Russlands erste schwere Flugdrohne: Sirius
Sirius UAV. Bild: Jin | Источник: aex / CC BY-SA 4.0 Deed
Ukraine-Krieg: Russisches Militär verstärkt Aufklärungsfähigkeiten. Bislang ist das ukrainische Militär hier im Vorteil.
Russland fehlen schwere Flugdrohnen. In diesem Bereich sind vor allem die USA, der Iran und besonders China führend. Jetzt gibt es Hinweise, dass Russland eine erste schwere Drohne, die Kronstadt (manchmal auch: Kronshtadt) Sirius, in den Dienst gestellt haben könnte.
Grundlage der Vermutung ist eine kurze Mitteilung der Herstellerfirma, veröffentlicht von der russischen Nachrichtenagentur Tass, in der bekannt gegeben wird, dass ein staatlicher Rüstungsauftrag frühzeitig abgeschlossen werden konnte.
Im Artikel heißt es weiter, dass das Unternehmen es ablehnt, Angaben zu den gelieferten Produkten zu machen. Allerdings wird in einem früheren Tass-Artikel davon berichtet, dass die Sirius noch im 2023 in den Truppendienst gestellt werden soll.
MALE-Drohnen
Der Hersteller Kronstadt produziert Flugdrohnen, die bekannteste ist die Orion, eine der türkischen Bayraktar vergleichbaren Drohne. Weiterhin arbeitet das Unternehmen an Hubschrauber- und Düsenjet-Drohnen.
Die besagte Sirius gehört zur Klasse der Medium/High-Altitude Long-Endurance (Male/Hale)-Drohnen, also etwa "ausdauernde Drohnen mittlerer/großer Höhe". Deren bekanntester Vertreter dürfte die US-Drohne MQ-9 Reaper sein. Diese wird von den USA exzessiv im Ukraine-Krieg über dem Schwarzen Meer eingesetzt, um die Ukraine mit Echtzeit-Aufklärungsdaten zu versorgen.
Sie erlangte Bekanntheit vor allem durch völkerrechtswidrige US-Angriffe gegen die pakistanische Zivilbevölkerung, bei denen die USA Tausende Menschen kollateral tötete.
Die Sirius ist eine Weiterentwicklung der Orion-Drohne. Diese hat aber zwei Turboprop-Motoren statt nur einen. Ansonsten ist wenig bekannt über die neue russische Drohne, beziehungsweise es gibt unterschiedliche Angaben.
Doppelfunktion: Kampf- und Aufklärungsdrohne
Laut Wikipedia ist die Sirius eine Male-Angriffsdrohne mit einer Spannweite von 30 Metern, einer Länge von neun Metern und einer Höhe von 3,3 Metern, einer maximalen Kampflast von 450 Kilogramm, einer Reisegeschwindigkeit von 295 km/h, einer maximalen Flughöhe von 12.000 Metern und einer Flugdauer von 40 Stunden. Angeblich hat sie eine Reichweite von bis zu 3.000 Kilometern.
Erst im August dieses Jahres ist die Sirius, die auch als Inokhodets-RU bezeichnet wird, erstmals geflogen.
Wie die amerikanische Reaper kann sie eine Doppelfunktion erfüllen: Sie ist sowohl eine Kampf- wie eine Aufklärungsdrohne.
Auf der Militärmesse Army-2020 wurde sie mit einer Reihe von Waffen wie den gelenkten Bomben FAB-100 und KAB-100 sowie OFAB-250 vorgestellt.
Erfolge der ukrainischen Luftabwehr
Damit könnten die russischen Streitkräfte die Gleitbomben-Kampagne fortführen, die zumindest im Raum Cherson seit den letzten Erfolgen der ukrainischen Luftabwehr zum Erliegen gekommen ist.
In den vergangenen Tagen waren hier wahrscheinlich mindestens drei SU-34 durch die ukrainischen Luftverteidigungskräfte abgeschossen worden. Eine Bestätigung der russischen Streitkräfte über den Verlust gibt es nicht, allerdings wurden seit dem keine Videoaufnahmen mehr von russischen Angriffen mit Gleitbomben im Raum Cherson veröffentlicht.
Russland war allerdings in der Lage, ein Iris-T-System im Raum Cherson teilweise zu neutralisieren.
Sirius als Angriffsdrohne
Um die teuren, bemannten Kampfjets und die schwer zu ersetzenden Piloten zu schonen, könnte Russland schwere Kampfdrohnen wie die Sirius gut gebrauchen. Denn die Gleitbombeneinsätze im Raum Cherson waren überaus erfolgreich für die russischen Streitkräfte – die Gleitbomben sind durch die ukrainische Luftabwehr nicht zu bekämpfen.
