Schule kaputtgespart: Milliarden für Waffen statt für Bildung

Schüler legt Kopf erschöpft auf Schulpult

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Deutsche Schulen sind in der Krise: Es fehlen Lehrkräfte, Ausstattung und Geld. Berlin setzt andere Prioritäten. Mit welchen Folgen? (Teil 1)

Wie schön wäre es, wenn Kinder und Jugendliche gern zur Schule gehen würden. Wie gut wäre es, wenn sie dort mit hoher Bildungswirksamkeit freudvoll lernen könnten. Doch hierfür nötige Schulreformen, multiprofessionelle Teams, inklusive Lerngruppen und eine verbesserte Lehrerbildung kosten Geld – Geld, das zukünftig fehlen dürfte, da nun Hunderte Milliarden Euro in Waffen investiert werden sollen.

Bildung als gesellschaftliches Problem

Es gibt national und international gute und reformorientierte Schulen. Doch die Entwicklung geht viel zu langsam. Noch immer sind die in den Schulen vorherrschende Schulpädagogik und Fachdidaktik Ausdruck eines veralteten Bildungsverständnisses. Ebenso gilt dies für Schulleistungsstudien, die eine Effizienz messen, die sich nur auf einen überhöhten Teilaspekt von Menschenbildung bezieht.

Zudem fehlen professionell ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer an vielen Schulen. Der Unterricht muss daher häufig ausfallen, da Vertretungskräfte fehlen. Inklusive Bildung bleibt eine Illusion und führt zur Überforderung von Lehrkräften und auch Lernenden, wenn hier keine multiprofessionellen Teams in den Lerngruppen arbeiten können. Auch die Lehrenden äußern ihre Kritik am Bildungssystem sehr deutlich.

Aber für gute Schulen, einen lernförderlichen Unterricht, für inklusive Bildung und für entsprechend ausgebildete Lehrkräfte, bedarf es einer Bildungsoffensive, die sehr viel Geld kosten würde.

Schülerinnen und Schüler sollten zunächst zukunftsfähig werden und dass sie in der Lage sind, ihren eigenen Lebensunterhalt mit gesellschaftlich und auch individuell sinnvoller Berufstätigkeit zu bestreiten. Doch Schulen sollen auch Lernbedingungen stellen, in denen die Lernenden sich wohl fühlen. Lernen kann sehr viel Freude bereiten, wenn es von den Lehrenden gekonnt initiiert wird. Warum sollten Schülerinnen und Schüler nicht auch Glückserfahrungen in der Schule haben?

Doch noch immer leiden viele Schülerinnen und Schüler an der Schule über Jahre ihres noch jungen Lebens hinweg daran, dass längst vorhandene Erkenntnisse der Lernpsychologie und der Erziehungswissenschaften nicht für ein motiviertes Lernen genutzt werden. Nichts motiviert mehr als Erfolgserlebnisse im möglichst selbstständigen Aufbau eigener Kompetenzen. Nichts demotiviert mehr als übermäßiger Leistungsdruck, persönliche Abwertung und die Durchgängigkeit lehrerdominierten Lernens.

Die gesellschaftliche Bedeutung der Bildung

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Bildung wesentlich mehr als aus angehäuftem und auswendig gelerntem Wissen besteht. Wissen ist totes Wissen, wenn es nicht zu einem Können, also zu Kompetenzen im Denken und Handeln führt.

Hierbei unterliegen das Bildungsverständnis und die Institutionen der Bildung dem systemischen Wandel von Gesellschaften. Vormilitärische Härteerziehung und Entwicklung von Feindbildern in der Schule sind beispielsweise in anderen Gesellschaftssystemen gefragt als dies für die Förderung sozialer Empathie und Demokratiefähigkeit gilt.

Wenn ein Elon Musk jüngst – kaum widersprochen – die Empathie als Ausdruck kulturellen Niedergangs westlicher Gesellschaften öffentlich erklären kann, ist dies Ausdruck einer US-Gesellschaft, die gegenwärtig dabei ist, ihre bereits unzulänglich vorhandenen demokratischen Strukturen vollends abzubauen und zu zerstören.

