Rüstung: Zahlt Europa jetzt den Preis für jahrelange Sparsamkeit?
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Nach Jahren der Sparsamkeit bei der Rüstung muss Europa nun aufrüsten, um auf eigenen Beinen zu stehen. Doch woher sollen die Mittel kommen?
Vertreter der Europäischen Union ringen immer noch mit der Fassung. US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt immer deutlich gemacht, dass es für die "Alte Welt" Zeit wird, erwachsen zu werden und militärisch auf eigenen Beinen zu stehen.
Friedrich Merz (CDU) drückte es laut New York Times (NYT) kürzlich so aus: Ein Teil der Amerikaner und ein Teil der US-Regierung stehen "dem Schicksal Europas weitgehend gleichgültig" gegenüber. Es sei ungewiss, ob die Amerikaner den Atomschirm weiterhin über Europa aufspannen oder ob das Militärbündnis Nato weiterhin Bestand haben werde.
Trumps harsche Töne: Ein Weckruf für Europa?
Laut Bericht gehen mehrere Analysten davon aus, dass die Trump-Regierung Europa nicht nur gleichgültig gegenübersteht, sondern dass sie die Europäische Union zerstören wollen. Mehrere Aussagen von Trump könnten dafür als Beleg dienen. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte er erklärt, die EU sei als "Feind" gegründet worden, "um den Vereinigten Staaten im Handel zu schaden". Laut NYT wiederholte er dies jetzt:
Die Europäische Union wurde gegründet, um die Vereinigten Staaten zu verarschen. Das ist ihr Zweck, und sie haben gute Arbeit geleistet.
Von solchen harschen Tönen sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. In gewisser Weise weist Trump auf ein Ungleichgewicht unter Partnern hin, das nicht bestehen sollte. Auf den militärischen Bereich bezogen heißt das: Alle Nato-Länder sollen das vereinbarte Ziel bei der Aufrüstung einhalten.
Europas jahrelanges Zögern rächt sich
In den vergangenen Jahren sah es allerdings nicht danach aus. Manche Länder, darunter auch Deutschland, erhöhten ihre Rüstungsausgaben kaum und verfehlten das vereinbarte Nato-Ziel Jahr für Jahr. Jetzt reagiert Trump wie Eltern, die mit pubertierenden Kindern sprechen: Wenn nettes Zureden nicht zum gewünschten Handeln führt, müssen auch mal die Konsequenzen verdeutlicht werden.
Trumps Position kommt dabei für die Europäer nicht überraschend. Schon 2017 hatte die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel gewarnt: "Die Zeiten, in denen wir uns voll und ganz auf andere verlassen konnten, sind vorbei". Die Europäer müssten ihr Schicksal zunehmend selbst in die Hand nehmen.
Früchte getragen hat Merkels Appell allerdings nicht. Und so konnte in den USA die Strömung der "Restrainers" weiter erstarken. Laut der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) orientiert sich diese Strömung vorwiegend an den nationalen Interessen der USA. Die Verteidigung Europas sollen die Europäer entsprechend selbst schultern, während die USA nur noch die Rolle eines "Logistikdienstleisters" und "Garanten freier Seewege" wahrnehmen.
USA setzen neue strategische Prioritäten
Dies geschieht auch vor dem Hintergrund einer Neuausrichtung der US-Außenpolitik. Seit Jahren ist bekannt, dass sich die USA zunehmend dem pazifischen Raum zuwenden wollen, um China einzuhegen. In der außenpolitischen Debatte keimte auch die Idee, dass die USA künftig in der Lage sein müssen, drei Kriege, gegen Russland, China und im Nahen Osten, gleichzeitig führen zu können.
Starke Verbündete innerhalb und außerhalb der Nato spielen in dieser Konzeption eine wichtige Rolle. Denn: "In großen Kriegen kann kein Land, nicht einmal das stärkste der Welt, im Alleingang bestehen", heißt es dazu in einem Aufsatz in der Zeitschrift Foreign Affairs.
Trumps Tiraden gegen Europa tragen jetzt langsam Früchte. Die EU-Kommission arbeitet laut Bloomberg fieberhaft an Plänen, hunderte Milliarden Euro zusätzlich für die Verteidigung zu mobilisieren.
Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse sich Europa über die Dringlichkeit der Lage klar werden. "Was wir in diesem einmaligen Moment benötigen, ist eine 'Dringlichkeits-Mentalität' und einen strategischen Plan zur Wiederaufrüstung Europas", sagte sie laut Bericht.
Lockerung der Schuldenregeln und gemeinsame Finanzierung
Die Pläne sehen unter anderem eine Lockerung der strengen EU-Haushaltsregeln vor, um den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum für Rüstungsausgaben zu geben. So sollen Rüstungsausgaben aus der Defizitberechnung ausgeklammert werden. Auch eine gemeinsame Finanzierung auf EU-Ebene und die Umwidmung bestehender Fonds sind im Gespräch, berichten demnach Insider.
Doch nach dem langen Zögern in Europa ist eine schnelle Aufrüstung kaum zu schaffen. Die Waffenlager sind nahezu leer, nachdem die EU-Staaten jahrelang die Ukraine unterstützt haben. Neue Waffen und Munition aus europäischen Fabriken wird es allerdings auch nicht schnell geben, da die Produktionskapazitäten gering sind und nicht auf eine schnelle Aufrüstung vorbereitet sind.
Kauft Europa nun im Eiltempo Waffen im Ausland, primär in den USA, fließen Milliarden aus der Region ab – und schafft Abhängigkeiten, die über Jahre hinweg den Aufbau einer europäischen Rüstungsindustrie hemmen könnten. Denn der Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie kostet Zeit und Geld – beides im Moment Mangelware in Europa, aber dringend notwendig, um auch bei der Rüstung auf eigenen Beinen stehen zu können. Dieses Dilemma treibt die EU-Kommission dazu, fieberhaft nach Finanzierungsquellen zu suchen.
Komplexe Entscheidungen in Brüssel
Doch in Brüssel sind Entscheidungen komplex. Nicht alle Ideen dürften umgesetzt werden, heißt es laut Bericht aus Insider-Kreisen. Am 6. März soll bei einem Dringlichkeitstreffen der Staats- und Regierungschefs die neue Sicherheitsarchitektur Gestalt annehmen. Bis dahin wird fieberhaft verhandelt, um die Ressourcen der EU zu erweitern.
Einige Länder wie Polen schlagen vor, außerhalb der EU-Strukturen zu kooperieren, um schneller handeln zu können. Eine "Koalition der Willigen" könnte auch Nicht-EU-Länder wie Großbritannien und Norwegen einbeziehen, so die Insider.