So könnten schwere Kampfdrohnen die gefährlichen Einsätze übernehmen. Zwar ist auch die Sirius aufgrund ihrer Größe und ihres Radarquerschnittes gut durch ukrainische Luftabwehr zu bekämpfen. Aber der Systempreis, der nicht bekannt ist, dürfte um einiges günstiger sein als der einer Suchoi Su-34 – Verluste wären so günstiger und nicht mit dem Tod einer Flugzeugbesatzung verbunden.
Zudem ist anzunehmen, dass die Sirius hochfrequenter Einsätze fliegen könnte als ein Kampfflugzeug.
Doch wird die neue Sirius wahrscheinlich nicht primär für direkte Kampfmissionen eingesetzt, sondern wird vermutlich für Aufklärungsmissionen Verwendung finden.
Qualitäten als Aufklärungsdrohne
Denn die Drohne verfügt über ein sehr leistungsfähiges Radar – dem Synthetic Aperture Radar, abgekürzt Sar.
Im Vergleich zu optischen Sensoren liefert ein Sar unter fast allen Wetterbedingungen klare Bilder. Die verwendete Mikrowellenstrahlung wird weniger von atmosphärischen Störungen wie Nebel, Regen oder Schnee beeinträchtigt als Lichtstrahlen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass ein Sar auch bei Nacht einsatzfähig ist. Als aktives Radarsystem beleuchtet es die zu beobachtenden Objekte selbst, wodurch auch in Dunkelheit detaillierte Bilder gewonnen werden können.
Dieses Radar ist also in der Lage, bewegliche Ziele und feindliche Aktivitäten bei dichter Wolkendecke und schlechter Sicht zu erkennen – ein unschätzbarer Vorteil, um den Gegner fortwährend aufzuklären. In diesem Bereich war die Ukraine bisher führend, weil sie vor allem von den USA diese Echtzeitdaten permanent zur Verfügung gestellt bekommt.
Zwar verfügt Russland auch über Satelliten, die den Kampfraum über der Ukraine aufklären können, doch ist die Verfügbarkeit im Vergleich zu den USA stark eingeschränkt. Russland versucht hier aufzuholen und hat erst am 27. Dezember einen neuen Militärsatelliten ins All geschossen.
Es ist der 19. russische Raketenstart in diesem Jahr gewesen. Noch am 21. Dezember starteten die russischen Luft- und Raumfahrtkräfte mit einer Sojus-2.1b den Überwachungssatelliten Bars-M 5L.
Satelliten-Datenverbindung
Kleine Aufklärungsdrohnen, die zu Hunderten permanent über der Front auf beiden Seiten im Einsatz sind, etwa vom Typ eines Quadkopters oder die russische Orlan-10, haben lediglich optische Sensoren oder Wärmebildkameras verbaut. Zudem senden sie ihre Daten an Drohnenoperatoren am Boden, die die Daten dann verarbeiten.
Die Sirius-Drohne hat hingegen eine Satelliten-Datenverbindung. Das ermöglicht eine Echtzeit-Datenverarbeitung für alle angeschlossenen Einheiten der russischen Streitkräfte.
Die fortwährende Anwesenheit der Sirius mit ihren hoch entwickelten Sensoren könnte so die Bewegungen der ukrainischen Bodentruppen sicher aus dem russischen Luftraum überwachen.
Die gesammelten Daten könnten mit russischen Bodeneinheiten sowie Flugzeugen oder etwa Kampfhubschrauber geteilt werden. So könnte auf jede Veränderung der ukrainischen Armee schnell reagiert werden.
Einschätzung
Russlands Militär braucht dringend eine Verstärkung seiner Aufklärungsfähigkeiten. Obwohl es seine Streitkräfte sehr erfolgreich geschafft haben, mit günstigen, kleinen Flugdrohnen die Fähigkeitslücke zu schließen, ist diese Lösung nicht allwettertauglich. Hier ist die Ukraine aufgrund der Beteiligung der USA den russischen Streitkräften deutlich überlegen.
Die Sirius-Drohne kann nicht nur wertvolle Aufklärungsdaten liefern, sondern könnte auch als Bomber eingesetzt werden und Aufgaben übernehmen, für die sonst Piloten in Kampfflugzeugen ihr Leben riskieren.
Russland hat die Entwicklung von Aufklärungs- und Kampfdrohnen in der Zeit vor dem Ukraine-Krieg verschlafen. Im Bereich der Kamikaze-Drohnen ist es mittlerweile weltweit führend, sowohl bei der Produktion als auch bei Drohnendesign.
Da Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, ist anzunehmen, dass der Ausstoß der neuen Drohne signifikant sein kann. Zudem haben russische Ingenieure gezeigt, etwa bei der Lancet- oder Geran-2-Drohne, dass sie Erfahrungen auf dem Schlachtfeld mit großer Geschwindigkeit in Innovationen und Verbesserungen umsetzen können.
Insofern kann die neue Drohne eine ernst zu nehmende Waffe der russischen Streitkräfte werden.