Schnippeln am Genom - wie Forscher resistente Pflanzen "erfinden"

Mitunter anfällig: Cavendish-Bananenpflanze. Foto: *Spatz* / CC-BY-SA-3.0,2.5,2.0,1.0

Pflanzenkrankheiten werden neuerdings mit CRISPR-Cas-Techniken bekämpft. Dabei ist die "Gen-Schere" bei weitem nicht so zuverlässig wie behauptet: Manchmal kommt es zu riskanten Nebeneffekten

Bananen gehören zu den Hauptexportfrüchten im internationalen Obsthandel. In vielen Ländern sind sie auch Grundnahrungsmittel. Rund 85 Prozent der Jahreserzeugung werden direkt vor Ort konsumiert. Doch nun droht eine besonders aggressive Variante der Pilzerkrankung Panama Disease den Bananenanbau lahmzulegen. Von Südostasien ausgehend, verbreiten sich der Pilze der Gruppe Fusarium oxysporum f. sp. cubense bis in die Bananen-Anbaugebiete nach Lateinamerika hinein.

Die Mutante Tropical Race 4 (TR4) tötet nicht nur Cavendish-Bananen, sondern auch andere Bananensorten. Dabei wurde die Exportbanane gerade wegen ihrer Resistenz gegen frühere Foc-Varianten eingeführt. Auf der anderen Seite fördert die Spezialisierung auf eine einzige Sorte die Ausbreitung des neuen Pilzes Die Pflanzen werden vegetativ über abgeschnittene Triebe vermehrt. Als genetisch identische Klone sind sie dem Erreger, der über die Wurzeln eindringt, hilflos ausgeliefert. Eine wirksame chemische Behandlung gibt es nicht. Der Pilz kann rund 40 Jahre im Boden überdauern, wobei er über menschliche Schuhsohlen weiter geschleppt wird.

In Asien und Afrika ist TR4 bereits weit verbreitet. Im vergangenen Jahr wurde der Pilz erstmalig in Kolumbien gefunden, mittlerweile wurde er auch in Costa Rica und auf einer Plantage in Peru nachgewiesen. Der niederländische Händler AgroFair, der große Mengen an Bio-Bananen aus Peru bezieht, bietet bereits intensive Schulungen für Landwirte an, um den Pilz einzudämmen.

Bereits 2017 startete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ein Fünfjahresprogramm in 67 Ländern. Mit insgesamt 81,3 Millionen Euro sollte der Pilz TR4 im Bananenanbau bekämpft werden. Damals waren nahezu 100.000 Hektar betroffen. Bis 2040 könnte der Pilz bis zu 1,6 Millionen Hektar Anbaufläche befallen, fürchten Wissenschaftler. Dies würde einem Sechstel der globalen Erzeugung mit einem Wert von jährlich acht Milliarden Euro entsprechen.

Natürliches Resistenzgen für Kulturbananen?

In einer Studie von 2017 entwickelte ein Forscherteam der Queensland University of Technology eine genveränderte - TR4-resistente - Linie der Cavendish-Bananen. Das entsprechende Gen - RGA2 - wurde in die Kulturbanane Cavendish übertragen und auf Böden getestet, die mit dem Erreger infiziert waren. Eine der gentechnisch veränderten Cavendish-Linien erwies sich über drei Jahre als komplett resistent. Drei weitere veränderte Linien gelten als weitgehend resistent. Zwar ist das Resistenzgen RGA2 in der Cavendish-Banane bereits vorhanden, allerdings nicht sehr aktiv.

Nun will das Forscherteam um James Dale das Gen durch "Genome Editing" reaktivieren. Mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas soll der DNA-Code gewöhnlicher Bananenpflanzen derart "optimiert" werden, dass der Pilz die Pflanze nicht befallen kann. Dafür soll ein Gen aus einer Wildbanane verwendet werden. Man wolle eine "nicht gentechnisch veränderte Sorte" von Cavendish schaffen, die TR4-resistent sei, hieß es.

An der Universität Wageningen werden bereits seit einigen Jahren Bananenmuster aus aller Welt getestet. Im September 2020 gelang es den Wissenschaftlern gemeinsam mit Kollegen aus Indonesien, die Genetik für die Resistenz von Musa acuminata, einem Vorfahren der Cavendish-Banane, zu analysieren. Diese Banane ist sowohl gegen TR1 als auch gegen TR4 resistent. Um über molekulare Marker den Züchtungsprozess zu beschleunigen, sollen die zuständigen Gene genauer untersucht werden. Die ersten Bananen sollen 2023 auf den Markt kommen.

Diese "Resistenzforschung" soll in den nächsten fünf Jahren mit mehreren Millionen Dollar finanziert werden, unter anderem durch das US-Unternehmen Fresh Del Monte - Marktführer für Obst und Gemüse.

