"Russki Mir": Ideologie des Putinismus erobert Russlands Schulen und Unis

Seite 2: Ideologie soll in alle Unterrichtsfächer wandern

Neben dem Austausch von unliebsamem Lehrpersonal und einer Säuberung der Bibliotheken ist ein drittes Standbein der Ideologisierung an Russlands Schulen und Unis die 2022 eingeführten sogenannten "Gespräche über wichtige Dinge". Hier erfahren die russischen Schüler in speziellem Unterricht etwa, dass Wahlen im Land "korrekt und objektiv" seien und dass die "Meinung jedes Wählers berücksichtigt wird".

Zentrale Inhalte sind Patriotismus und Staatsbürgerkunde, historische Bildung und Moralvermittlung im Sinne des Kreml. Putin selbst erteilte in diesen Unterrichtsstunden mehrfach Lektionen und erklärte etwa im letzten September Schülern in Kaliningrad, dass die russische Armee mit ihrer Invasion des Nachbarlandes eigentlich beabsichtigt, einen "Krieg zu stoppen" und "Menschen zu schützen".

Der Umfang dieses Ideologieunterrichts beträgt an den Schulen aktuell eine Stunde pro Woche. Das ist dem Russischen Bildungsministerium jedoch nicht genug.

Die ideologische Arbeit soll nach dem Willen der Akademie des Ministeriums nach einer aktuellen Mitteilung nun auch auf alle übrigen Schulfächer des Lehrplans ausgeweitet werden. So sollen sich Geographielehrer auf die "technischen Errungenschaften des Landes" konzentrieren oder Physiklehrer über die russische Raumfahrt referieren. Geschichtsbücher werden aktuell ideologisch überarbeitet. Alle Fächer sollen in die Vermittlung der "Russischen Welt" eingeschlossen werden.

Was all diese Bestrebungen vereint, ist die Konzentration des Bildungsbereichs auf das Nationale und Traditionen. Moderne Kommunikationsformen wie das Internet werden von den Ideologen eher als Gefahr und weniger als Möglichkeiten für Jugendliche und junge Erwachsene gesehen.

Hier hallt nach, dass die in Russland weitgehend online vernetzte junge Generation in allem Umfragen zur Regierung stets die kritischste Einstellung hat. Das zu ändern ist der wahre Hintergrund aller Bestrebungen der russischen Behörden, wenn sie ideologisierte Unterrichtseinheiten installieren und auf den gesamten Schulbetrieb ausweiten.

Nicht einverstandenen russischen Eltern bleibt in diesem Klima nur das vorsichtige Gespräch mit dem eigenen Nachwuchs über die neuen Inhalte, die die Kinder aus der Schule mitbringen. Exilrussische Medien wie die Onlinezeitung Meduza widmen dem Austausch solcher Eltern umfassenden Raum.

Dabei wird deutlich, dass sie sich alle in der Defensive befinden. Jedoch gab es ideologischen Unterricht in Russland auch zur Sowjetzeit – wirklich verinnerlicht wurde er von denen, die ihn absolvieren mussten, in vielen Fällen nicht.