistischer Schutz entspricht mit Level 3 dem des Havoc, während die Watfähigkeit mit 1 Meter geringer ist als beim Type-X mit 1,5 Metern.

Alle drei Fahrzeuge nutzen einen Hybrid-Elektro-Antrieb und folgen Milrems modularem Konzept, das den Einsatz verschiedener Waffensysteme und Nutzlasten ermöglicht.

Einsatzmöglichkeiten

Der Vergleich zwischen dem unbemannten Havoc 8x8 und bemannten Fahrzeugen wie dem GTK Boxer offenbart grundlegende Unterschiede in ihren operativen Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten.

Der Havoc kann aufgrund seiner unbemannten Natur keine Infanteristen transportieren oder absetzen – eine Kernfähigkeit des GTK Boxer, der als Transportpanzer bis zu acht vollausgerüstete Soldaten befördern kann. Dieser fundamentale Unterschied beschränkt den Havoc auf Aufgaben, die keine menschliche Präsenz vor Ort erfordern.

Zu den möglichen Einsatzgebieten des Havoc zählen Aufklärung in hochriskanten Gebieten, Feuerunterstützung für Infanterieeinheiten aus der Distanz, der Transport gefährlicher Güter und die Sicherung von Geländeabschnitten ohne eigene Truppen. Seine Bewaffnungsmöglichkeiten mit einer 30-mm-Kanone machen ihn zu einer potenziellen Unterstützungsplattform für Feuergefechte.

Die Fähigkeit zur Minenverlegung durch das optional montierbare Skorpion-System von Dynamit Nobel Defence ermöglicht dem Havoc auch Pionieraufgaben wie das Errichten von Sperren, ohne Soldaten zu gefährden. Für den Einsatz im urbanen Umfeld könnte der Havoc zur Erkundung von Straßenzügen oder als mobile Feuerbasis dienen.

Grenzen

Grenzen zeigen sich jedoch bei komplexen taktischen Aufgaben, die Flexibilität und situative Anpassungsfähigkeit erfordern. In Gebieten mit starken elektromagnetischen Störungen oder gezieltem Jamming könnte er funktionsunfähig werden.

Ein weiterer entscheidender Unterschied: Der GTK Boxer kann als Kommandofahrzeug, Sanitätsfahrzeug oder mobile Werkstatt konfiguriert werden – Aufgaben, die ein unbemanntes System wie der Havoc nicht übernehmen kann, da sie die Anwesenheit und das Urteilsvermögen von Menschen vor Ort erfordern.

Während der Havoc also in bestimmten, klar definierten Szenarien Vorteile bietet, bleibt er aufgrund seiner inhärenten Beschränkungen zurzeit eher eine Ergänzung als ein Ersatz für bemannte Kampffahrzeuge wie den Boxer.

Milrem Robotics ist jedoch nicht das einzige Unternehmen, das an der Zukunft unbemannter Kampffahrzeuge arbeitet. Die Entwicklung wird weltweit vorangetrieben, wobei der Havoc technisch heraussticht.

Im Gegensatz zu vielen anderen Systemen, die eher unbewaffnete Trägerplattformen ohne substantiellen Panzerschutz sind, verfolgt Milrem mit dem Havoc einen konsequenteren Ansatz: einen vollwertigen Kampfpanzer von Grund auf unbemannt zu konzipieren.

Konkurrenzsysteme

Russlands Uran-9 System mit seinen 12 Tonnen kommt diesem Konzept nahe, zeigte jedoch bei Einsätzen in Syrien erhebliche technische Probleme, besonders bei der Fernsteuerung. Der chinesische Ansatz, bestehende Type 59 Kampfpanzer zu unbemannten Varianten umzurüsten, stellt eher eine Übergangslösung als eine grundlegende Neukonzeption dar.

Systeme wie das ukrainische TerMIT mit Burya-Turm, der israelische RoBattle von IAI oder Rheinmetalls Mission Master sind im Vergleich zum Havoc weniger geschützt und entsprechen eher bewaffneten Unterstützungsfahrzeugen als vollwertigen Kampfpanzern.

Das RCV-Programm der US-Armee verfolgt einen umfassenderen Ansatz mit verschiedenen Gewichtsklassen unbemannter Kampffahrzeuge, die in Verbindung mit bemannten Systemen operieren sollen.

Alternativer Trend: kleinere Robotersysteme

Während die Entwicklung unbemannter Kampffahrzeuge voranschreitet, erforschen Ingenieure parallel dazu eine ganz andere Kategorie unbemannter Systeme.

