Sahel: Liefert die Ukraine Drohnen an Tuareg-Rebellen?

Bild einer Ausfallsstraße von Timbukto, Mali, mit gepanzertem Fahrzeug am Straßenrand.

Timbuktu, Mali, 2013. Bild: Shutterstock.com

Ausweitung der Kampfzone im Ukraine-Krieg: Mit Russland verbündete Militärjuntas im Sahel beschweren sich bei UN-Sicherheitsrat – wegen Einmischung der Ukraine.

Mali, Niger und Burkina Faso, die Allianz der Sahelstaaten (AES), allesamt regiert von einer Militärjunta, haben dem UN-Sicherheitsrat einen Brief mit einem brenzligen Vorwurf geschrieben.

Sie verlangen eine offizielle Verurteilung der Unterstützung der Ukraine für Rebellengruppen in der westafrikanischen Sahelzone. Das käme einer Unterstützung des internationalen Terrorismus gleich, so die Verfasser des Schreibens.

Wie brenzlig der Vorwurf ist, zeigt sich an einem Interview mit einem Kenner der Sahelzone und der dort operierenden Gruppierungen bzw. Organisationen, die mit Dschihadismus entweder in deutlicher oder in schwer zu durchschauenden opportunen Verbindungen stehen.

Ausbildung an Drohnen, möglicherweise auch Drohnen-Lieferung

Der gut vernetzte Ortskenner heißt Lemine Ould M. Salem, ist Journalist mit Spezialgebiet Sahel, Autor zweier Bücher, die sich mit Dschihadismus auseinandersetzen, und eines Dokumentarfilms über Salafisten in der Region.

Im Interview mit Radio France Internationale (RFI), geführt Anfang August, spricht Salem von ernstzunehmenden Hinweisen darauf, dass die Ukraine einer Tuareg-Rebellengruppe nicht nur geheimdienstliche Informationen hat zukommen lassen, sondern angeblich auch eine Ausbildung an Drohnen und wie möglicherweise auch Drohnen selbst.

Beweise dafür hat er nicht, nur Informationen von Gewährsleuten in der Region und Beobachtungen, die den Vorwürfen Plausibilität verleihen. Er formuliert dies entsprechend auch vorsichtig.

Kämpfe mit hohem Blutzoll: Die Ausweitung der Kampfzone

Ausgangspunkt der Fragen ist die kriegerische Auseinandersetzung Ende Juli zwischen Tuareg-Separatisten (CSP-DPA, Permanenter Strategischer Orden für die Verteidigung des Volkes von Azawad) und malischen Streitkräften sowie mit der Armee verbundene russische Kämpfer, ehemalige Mitglieder der Söldnergruppe Wagner, in Tinzaouatène (auch: Tinzawaten oder Tin Zaouatene), im Norden Malis, an der Grenze zu Algerien.

Gegen die malischen Streitkräfte und die russischen Söldner kämpften auch Mitglieder der zum internationalen Netzwerk al-Qaida gehörende Gruppe zur Verteidigung des Islam und der Muslime (JNIM).

Die Kämpfe forderten einigen Blutzoll und hatten eine größere Öffentlichkeit auch in Deutschland. Es folgten diplomatische Reaktionen, die darauf aufmerksam machten, dass sich die Kampfzone des Ukraine-Kriegs ausweitet.

Mehr als "notwendige Informationen"

Geht es nach Lemine Ould M. Salem, so geht die Unterstützung der Ukraine für die Tuareg-Rebellen über "notwendigen Informationen", wie sie Andrij Yusow vom ukrainischen Geheimdienst ausplauderte, hinaus.

"Die Rebellen erhielten die notwendigen Informationen und nicht nur Informationen, die es ihnen ermöglichten, eine erfolgreiche militärische Operation gegen russische Kriegsverbrecher durchzuführen", soll Andrij Jussow, Sprecher des Geheimdiensts, im nationalen Fernsehen erklärt haben.

Also, es handelt sich höchstwahrscheinlich um Informationen, aber es könnte sich auch um militärische Hilfe in Form von Ausrüstung und Ausbildung handeln. Denn laut gewöhnlich glaubwürdigen Quellen in der Region, sowohl innerhalb der Tuareg-Rebellion als auch anderswo, scheinen einige Elemente des CSP in der Ukraine selbst eine Ausbildung erhalten zu haben.

Lemine Ould M. Salem

Sicher sei, so der Sahel-Korrespondent, dass einige Tuaregs der Gruppe in die Ukraine gereist seien:

"Dort haben sie eine Ausbildung absolviert. Wir wissen nicht viel über die Einzelheiten dieser Ausbildung, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine Ausbildung im Umgang mit einer Reihe von Waffen handelte, die angeblich geliefert wurden, darunter insbesondere Drohnen."

Wenn man sich die Bilder nach der Schlacht und die von den Tuareg-Kämpfern gefilmten Bilder der Schlacht ansehe, so der Journalist weiter, sei es "offensichtlich", dass es den Einsatz von Drohnen seitens der CSP-Rebellen gab.

RFI: Also genau das ist die Frage: Könnten die Ukrainer den Tuareg-Rebellen des CSP materielle Unterstützung in Form von Drohnen geliefert haben?

Lemine Ould Mohamed Salem: Man fragt sich, welches Land der CSP Drohnen zur Verfügung stellen könnte, wenn es nicht die Ukraine oder eines der mit der Ukraine verbündeten Länder ist... Seit dem Ausbruch der Tuareg-Rebellion im Jahr 2012 im Norden Malis haben die Tuareg-Rebellen noch nie Drohnen eingesetzt.

Interview, RFI

Kooperation mit Dschihadisten im Pulverfass Sahel

Laut einem Bericht der Deutsche Welle besteht die CSP-DPA aus der Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad (MNLA), der Bewegung der Araber des Azawad (MAA) und mehreren anderen kleineren Gruppen, darunter den Hohen Rat für die Einheit des Azawad (HCUA).

An der Aufzählung wird auch für Nicht-Spezialisten der Sahelregion ein Phänomen sichtbar, das zu den Eigentümlichkeiten der Gruppen gehört, deren Kern Großfamilien und Clans ausmachen: die Dynamik ständiger Veränderungen. So hatten etwa auch die Turaeg-Rebellen der Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad (MNLA) Verbindungen zu al-Qaida.

Opportune, situative, lokale Kooperationen mit dschihadistischen Milizen, selbst mit solchen, die man gestern noch blutig bekämpft hat, was auch morgen wieder passieren kann, scheinen immer wieder möglich. So kam es in der Sahelzone kurzeitig wegen gemeinsamer Interessen zu lokalen Bündnissen zwischen den ansonsten verfeindeten JNIM und IS-Gruppierungen.

Die naheliegende Folgerung ist, dass Waffenlieferungen und Ausbildung an Waffen in dieser Region voller Pulverfässer nicht gerade stabilitätsfördernden Maßnahmen sind, auch wenn es gegen autokratische Machthaber geht.