Auch in Uganda wird seit 2010 mit gentechnisch veränderten Bananen im Freiland experimentiert. Ziel ist eine künstliche Resistenz gegen Xanthomonas campestris - ein Bakterium, das Blattwelke auslöst und bis zu 90-prozentige Ertragseinbußen verursachen kann. In die genveränderten Bananen wurden zwei Gene aus grünen Paprika übertragen. In Freilandversuchen wiesen die meisten der transgenen Bananen bis zu hundertprozentige Resistenzen auf. In Kenia startete 2016 ein entsprechender Freilandversuch mit Xanthomonas-resistenten Bananen. Den Wissenschaftlern gelang es inzwischen, die Bananen mit Hilfe von CRISPR/Cas gegen die Blattwelke resistent zu machen. Die Pflanzen werden zur Zeit im Gewächshaus getestet.

Öko-Bananen - gentechnikfrei und resistent gegen Pilze

Vor etwa einem Jahr brachten Forscher eine Banane auf den Markt, die resistent ist gegen eine Pilzkrankheit namens Black Sigatoka, welche Blätter von Bananenstauden befällt. Die Sigatoka-resistente Sorte Pointe d’Or wurde auf den Inseln Guadeloupe und Martinique erstmalig ökologisch und gentechnikfrei kultiviert und 2020 in den Bio-Regalen der französischen Supermarktkette Carrefour angeboten. Die Wissenschaftler des französischen Forschungsinstituts CIRAD, die die Banane züchteten, entwickelten gleichzeitig mit den Anbauern ein Konzept für ein agrarökologisches Anbausystem.

Die neuen Bananen wachsen pestizidfrei in Mischkulturen unter sogenannten Schattenbäumen. In der vergangenen Saison ernteten sie tausend Tonnen auf 35 Hektar. Mit ihrer natürlichen Resistenz ebne Pointe d’Or den Weg für den Anbau von Bio-Bananen, zeigt sich CIRAD-Züchter Frédéric Salmon optimistisch.

Um den Pilz TR4 in Schach zu halten, wollen die CIRAD-Experten die genetische Vielfalt im Bananen-Anbau erhöhen. Weniger dicht angebaut und mit anderen Pflanzen und Bäumen kombiniert, seien die Pflanzen viel weniger krankheitsanfällig, erklären die Wissenschaftler. Allerdings würde der Verkaufspreis deutlich höher, weil er die ökologischen und sozialen Kosten umfasst.

Nun ist die Gründung einer internationalen gentechnikfreien Allianz aus Bananenforschern, Züchtern und Anbauern geplant. Denn, so die Forscher, gentechnisch veränderte Sorten werden auf vielen Märkten nicht akzeptiert, und die neuen gentechnologischen Verfahren werden - zumindest in Europa - als Gentechnik betrachtet.

Tiefer Eingriff ins Genom

"Genome Editing" und die Gen-Schere CRISPR/Cas funktionieren wie natürliche Mutationen, behaupten Gen-Forscher. Zudem kann man mit der neuen Gen-Schere noch tiefer ins Genom eingreifen als vorher. Überall in der Natur kommen Mutationen vor, argumentieren die Forscher. Allerdings gibt es einen Unterschied: Die Mutation ereignet sich nicht irgendwo im Genom einer Pflanze, sondern an einer vorgegebenen Stelle, die Forscher für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich machen - so wie die Widerstandsfähigkeit gegenüber einer Viruskrankheit. Der DNA-Strang werde genau hier durchtrennt und anschließend vom zelleigenen Reparatursystem - wenn auch mit kleinen Abweichungen - wieder zusammengefügt, berichtet das gentechnikfreundliche Portal Transgen.

Mit der neuen Technik lassen sich im Zielorganismus neue Gene einschleusen, abschalten und die Züchtung beschleunigen. So wie bei CRISPRoff - einer neuartigen Technologie, die Gene gezielt ausschalten kann, ohne die DNA direkt zu verändern. Über mehrere Zellgenerationen hinweg werden die inaktivierten Gene vererbt. CRISPRoff dient nicht als Schneidewerkzeug, sondern markiert das gewünschte Gen mit Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, welche zusammen eine Methylgruppe bilden. Es verhindert, dass ein Gen abgelesen und in RNA umgeschrieben wird.

Damit greift der "Gen-Schalter" in die Epigenetik einer Zelle ein. Ähnlich wie die Gen-Schere CRISPR-Cas enthält dieser das bakterielle Enzym Cas9 - nur in einer deaktivierten Variante. Das Gegenstück - CRISPRon - entfernt sämtliche Methylgruppen, um die ausgeschalteten Genabschnitte zu reaktivieren.