Neben den panzerähnlichen unbemannten Fahrzeugen entwickelt sich ein alternativer Trend: kleinere Robotersysteme, die in ihrer Form und Bewegung Tieren nachempfunden sind. Diese könnten künftig klassische Infanterieaufgaben übernehmen.

"Black Panther 2.0"

Ein bemerkenswertes Beispiel ist der chinesische "Black Panther 2.0", ein Roboterhund, der den 100-Meter-Sprint in unter 10 Sekunden absolviert – schneller als die meisten Menschen, hier ein Video.

Mit einem Gewicht von 38 Kilogramm und einer Höhe von 0,63 Metern erreicht diese Maschine laut China Daily eine beachtliche Schrittfrequenz von fünf Schritten pro Sekunde.

Im militärischen Kontext könnten solche Systeme für Aufklärung in schwer zugänglichen Gebieten, Transport kleiner Lasten oder sogar für offensive Operationen eingesetzt werden. Die Tiermorphologie bietet dabei entscheidende Vorteile:

Die Fähigkeit, Treppen zu steigen, über Hindernisse zu springen oder sich durch enge Passagen zu bewegen, macht diese Roboter ideal für den Einsatz in urbanem Gelände oder in Gebäuden.

Der Vierbeiner "Spot"

International arbeiten mehrere Militärs an ähnlichen Konzepten. Das US-Unternehmen Boston Dynamics entwickelte mit "Spot" einen vierbeinigen Roboter, der bereits in industriellen Umgebungen und bei Polizeieinsätzen getestet wurde. Auch vierbeinige Systeme mit integrierten Waffen wurden bereits präsentiert.

Die Herausforderung liegt derzeit noch in der Energieversorgung und der Steuerung dieser Systeme. Während die Bewegungsalgorithmen immer ausgefeilter werden, bleibt die Batterielaufzeit ein limitierender Faktor für längere Einsätze.

Fundamentaler Wandel in der Landkriegsführung

Betrachtet man die Gesamtentwicklung unbemannter Systeme vom großformatigen Havoc bis zum agilen Roboterhund, zeichnet sich ein fundamentaler Wandel in der Landkriegsführung ab. Die Entwicklung unbemannter Kampffahrzeuge wie des Havoc 8x8 von Milrem Robotics könnte einen Wendepunkt im modernen Panzerbau darstellen.

Die Vorteile dieser leichteren, unbemannten Systeme werden zunehmend deutlich: Sie können in hochriskanten Umgebungen eingesetzt werden, ohne Menschenleben zu gefährden, sie sind kostengünstiger zu produzieren als schwere Kampfpanzer und bieten eine höhere taktische Flexibilität.

Der Havoc mit seinen 15 Tonnen ist deutlich leichter als konventionelle Kampffahrzeuge wie der GTK Boxer, der mit 33-38 Tonnen mehr als doppelt so schwer ist. Diese Gewichtsreduzierung bei gleichzeitiger Beibehaltung substanzieller Feuerkraft könnte ein neues Paradigma im Panzerbau einleiten.

Die geringere Masse erhöht die strategische Mobilität, reduziert logistische Herausforderungen und ermöglicht den Einsatz auf Infrastruktur, die für schwerere Fahrzeuge nicht zugänglich ist.

Vorboten

Mit fortschreitender KI-Technologie könnten die aktuellen Einschränkungen unbemannter Systeme schrittweise überwunden werden. Autonome Navigationssysteme werden zuverlässiger, Kommunikationsverbindungen sicherer, und die taktische Entscheidungsfindung intelligenter.

In nicht allzu ferner Zukunft könnten wir Schwärme koordinierter unbemannter Kampffahrzeuge sehen, die gemeinsam komplexe militärische Aufgaben bewältigen.

Der vollständige Ersatz bemannter Kampffahrzeuge durch unbemannte Systeme zeichnet sich bereits am Horizont ab. Während spezielle Aufgaben wie der Infanterietransport noch die Präsenz von Menschen erfordern, könnten diese Funktionen in Zukunft durch kombinierte Systeme erfüllt werden: unbemannte Kampffahrzeuge, die mit spezialisierten Transportmodulen oder mit luftgestützten Drohnensystemen zusammenarbeiten.

Die Zukunft des Panzerbaus könnte somit in Richtung leichterer, agilerer und netzwerkfähiger Systeme gehen, die in Schwärmen operieren und durch fortschrittliche KI koordiniert werden. Konventionelle schwere Kampfpanzer, einst das Rückgrat mechanisierter Streitkräfte, könnten mittelfristig einer neuen Generation unbemannter Kampfsysteme weichen.

Der Havoc 8x8 und ähnliche Entwicklungen könnten dabei die Vorboten einer fundamentalen Transformation der Landkriegsführung sein.