Schule verändert die Gesellschaft, Gesellschaft die Schule

Genauso wie Gesellschaften sich ihre für sie typischen Schulen schaffen, werden gesellschaftliche Kräfte, die an einer Veränderung der Gesellschaft interessiert sind, Schulen verändern wollen. Dies kann in eine Richtung gehen, die Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit zum Ziel hat. Das kann aber auch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Autoritarismus und Nationalchauvinismus zum Ziel erklären.

Jedoch bedarf eine Vision einer auf Zusammenarbeit ausgerichteten und friedlichen Weltgemeinschaft zur Friedfertigkeit und in Freiheit geförderte und befähigte Menschen, die gelernt haben, ihre Feindbilder und Vorurteile zu überwinden, und in der Lage sind, gesellschaftliche Strukturen und Konflikte mehrperspektivisch, auch selbstkritisch, zu reflektieren.

Die Veränderung globaler Strukturen und die Lösung internationaler Konfliktsituationen haben oft eine Entsprechung im kleinen, im mikrogesellschaftlichen Raum. Wenn dort schon keine Veränderung gelingt, wird dies im makrogesellschaftlichen Raum auch kaum gelingen.

Wenn eine an Solidarität, Pazifizierung und ökologischem Engagement orientierte Identitätsbildung über Bildungsprozesse gelingt, ist eine wichtige Voraussetzung für ein entsprechendes Handeln im Rahmen der subjektiven Möglichkeiten des Einzelnen und der gesellschaftlichen Reichweite handelnder Kollektive, wie Parteien, Gewerkschaften und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen, gegeben.

Nachhaltige Entwicklung durch Bildung

Oder am Beispiel, der nachhaltigen Entwicklung auch anders ausgedrückt: Eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung kann einen Lebensstil, ein friedliches und ein ökologisches soziales Miteinander fördern, das auch auf der überregionalen Ebene gesellschaftliche Einflüsse ausübt, Haltungen und Handlungsweisen verändern kann, die in gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen eine ernst zu nehmende politische und ökonomische Macht ergeben können.

Ein Beleg für die Möglichkeit hierfür ist die von Schülern getragene Bewegung Fridays for Future, die einen internationalen Einfluss auf klimapolitische Entscheidungen ausüben konnte.

Bildung im gemeinten Sinne lässt sich nicht verordnen bzw. autoritär anordnen. Hierbei kann es sich nur um selbstbestimmte Bildungsprozesse handeln, um ein selbstverantwortetes Lernen in der Balance von Freiheit und Verantwortung.

Bildungsprozesse müssten, so Adorno, durch einen Verzicht auf autoritäres Verhalten gekennzeichnet sein, es müsse die "Bildung eines rigorosen, starren und zugleich veräußerten Über-Ichs" in der Erziehung verhindert werden. Bildungsprozesse müssten daher am Postulat der Mündigkeit orientiert sein und die Möglichkeit zur Selbstbestimmtheit und Kritikfähigkeit anlegen.

Lernen sich als Teil des Ganzen zu begreifen

Das soziale Selbst, d. h. eine Fähigkeit zur Ich-Identität, die sowohl prinzipiengeleitet als auch offen genug ist und auf psychische Vereinfachungen verzichtet, ist die psychosoziale Voraussetzung für eine Weltgesellschaft mit universalistischen Werten, wie Friedfertigkeit, Gerechtigkeit und Toleranz, und hieran ausgerichteten Strukturen.

Die moralisch fundierte Hemmschwelle, nationalchauvinistisch, autoritär und rassistisch zu regredieren, kann sich über Bildungsprozesse unterschiedlichster Art in den Persönlichkeiten aufbauen, um nicht der Verführung von Vereinfachungen angesichts hochkomplexer gesellschaftlicher Anforderungen in einer sich zunehmend vernetzenden Weltgesellschaft zu erliegen.