Gen-Schere arbeitet fehlerhaft

So präzise, wie immer behauptet wird, ist die neue Technik keineswegs. So arbeiten Forscher fieberhaft an der Vermeidung sogenannter Off-Target-Effekte: Das sind Schnitte der CRISPR-Gen-Schere an unerwünschten Stellen im Erbgut, die immer dann auftreten, wenn die DNA-Abschnitte dem eigentlichen Ziel sehr ähnlich sind. Virale Moleküle sollen als natürliche Gegenspieler genutzt werden, um Anwendungen von CRISPR-Cas besser zu kontrollieren und zu lenken. Um in das Erbgut von Tieren und Pflanzen einzugreifen, werden immer raffiniertere Technologien entwickelt - wie "Zinkfingernukleasen" oder "RNA-abhängige DNA-Methylierung".

Beim Herbeiführen von Doppelstrangbrüchen können unbeabsichtigte Veränderungen auftreten, wie zum Beispiel der ungewollte Einbau zusätzlicher DNA-Fragmente. dabei werden Zielgene verwechselt, oder es gehen Chromosomen verloren. Ein Beispiel dafür ist eine US-Studie aus dem Jahr 2020. Hier wurde mit der Gen-Schere an menschlichen Embryonen herum geschnippelt. Ziel war die Korrektur einer Mutation, die eine Erbkrankheit (Retinitis pigmentosa) verursacht, welche zum Erblinden führen kann.

Die Gen-Schere sollte die fehlerhafte Gensequenz durchtrennen. Die Forscher wollten die Fehler im Erbgut durch zelleigene Reparaturprozesse korrigieren. Dieses Ziel wurde verfehlt. Statt dessen gingen bei mehreren Embryonen nicht nur große Teile des Chromosoms mit dem Zielgen verloren, sondern es entstanden auch ungewollte Mutationen.

Unbeabsichtigte Veränderungen traten auch an einem anderen Gen auf, das dem Zielgen zwar ähnlich war, sich aber auf anderen Chromosomen befand. Bei manchen Embryonen bewirkte die unbeabsichtigte Aktivität der Gen-Schere auch den Verlust des Chromosoms. Das Fehlen bestimmter chromosomaler Abschnitte kann die Entwicklung des Embryos negativ beeinflussen: So können Krebszellen entstehen, Geburtsfehler oder Fehlgeburten auftreten.

Ist die Gentechnikfreiheit in Europa bedroht?

Ob Resistenzen gegen Pilze, Toleranzen gegen Trockenheit oder Staunässe - mit "Genome-Editing" oder CRISPR/Cas werden Krankheiten reguliert und Toleranzen gegen Trockenheit angezüchtet. Doch so einfach ist dann auch wieder nicht, das geben selbst die Gen-Forscher zu. Denn komplexe Eigenschaften wie Salz- oder Trockenresistenzen in Nutzpflanzen werden nicht durch einzelne Gene, sondern durch ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher genetischer Faktoren bestimmt.

Zudem tun sich eine Reihe von ethischen Fragen auf, denn für gezüchtete Tiere und Pflanzen, Saatgut, Lebens- und Futtermittel tragen wir als Menschen die Verantwortung. Mit immer neuen gentechnischen Erfindungen eröffnen sich immer neue juristische Interpretationsspielräume. Die wiederum werden von Agrarkonzernen genutzt, um genmanipulierte Pflanzen ohne Zulassungs- und Kennzeichnungspflichten zu vermarkten und sich die neuen Methoden patentieren zu lassen. Damit bringen sie die Bauern in ihre Abhängigkeit, diktieren immer neue Saatgutpreise und monopolisieren den Saatgutmarkt.

Seit Jahren üben sich Industrie und gentechnikfreundliche Teile der politischen Klasse in Lobbyarbeit, um neue Verfahren wie CRISPR/Cas von der Gentechnik-Gesetzgebung auszunehmen. Damit wollen sie die derzeitige Definition von Gentechnik aufweichen. Das gefährde die Wahlfreiheit und die Sicherheit von Mensch und Umwelt, warnen Umweltorganisationen wie die Stiftung Aurelia, die sich für den Schutz der Bienen einsetzt, in einem aktuellen Positionspapier.

Unterdessen fordern 94 Verbände und Organisationen die Bundesregierung auf, in Deutschland wie in ganz Europa derzeitige und künftige Gentechnikmethoden sowie gentechnisch veränderte Organismen nach dem bestehenden EU-Gentechnikrecht zu regulieren und zu kennzeichnen. So besteht Hoffnung, dass wir auch in Zukunft natürliche, gentechnikfreie Lebensmittel essen können.

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