Schlafwandelnd in die Katastrophe?

US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Italiens Ex-Premierminister Mario Draghi und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau am 26. Juni 2022.

US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Italiens Ex-Premierminister Mario Draghi und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau am 26. Juni 2022. Bild: Thomas Lohnes / Public Domain

Krisen, von der geopolitischen bis zur Klimakrise, können nicht mit Denkweisen gelöst werden, die sie verursachten. Was verleugnet wird. Und warum. Gastkommentar.

Zu Beginn meiner Laufbahn am Max-Planck-Institut für Meteorologie in der Hamburger Hafenstadt hatte ich einen Kollegen, direkt und offen im Umgang, der zuvor als Erster Offizier auf verschiedenen Handelsschiffen gearbeitet hatte.

Wolfgang Knorr ist Klimawissenschaftler, Berater der Europäischen Weltraumorganisation und Forscher an der Universität Lund.

Unser Problem

Er mokierte sich gerne über die mangelnde Seriosität unseres Berufsstandes angesichts der – gelinde gesagt – glimpflichen Folgen von Irrtümern wie Fehler im Computercode unserer Modelle. Aber er war immer noch froh über die zusätzliche Bezahlung und den Komfort, sich keine Gedanken über Navigationsfehler in der realen Welt und die möglichen katastrophalen Auswirkungen machen zu müssen, die sie nach sich ziehen könnten.

Jetzt im Nachhinein stelle ich fest, dass seine vorausschauenden Bemerkungen sowohl richtig waren als auch weit daneben gelegen haben. Sie trafen genau den Punkt, insofern die kleinteilige Detailarbeit der typischen Klimawissenschaftler an diesem und jenem Aspekt ihrer immer komplexeren Modelle in der Tat nur sehr begrenzte Auswirkungen auf die reale Welt hat.

Sein Argument, dass die Arbeit lächerlich überbezahlt ist, ist also immer noch gültig. Aber in einem anderen Sinne hat er sich sehr geirrt. Es sind nicht die schlampigen Programmiervorgänge, sondern genau diese Konzentration auf immer mehr Details, die durch den unerbittlichen Druck, zu veröffentlichen und an der Spitze des "wissenschaftlichen Fortschritts" zu stehen, diktiert wird, die in der realen Welt ernsthafte Probleme erzeugt.

Konzentration auf Details

Das Problem für die Menschheit besteht darin, dass genau diese Konzentration auf die Details in die öffentliche Debatte über die drohende Klimakatastrophe übergeschwappt ist: Erwärmungsgrade, Treibhausgase, Kohlenstoffbudgets, Netto-Null-Emissionen, Emissionsziele, "Null-Emissionsverpflichtung" (ich überlasse es Ihnen, die Bedeutung dieses bizarren Begriffs nachzuschlagen) und zunehmend auch Geoengineering.

Aufseiten der Auswirkungen geht es um Waldbrände, Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen. Dies sind alles sehr berechtigte Diskussionen, aber wie David Spratt und Ian Dunlop schon vor Jahren feststellten, ist die größte Bedrohung für die Menschheit nicht ein sich erwärmender Planet, sondern ein "Versagen der Vorstellungskraft".

Denn beim Klima geht es nicht nur um den Kohlenstoffhaushalt, Hitzewellen und Stürme, sondern auch um die Gefahr, dass das fragile und hochkomplexe soziale Netz, das wir auf diesem Planeten geschaffen haben, aus den Fugen gerät.

Die Sicherheitskrise Europas

Wie Jem Bendell, der für seine Ansichten über den drohenden klimabedingten Kollaps bekannt ist, in seinem neuesten Buch darlegt, stehen wir vor einem kontinuierlichen Niedergang – wenn nicht gar Zusammenbruch – einer Vielzahl sozialer und ökologischer Systeme, die die Grundlage der modernen Konsumgesellschaft bilden. Und dieser Zerfall kann leicht und plötzlich in Gewalt umschlagen.

Um zu verstehen, wie ernst diese Bedrohung ist, braucht man nur einen Blick auf die sich ausbreitende Sicherheitskrise in Europa zu werfen, die dabei ist, den Kontinent in die unbeständigste Region der Welt zu verwandeln.

Bis vor Kurzem wurde auf einer Welle des von den Medien erzeugten Optimismus darüber diskutiert, dieses oder jenes System von "Wunderwaffen" mehr oder weniger schnell zu liefern, eingebettet in Versprechen, der Ukraine zu helfen, "den Krieg zu gewinnen".

Jetzt, da klar wird, dass die ukrainische Seite verliert, kippt der frühere Optimismus schnell in eine zunehmend kriegerische Panik um. Was jedoch nie in den Mainstream-Dialog unserer politischen und medialen Eliten Eingang gefunden hat, ist die grundlegende Frage nach dem Wahrheitsgehalt und der Weisheit der zugrunde liegenden Vorstellungen über die Natur des Problems.