Russlands geheime Waffenfabrik: Der Westen als unfreiwilliger Lieferant

Ukrainische Artillerie feuert mit 2S7 Pion in Bakhmut auf russische Ziele, Jan 2023

Symbolbild: Bakhmut, Ukraine, 17. Januar 2023: Ukrainische Truppen setzen eine 2S7 Pion Selbstfahrlafette ein, um während der russischen Invasion auf feindliche Positionen zu feuern.

(Bild: Dmytro Larin / Shutterstock.com)

Russlands Kriegsmaschinerie wächst, mit unerwarteter Hilfe. Trotz Sanktionen fließt Nitrozellulose, essenziell für Munition. Der Westen, unfreiwillig Komplize?

Trotz internationaler Sanktionen hat Russland seine Importe von Nitrozellulose erhöht, die für die Herstellung von Artilleriemunition benötigt wird. Dies geht aus Handelsdaten hervor, die das Wall Street Journal (WSJ) ausgewertet hat. Die Importe stammen unter anderem von Unternehmen mit Sitz in den USA und anderen westlichen Ländern und Verbündeten.

Wie westliche Produkte Russlands Kriegsmaschinerie antreiben

Im Jahr 2022, dem ersten Jahr der umfassenden Invasion der Ukraine durch Moskau, stiegen die russischen Importe von Nitrozellulose um 70 Prozent. Mitte 2023 beliefen sie sich auf 3.039 Tonnen des Produkts, fast doppelt so viel wie 2021.

Nitrozellulose, ein leicht entzündliches Baumwollprodukt, ist für die Herstellung von Schießpulver und Raketentreibstoff unentbehrlich. Es wird nur in wenigen Ländern hergestellt und unterliegt wegen seiner militärischen Verwendung internationalen Handelsbeschränkungen. Russland produziert nur wenig Nitrozellulose und ist daher auf Importe angewiesen, um Krieg führen zu können.

Unter dem Radar: Der globale Handel, der Russlands Artillerie stärkt

Diese Ansicht vertritt laut WSJ auch Bradley Martin, der das National Security Supply Chain Institute bei der US-Denkfabrik Rand leitet. Er verwies auf die Bedeutung der Nitrozellulose und die Artillerie. "Die meisten Todesopfer auf dem Schlachtfeld und ein Großteil der zivilen Kollateralschäden sind auf Artillerie zurückzuführen", sagte er.

Obwohl Nitrozellulose auch für zivile Zwecke in Tinten, Farben, Lacken und ähnlichen Produkten verwendet wird, gehen Analysten davon aus, dass die steigenden Importe für Waffen bestimmt sind.

Oleksandr Danylyuk vom Zentrum für Verteidigungsreformen, einer Denkfabrik für Sicherheitsfragen in Kiew, der die russischen Importe von Nitrozellulose untersucht hat, sagte laut WSJ, dass das russische Militär die treibende Kraft hinter den Importen sei. "Die gesamte Nachfrage dient entweder der direkten Herstellung von Geschossen oder als Ersatz für Nitrozellulose, die ursprünglich von russischen Fabriken hergestellt wurde", sagte er.

Sanktionen umgangen: Chinas und der Nato-Staaten Rolle im Nitrozellulose-Handel

Nach den Sanktionen der USA und der Europäischen Union, die alle Exporte für das Moskauer Militär verbieten, hat China seine Lieferungen von Nitrozellulose nach Russland erhöht. Russland bezog Nitrozellulose aber auch von Unternehmen aus Nato-Staaten wie den USA oder Deutschland. Auch aus Taiwan wurde das Gemisch nach Russland geliefert.

Ein Großteil der Importe wird vermutlich über ein kleines Unternehmen in der Türkei abgewickelt. Den Handelsdaten zufolge ist es für fast die Hälfte der russischen Einfuhren von Nitrozellulose verantwortlich. Zum Vergleich: Vor dem Krieg stammte lediglich ein Prozent der russischen Nitrozellulose-Einfuhren aus der Türkei.

Zwischen Ethik und Profit: Westliche Firmen im Zwielicht

Westliche Unternehmen bestritten gegenüber dem WSJ, das russische Militär zu unterstützen. Die in New York ansässige Firma International Flavors & Fragrances behauptete beispielsweise, dass ihr Produkt nicht genügend Stickstoff enthalte, um als militärisch geeignet eingestuft zu werden. Das Unternehmen soll rund 80 Tonnen Nitrozellulose über Umwege nach Russland geliefert haben.

Auch der deutsche Hersteller Hagedorn NC soll eine ähnliche Menge über die Türkei nach Russland geliefert haben. Das Unternehmen erklärte jedoch laut WSJ, es stelle keine Nitrozellulose für militärische Zwecke her, sondern verwende sein Produkt als Bindemittel in zivilen Druckfarben und Lacken. Außerdem seien alle Exporte von den zuständigen Behörden genehmigt worden.

Auf dem Prüfstand: Neue Sanktionen gegen Russlands Lieferkette

Dennoch könnten sich die westlichen Unternehmen bald mit weiteren Beschränkungen konfrontiert sehen. Das US-Finanzministerium arbeitet dem Bericht zufolge an weiteren Sanktionen, die Russlands Zugang zu Nitrozellulose einschränken sollen. Ins Visier genommen werden sollen etwa Banken und Institutionen, die den Handel mit der Baumwoll-Verbindung finanzieren.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.