Russland und China: Gemeinsame Lösung des Ukraine-Kriegs?

Qin Gang kündigt "spürbaren Beitrag" an. Washington entdeckt positive Punkte im Friedenspapier aus Peking. Praktisch wird es auf die Frühjahrsoffensive der ukrainischen Armee ankommen.

Auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im indischen Goa sprachen der russische Außenminister Sergej Lawrow und der Chef der chinesischen Außenpolitik, Qin Gang, über Verhandlungen zum Ukraine-Krieg.

Im Wortlaut der beiden Außenpolitiker ist es die "Ukraine-Krise". Allein das markiert eine deutliche Distanzierung zum Sprachgebrauch im Westen, wo die brutale Realität im Land seit dem militärischen Überfall Russlands am 24. Februar 2022 als "russischer Angriffskrieg" bezeichnet wird.

Die Frage ist also: Gibt es denn auch Brücken über diese Kluft?

"Peking ist bereit, die Ukraine-Krise gemeinsam mit Russland zu lösen, sagt Minister Lawrow", so überschreibt die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass ihren Bericht (in englischer Sprache) zum Treffen der beiden Spitzen der Außenpolitik ihres Landes. Zitiert wird darin Qin Gang – nach dem Wortlaut des chinesischen Außenministeriums:

China wird die Friedensgespräche beharrlich unterstützen und fördern. Wir sind bereit, durch Kontakte und Koordination mit Russland einen praktischen Beitrag zur politischen Lösung der ukrainischen Krise zu leisten.

Qin Gang, Tass

In einem chinesischen Kommuniqué ist statt von einem "praktischen" von einem "spürbaren Beitrag (i.O. tangible)" die Rede. Ein Unterschied?

Die Veröffentlichungen zum Treffen, etwa hier oder hier, verraten dazu nichts. Sie geben diplomatische Erklärungen wieder, die die Vertiefung der Beziehungen ("verstärkte Zusammenarbeit") zwischen Russland und China zum Thema haben.

Aber die Washington Post lieferte am Mittwoch eine Insider-Information, die die chinesische Friedensinitiative beträchtlich aufwertet. Unter "Global Opinions", also nicht als Nachricht, veröffentlichte der Kolumnist David Ignatius die Einschätzung, dass man im Weißen Haus nun offenere Ohren für eine chinesische Vermittlung hat.

"Die Ukraine möchte, dass China eine Vermittlerrolle übernimmt"

Er beruft sich dabei auf private Gespräche mit hochrangigen Beamten und auf eine Aussage von US-Außenminister Blinken ihm gegenüber zu Aussichten einer Zusammenarbeit mit China, um ein stabiles Ergebnis in der Ukraine zu erreichen:

Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden, wenn wir ein Land haben, sei es China oder ein anderes Land mit großem Einfluss, das bereit ist, einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen. ... Wir würden das begrüßen, und es ist sicherlich möglich, dass China bei diesen Bemühungen eine Rolle spielen könnte. Und das könnte sehr vorteilhaft sein.

Anthony Blinken, Washington Post

Blinken sieht demnach im chinesischen 12-Punkte-Friedensplan einige "positive" Punkte: etwa die Achtung der Souveränität, der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität aller Länder. Laut Blinken impliziert der Friedensplan auch einen russischen Truppenabzug.

Wichtig ist ihm die dort angesprochene "Verringerung strategischer Risiken" sowie die Vereinbarung, dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden dürfen. Positiv seien auch die Punkte: Deeskalation und Waffenstillstand.

Nach diesen Ausführungen wird Ignatius noch deutlicher: "Die Ukraine möchte, dass China eine Vermittlerrolle übernimmt", schreibt er. Wahrscheinlich ist es deshalb ein Meinungsstück. Denn es ist unklar, ob Ignatius eine solche spruchreife Absicht von relevanten Vertretern der USA oder der Ukraine jemals gehört hat.

Der WaPo-Kolumnist führt dazu lediglich das Telefonat von Selenskyj mit Xi Jinping an: "Selenskyj sagte später, die beiden hätten darüber gesprochen, wie ein 'gerechter und nachhaltiger Frieden' ohne territoriale Kompromisse seitens der Ukraine erreicht werden könne."

Zum Brückenbau reichen die diplomatisch unverbindlichen und vorsichtigen Äußerungen und Absichtserklärungen nicht. Es bleibt das Primat der militärischen Konfrontation.

Wie die diplomatischen Ankündigungen umgesetzt werden, wird davon abhängen, wie sich die Frühjahrsoffensive der Ukraine entwickelt. Vorher wird weder ein russischer Truppenabzug passieren, noch wird sich die Ukraine auf Verhandlungen einlassen.

Ob Russland oder die Ukraine die wichtigeren militärischen Erfolge davon tragen, wird auch Einfluss auf die Beziehungen zwischen Peking und Moskau haben. Daher die vorsichtigen, prinzipiellen, unkonkreten Äußerungen aus China zur Vermittlerrolle.

Die Großmacht signalisierte kürzlich aber auch, dass man nötigenfalls auf Abstand zu Moskau achtet.