Schadenersatz für Bespitzelung in linken Kreisen?
Am 28. Januar verhandelt das Schweriner Verwaltungsgericht die Klage eines Mannes, der erreichen will, das der Fall Mark Kennedy auch in Deutschland Konsequenzen hat
"Der Kläger möchte in diesen Verfahren feststellen lassen, dass ein von dem Beklagten zu verantwortender verdeckter Einsatz eines britischen Polizisten im Land Mecklenburg-Vorpommern im Vorfeld des im Jahr 2007 in Heiligendamm durchgeführten G8-Gipfels rechtswidrig war und den Kläger, der damals Pressearbeit zu den Protesten gegen den G8-Gipfels machte, in seinen Rechten verletzte". So kündigte der Präsident des Schweriner Verwaltungsgericht in einer Pressemitteilung eine Verhandlung an, die am 28. Januar vor der 7. Kammer stattfindet.
Kläger ist Jason Kirkpatrick, der in den USA geboren wurde und seit vielen Jahren in Berlin lebt. Er gehörte vor fast 20 Jahren zum Freundeskreis eines vermeintlichen linken Aktivisten, der sich Mark Stone nannte. Die Empörung war groß, als sich 2010 herausstellte, dass er in Wirklichkeit Mark Kennedy hieß und als Spitzel im Dienst der britischen Polizeibehörde Scotland Yard stand. Seitdem hat sich Kirkpatrick mit anderen betroffenen Linken für die Aufarbeitung des Falles eingesetzt. Daher hat der Gerichtstermin auch eine besondere Bedeutung für seinen Kampf um Gerechtigkeit.
Nie festgenommen und keine Einträge
Besonders sauer ist Kirkpatrick über die Tatsache, dass Polizei und Geheimdienste ihn ausspähen ließen, obwohl er niemals festgenommen worden ist und keinen Eintrag in seinem polizeilichen Führungszeugnis hat. "Ist es erlaubt, jemanden auszuspionieren, der nie etwas Illegales getan hat?" Diese Frage stellt sich Kirkpatrick seitdem. Mit dieser Frage beschäftigte sich sowohl eine richterliche Untersuchungskommission in London als auch das Schweriner Verwaltungsgericht.
In der britischen Hauptstadt wird das Vorgehen einer geheimen Polizeieinheit der London Metropolitan Police aufgearbeitet, die mit Verdeckten Ermittlern wie Kennedy über Jahrzehnte die linke Szene Westeuropas, aber auch – im Auftrag der US-Bundespolizei FBI – der USA infiltrierte. Kennedy wurde zudem in Großbritannien von mehreren Frauen verklagt, mit denen er als vermeintlicher linker Aktivst Beziehungen aufgenommen hatte.
Die Metropolitan Police erkannte an, dass er die Menschenrechte der Frauen verletzt hatte und entschuldigte sich. Außerdem bekamen die Klägerinnen Schmerzensgeld und Schadensersatzzahlungen in Höhe von bis zu 500.000 Euro.
In Schwerin muss das Gericht über eine Klage Kirkpatricks entscheiden, der Kennedys Spitzeleien für das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern während des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 für rechtswidrig erklären lassen will. Durch eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko von der Partei Die Linke wurde bekannt, dass es Verträge zwischen Kennedy und dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg anlässlich des Nato-Gipfels in Straßburg 2009 und dem LKA Mecklenburg-Vorpommern anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 gegeben hat.
Nicht der einzige Undercover-Agent unter Linken
Im Fokus der Überwachung standen Personen, die sich im deutschen Anti-G8-Netzwerk "Dissent!" engagierten, in dem sich zu Hochzeiten der globalisierungskritischen Bewegung Aktivistinnen und Aktivisten der außerparlamentarischen Linken organisiert hatten. Auch Teilnehmer der Anti-Atom-, Antikriegs-, Antirassismus- und Klimaprotestbewegung in Deutschland wurden von Stone alias Kennedy ausgeforscht.
Er war nicht natürlich nicht der einzige Untercover-Agent, der auf Linke angesetzt wurde. So wurde durch die Aussagen des Whistleblowers Peter Francis bekannt, dass er gemeinsam mit dem Spitzel Bob Lambert in den 1990er-Jahren in der antifaschistischen Szene Bayerns unterwegs war. Bekanntgeworden ist auch ein Polizeiagent mit dem Tarnnamen "Marco Jacobs", der den Protest gegen das G8-Treffen in Heilgendamm infiltriert hatte.
In den 1980er und 1990er-Jahren war Manfred Schlickenrieder auf die antiimperialistische Linke in verschiedenen westeuropäischen Ländern angesetzt. Dafür gründete er sogar eine Organisation, die sich Gruppe 2 nannte. Die Enttarnung dieser Spitzel sorgte vor allen in der kleinen linken Szene für Aufregung, hatte aber keine gesellschaftlichen Folgen. Sollte Jason Kirkpatrick mit seiner Klage vor dem Schweriner Verwaltungsgericht Erfolg haben, wäre es das erste Mal, dass ein Opfer der staatlichen Ausforschung in Deutschland Schadenersatz bekäme.