Rüstungsindustrie: eine mehr als krisenfeste Branche
Die weltweit größten Waffenkonzerne konnten im ersten Corona-Jahr erneut wachsende Umsätze verzeichnen
Es war eine Meldung, die beinahe unterging, während der Impfstreit und das gerade vorgestellte Spitzenpersonal der Ampel-Koalition die Gemüter erhitzten: Den 100 größten Rüstungskonzerne der Welt konnte die Corona-Krise bisher nichts anhaben – im Gegenteil: Sie haben im Jahr 2020 wachsende Umsätze verzeichnet.
Trotz des Aufrufs von UN-Generalsekretär António Guterres zu einem globalen Waffenstillstand während der Pandemie konnten diese Unternehmen Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 531 Milliarden US-Dollar (470 Milliarden Euro) verkaufen. Dies teilte das Internationale Friedensforschungsinstitut Sipri in Stockholm am Montag mit.
Das waren 1,3 Prozent mehr als im Jahr 2019. Gegenüber 2015 entspricht dies sogar einem Umsatzplus von 17 Prozent. Während die Wirtschaft in vielen Ländern aufgrund der Pandemie schrumpfte, seinen die Verkaufszahlen der Rüstungskonzerne das sechste Jahr in Folge gestiegen, so das Institut.
USA auf erstem Platz, russische Umsätze rückläufig
US-Unternehmen – allen voran Lockheed Martin – führten auch 2020 die Rangliste an. Die Umsätze der 41 in der Liste aufgeführten US-Firmen beliefen sich zusammen auf 285 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg um 1,9 Prozent im Vergleich zu 2019 entspricht. Auf die US-Rüstungsproduzenten entfielen damit 54 Prozent der gesamten Waffenverkäufe der "Top 100".
Den zweiten Platz belegt auf der Liste China mit 13 Prozent, gefolgt von Großbritannien mit 7,1 Prozent. Die 26 europäischen Firmen waren demnach mit Verkäufen im Wert von 109 Milliarden US-Dollar (96 Milliarden Euro) für rund ein Fünftel der Umsätze der "Top 100" verantwortlich.
Die Verkäufe der neun aufgelisteten russischen Waffenschmieden sind weiter zurückgegangen – dieser Abwärtstrend besteht nach Sipri-Angaben bereits seit 2017. Verglichen mit 2019 sanken die russischen Umsätze im vergangenen Jahr von 28,2 Milliarden auf 26,4 Milliarden US-Dollar (23,4 Milliarden Euro), also um etwa 6,5 Prozent.
Mit Rheinmetall, ThyssenKrupp, Krauss-Maffei Wegmann und Hensoldt schafften es auch vier deutsche Unternehmen auf die Liste, die 2020 insgesamt Rüstungsgüter im Wert von 8,9 Milliarden US-Dollar verkauft hatten.
Dies entspricht einer Jahressteigerung von 1,3 Prozent. Das Wachstum war allerdings ungleich verteilt: Die größte deutsche Waffenschmiede Rheinmetall konnte ein Umsatzplus von 5,2 Prozent verzeichnen, während ThyssenKrupp Verluste in Höhe von 3,7 Prozent meldete.
"Die Milliardenprofite der Rüstungsindustrie inmitten der Corona-Pandemie sind eine absolute Bankrotterklärung der Bundesregierung", erklärte die Oppositionspolitikerin Sevim Dagdelen (Die Linke).
"Wer auf ein ‘Weiter so' in der Konfrontationspolitik gegenüber Russland und China setzt, wie die künftige Ampel-Koalition in treuer Gefolgschaft zu den USA, dreht weiter an der Rüstungsspirale und befeuert die globale Kriegsgefahr."
Kramp-Karrenbauers Konjunkturprogramm
Anfang des Jahres hatte die Verteidigungsministerin der Großen Koalition, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) allerdings deutlich gemacht, dass sie in hohen Rüstungsausgaben auch eine Art Konjunkturprogramm sieht: "Wenn wir über große Rüstungsprojekte reden, reden wir auch über nationale Industriepolitik", sagte sie im Januar der Deutschen Presseagentur.
Es mache aus ihrer Sicht "keinen Sinn, dass wir im vergangenen Jahr durch große Konjunkturpakete versucht haben, die Wirtschaft zu stabilisieren und nun dort, wo der Staat etwa im Bereich Rüstung selbst Auftraggeber ist, Aufträge zurückziehen und damit selbst dazu beitragen, dass Arbeitsplätze gefährdet sind".
Das Verteidigungsressort übernimmt nun die bisherige Bundesjustiz- und Familienministerin Christine Lambrecht (SPD). Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP ist unter anderem die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr und eines "Nachfolgesystems für das Kampfflugzeug Tornado" vorgesehen – also eines Trägersystems für Atomwaffen "mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands".
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