Russlands neue Hightech-Händler sitzen in Asien
Westliche Sanktionen sollten Russland von Spitzentechnologie abschneiden. Doch Recherchen zeigen: Indische und malaysische Firmen liefern munter weiter.
Nachdem der Kreml 2022 seine Truppen in die Ukraine einmarschieren lassen hatte, reagierten westliche Staaten mit Sanktionen. Sie sollten Russland den Zugang zu Spitzentechnologien verwehren. Wie aktuelle Recherchen von Bloomberg zeigen, hat sich in den vergangenen Jahren dennoch ein lukrativer Handel entwickelt. Indische und malaysische Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Eine Analyse von Bloomberg auf Basis von Handelsdaten zeigt: Das indische Pharmaunternehmen Shreya Life Sciences exportierte zwischen April und August 2024 insgesamt 1.111 hochmoderne Server von Dell Technologies nach Russland. Diese PowerEdge XE9680 Server sind mit leistungsstarken KI-Chips von Nvidia ausgestattet.
Die Server und die darin verbauten H100-Chips stehen eigentlich auf einer westlichen Sanktionsliste. Trotzdem gelangten die Lieferungen im Wert von 300 Millionen US-Dollar über zwei russische Handelsfirmen vollkommen legal nach Russland. Seit September 2022 hat Shreya bereits mehrfach solche Technologien exportiert, wobei die Exporte nach Russland ab April 2023 sprunghaft angestiegen sind.
Indien und Malaysia als Drehscheiben für Dual-Use-Technologie
Die Recherchen zeigen Lücken in den Bemühungen westlicher Regierungen auf, Moskau den Zugang zu militärisch nutzbaren Dual-Use-Technologien zu verwehren. Indien hat sich zu einer bevorzugten Drehscheibe entwickelt. Laut Bloomberg ist das Land nach China der zweitgrößte Lieferant von Dual-Use-Technologie nach Russland.
Doch obwohl Indien die Technologie nach Russland liefert, scheint der Ursprung der Lieferungen woanders zu liegen. Handelsdaten deuten darauf hin, dass der Ursprung in Wirklichkeit Malaysia ist. Bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im September lobte der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim das "enorme Potenzial" für den Handel, auch mit Hochtechnologie.
In den Versandpapieren von mindestens 834 Dell-Servern, die für Russland bestimmt waren, wurde Malaysia als Herkunftsland angegeben. Indische Importdaten zeigen laut Bericht zudem, dass von März bis August 1.407 dieser Dell-Server aus Malaysia nach Indien importiert wurden.
Wachsende Verärgerung im Westen über indische Vermittlerrolle
Es ist aber vor allem die Rolle Indiens, die im Westen zunehmend Irritationen auslöst. Vertreter der USA und der EU sind in den vergangenen Monaten mehrfach nach Indien gereist, um die Regierung zum Einschreiten gegen die Lieferungen zu drängen. Trotz der Bemühungen der Biden-Administration, Indien im Wettbewerb mit China auf westlicher Seite zu halten, habe Neu-Delhi jedoch wenig Interesse an den Bedenken der USA gezeigt, so ein hochrangiger US-Beamter gegenüber Bloomberg.
Lesen Sie auch
Chip-Krieg eskaliert: China kontert US-Sanktionen mit Exportverbot
Showdown: Biden eskaliert den Chip-Krieg, China droht mit Vergeltung
EU-Juristen warnen: Mediensanktionen gegen Russland rechtlich bedenklich
US-Regierung plant weitere Chip-Sanktionen gegen China
Neue US-Sanktionen gegen Gazprombank alarmieren Ungarn und Slowakei
Laut David O'Sullivan, dem obersten Sanktionsbeauftragten der EU, hat der Umschlag von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck über Indien seit Dezember 2022 zugenommen. Er führt dies auf die "enorme Menge an Rupien" zurück, die Russland durch Ölverkäufe angehäuft hat. Die EU hat bereits Sanktionen gegen einige in Indien ansässige Unternehmen verhängt.
Die indische Regierung betont, sie habe die US-Vorwürfe geprüft und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Der Fall sei nun abgeschlossen: Shreya Life Sciences etwa stehe nicht auf der Liste der betroffenen Unternehmen. Indiens Exporte von Dual-Use-Gütern stünden "in vollem Einklang mit seinen nationalen Gesetzen und Vorschriften und seinen internationalen Verpflichtungen zur Nichtverbreitung", sagte ein hochrangiger Beamter laut Bloomberg.