Hierbei ist es in einem holistischen Sinne wichtig, dass der sich bildende junge Mensch lernt, sich als Teil eines Ganzen zu begreifen und in seinem alltäglichen Verhalten auch Verantwortung für das damit verbundene Ganze zu übernehmen, soweit dies möglich ist.

Die menschliche Persönlichkeit, die widerständig gegen die Verführungen und Manipulationen menschenfeindlichen Denkens, Natur verschlingender unsinniger Konsumbedürfnisse und aggressiver Militärstrategien ist und die mit einer universalistischen Moral ausgestattet sich als demokratisch orientierter und engagierter Weltbürger fühlt, eher zu Altruismus und sozialer Empathie denn zum Egozentrismus neigt, kann nur eine allseits gebildete Person sein.

Eine ethisch geleitete Bildung in seinen unterschiedlichen Facetten ist der Schlüssel zur Weiterentwicklung des Humanen. Dies meint sicherlich nicht die wissensfixierte Paukschule, sondern meint ein Bildungsverständnis, das schulische Bildung als gekonnte Initiierung zur Selbstbildung in Verantwortung für das Ganze versteht. Schulen und Ausbildungen sollten problemorientiert Kompetenzen fördern, welche die Lernenden auf die Gegenwart und Zukunft einer verantwortbaren Globalisierung und damit auf ein an Nachhaltigkeit, Einhaltung der Menschenrechte und friedlichem Zusammenleben orientiertes Leben vorbereiten sollten.

Die Fortführung einer imperialen Lebensweise, die Erziehung zur Rücksichtslosigkeit und die Förderung egoistischer Globalisierungsgewinnler kann hingegen kein Ziel schulischer Bildung sein.

Zentrale Rolle politischer und historischer Bildung

Die Rolle der gesellschaftspolitischen Bildung, die mit erweiterten zeitlichen Möglichkeiten im Sinne eines schulischen Schlüsselfaches auszustatten ist, könnte zentral für die Schulen der Zukunft sein. Politische und historische Bildung versucht, über die kontrovers diskutierte und mehrperspektivische Sicht auf Themen und Materialien den Lernenden ein eigenständiges politisches Urteil sowie eine eigene historische Narration zu ermöglichen.

Im Rahmen eines Wechselspiels zwischen lehrerstrukturierten und projektorientierten Unterrichtsphasen sind die möglichst selbstständige Analyse u.a. von gewalttätigen Auseinandersetzungen und von ökologischen Konflikten, die Beurteilung staatlicher und überstaatlicher Politikstrukturen, aktuelle Kriege und unterschiedliche politische Handlungsmöglichkeiten im regionalen, aber auch im globalisierten Kontext und deren historischer Genese zu erarbeiten.

Insbesondere das exemplarische Prinzip ist hier von großer Bedeutung. So untersuchen die Lernenden im Politik- und Geschichtsunterricht oder auch im Rahmen fächerübergreifender Projekte einzelne gesellschaftliche Konfliktfälle mit zunehmenden Bildungsalter und Schritt für Schritt wachsenden Kompetenzen immer genauer und selbstständiger.

Sie suchen sich etwa einen militärischen Konflikt heraus, und analysieren weitgehend selbstständig im Sinne forschenden Lernens, wie es z. B. in Mali zu einer Verknüpfung von Klimawandel, Ressourcenkonflikten, Korruption, Staatsversagen, Postkolonialismus, terroristischer Rekrutierung und gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist.

Hier werden anhand eines einzelnen Konfliktfalls auch allgemeine Aussagen und Beurteilungen möglich, die über den Einzelfall hinausgehen und zeigen, wie das regionale Geschehen in weltsystemische Strukturen und Prozesse eingebunden ist.

Vor diesem komplexen Hintergrund gilt es dann gemeinsam zu reflektieren, wie sich eine Gesellschaft aus ihrer desolaten Situation befreien kann und welche Rolle hier z.B. zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs) sowie transnationale Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union spielen könnten.