Russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerug als "ausländischer Agent" eingestuft
Wehrdienstflüchtige aus Russland haben wenig Chancen auf Asyl in der EU. Es mangelt an legalen Einreisewegen. Der Kreml geht dennoch von Verbrüderung aus.
Die russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung hat es bisher vergeblich an westliche Staaten appelliert, legale Einreisewege für Russen zu schaffen, die sich der Einberufung zum Krieg in der Ukraine entziehen wollen. Allzu gute Kontakte zu westlichen Regierungen dürfte sie also nicht haben.
Trotzdem ist sie nun in Russland offiziell als "ausländischer Agent" eingestuft worden. Das Justizministerium der Russischen Föderation beschuldigt die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung, falsche Informationen über Handlungen, Entscheidungen und Politik der Regierung zu verbreiten und sich gegen die militärischen Aktionen Russlands in der Ukraine zu stellen.
"Für die derzeitige Regierung der Russischen Föderation sind diese Anschuldigungen ausreichend, um die Stigmatisierung der Organisation zu rechtfertigen", erklärt am Dienstag die Organisation Connection e. V., die sowohl russische als auch ukrainische und belorussische Verweigerer und Deserteure unterstützt.
Gesetz über "ausländische Agenten" wurde 2022 verschärft
Seit 2022 ist in Russland das formaljuristische Kriterium der "ausländischen Finanzierung" für die Einstufung als "ausländischer Agent" weggefallen. Für die Registrierung als solcher reicht es bereits aus, "unter ausländischem Einfluss" zu stehen. Das gilt offensichtlich auch für staatsferne, internationalistisch ausgerichtete Organisationen. Innerrussische Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch Spenden, werden aber durch die Stigmatisierung erst recht eingeschränkt.
Auch das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI) und der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) verurteilen aufs Schärfste die Entscheidung des russischen Justizministieriums vom 23. Juni. In einer eigenen Stellungnahme der Russischen Bewegung für Kriegsdienstverweigerung heißt es:
Wir möchten versichern, dass die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung dem eigenen Auftrag weiter treu bleibt. Wir stehen fest zu unseren Grundsätzen und Werten und klären Menschen über ihr Recht auf Kriegsdienstverweigerung auf.
Bewegung für Kriegsdienstverweigerung, Russland, 26. Juni 2023
Deutsche Behörden legen Wehrdienstflüchtigen Steine in den Weg
Während auch die Bundesregierung den Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt und Waffen an das angegriffene Land liefert, blieb der Umgang deutscher Behörden mit Wehrdienstflüchtigen bisher abweisend.
Nach Informationen von Connection e.V. lehnte das Bundesamt für Migration russische Asylsuchende mit der Begründung ab, dass deren Rekrutierung "nicht beachtlich" wahrscheinlich sei – eine deutsche Botschaft lehnte dagegen Visumsanträge junger russischer Männer ab, weil sie zu dem Personenkreis gehören, "der in Russland potentiell von der Teilmobilisierung für die russischen Streitkräfte betroffen ist". Deshalb liege in absehbarer Zeit keine Rückkehrbereitschaft vor.
"Die deutschen Behörden betreiben ein doppeltes Spiel", hatte Rudi Friedrich von Connection e.V. daher im April betont. "Die einen sagen, es drohe keine Rekrutierung, die anderen erklären, es drohe eine Rekrutierung. Und alles nur mit dem Ziel, russische Kriegsdienstverweigerer, Militärdienstentzieher und Deserteure außer Landes zu halten und in den Asylverfahren abzulehnen".